Die plötzliche moralische Entrüstung über russische Oligarchen

Wolf Paul, 2022-04-07

In den letzten Wochen gibt es immer wieder Berichte über das schwierige Leben, das russische Oligarchen aufgrund der Sanktionen haben, welche EU und USA und etliche andere Staaten nach dem illegalen und nicht zu rechtfertigenden Angriff Putins auf die Ukraine verhängt haben. Die meisten dieser Berichte sind von einem Grad an moralischer Entrüstung und Schadenfreude über das Jammern dieser Oligarchen, die sich plötzlich in ihrem Lebensstil einschränken müssen, gekennzeichnet.

Ein Beispiel dafür ist dieser Bericht in der Londoner Daily Mail, den die deutsche Kreiszeitung aufgegriffen hat. Darin wird ein “persönlicher Assistent russischer Oligarchen” zitiert, der seiner moralischen Entrüstung über das Jammern seiner Klienten und deren mangelndes Mitgefühl mit den Menschen in der Ukraine Ausdruck verleiht.

Seine moralische Entrüstung in Ehren, aber wie soll man das einordnen, wenn er einfach auflegt, wenn seine Klienten ihn jammernd anrufen und diverse Wünsche äußern? Wieviel von seiner Arbeitsverweigerung hat letztlich damit zu tun, daß seine Klienten aufgrund ihrer sanktionsbedingt eingefrorenen Konten sein Honorar nicht mehr zahlen können?

Denn es war ja denkenden Menschen immer schon klar, daß der einzige Weg, wie Russen nach dem Kollaps der Sowjetunion zu plötzlichen Reichtum kommen konnten, so lief, daß sie sich im Zuge der Privatisierung der ehemals verstaatlichten Sowjetwirtschaft mit Duldung bzw tatkräftiger Unterstützung durch die Herren Gorbachev, Yeltsin, Putin, usw., auf korrupte Weise deren Filetstücke unter den Nagel gerissen haben – sie haben sich also russisches Volksvermögen angeeignetund sind, genau betrachtet, nichts anderes als Diebe im großen Stil.

Das hat diesen “persönlichen Assistenten” offenbar nicht gestört, genausowenig wie die Vielen im Westen, darunter individuelle Politiker, politische Parteien, und sogar Regierungen, die lange Zeit ohne Skrupel lukrative Geschäfte mit diesen Verbrechern machten, getreu dem alten Motto, “Pecunia non olet.”

Ukraine: NATO und Rußland, beide schuld?

Wolf Paul, 2022-03-07

Es ist für mich unverständlich und in keiner Weise nachvollziehbar, daß es nach wie vor Menschen bei uns im Westen (Westeuropa, USA, Australien/NZ) gibt, welche die Schuld für den aktuellen Ukraine-Krieg bei den USA und der NATO sehen, bzw. USA/NATO und Rußland gleichermaßen dafür verantwortlich machen.

Auch wenn man den USA und deren Außenpolitik in den letzten 75 Jahren kritisch gegenübersteht, und die NATO bzw. Militärbündnisse allgemein ablehnt, muß man schon sehr mit Blindheit geschlagen sein, um gewisse Unterschiede nicht zu sehen.

Ich habe in den letzten Tagen Kommentare auf FB und Artikel in einschlägigen Medien gelesen, welche die NATO-Mitgliedschaft westeuropäischer Staaten unter amerikanischer Führung einerseits, und den von Russland dominierten Ostblock andererseits, in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg politisch und moralisch gleichsetzen.

Aber man muß sich nur die sehr unterschiedliche Entwicklung der Länder auf den zwei Seiten des “Eisernen Vorhangs” ansehen, politisch, wirtschaftlich, kulturell, um jede Äquivalenz ins Reich von Fantasie und Lügenmärchen zu verbannen:

  • Auf der einen Seite blühende Demokratien, Wohlstand, Reisefreiheit, ein lebendiges und vielfältiges kulturelles Leben mit Religions-, Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit;
  • auf der anderen Seite Ein-Parteien-Herrschaft, stagnierende Wirtschaftssysteme, Kultur und Presse unter strenger staatlicher Reglementierung, Menschen, die für abweichende Meinungen und sogar für religiöse Betätigung durch vielfältige Maßnahmen bis hin zu Gefängnis bestraft wurden.

Erst ab 1989 und nach dem Ende der Sowjetunion konnten sich die osteuropäischen Staaten größtenteils von der russischen Vorherrschaft befreien.

Ja, die USA haben des öfteren möglicherweise ungerechtfertigt “Weltpolizist” gespielt; diese Rolle hat sich gewissermaßen aus der Situation nach dem 2. Weltkrieg entwickelt, wo sie ja gemeinsam mit der Sowjetunion für das Ende der Nazi-Schreckensherrschaft gesorgt hatten; in der Folge waren sie in Korea und Vietnam spektakulär erfolglos. Seither beschränken sich amerikanische Militäraktionen größtenteils auf Situationen, wo es tatsächlich um Strafaktionen als Antwort auf konkrete Angriffe auf die USA geht oder um die Unterstützung angegriffener Partner oder Verbündeter. In allen Fällen haben sich die USA nach Beendigung der militärischen Operationen wieder zurückgezogen, statt sich das entsprechende Territorium einzuverleiben.

Offiziell behauptet Putin, daß sich Rußland dadurch bedroht fühlt, daß sich die osteuropäischen Staaten der NATO (und auch der EU) angeschlossen haben, bzw. im Fall der Ukraine, dies anstreben; wer wirklich davon ausgeht, daß die NATO einen Angriffskrieg mit Russland beginnen könnte, beweist damit nur, daß er weder das amerikanische noch die europäischen Völker versteht.

Und Vladimir Putin glaubt das auch nicht wirklich.

In mindestens zwei Reden in den letzten Wochen hat er sehr klar gemacht, daß es vielmehr darum geht, daß er die Ukraine als integralen Teil Rußlands sieht, der von Lenin dummerweise als eigene Sowjetrepublik abgetrennt wurde, was es der Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion erlaubt hat, in die Unabhängigkeit zu rutschen. Putin möchte diesen historischen Fehler beheben, und zwar möglichst bevor das durch eine eventuelle Mitgliedschaft der Ukraine in EU und NATO unmöglich oder zumindest riskanter wird.

Er hat sich dabei allerdings mehrfach verrechnet, hier ist eine teilweise Liste seiner Fehlkalkulationen:

  1. Der Schauspieler und Komiker Voldodymyr Zelenskyy hat sich nicht als “Push-Over” erwiesen, der beim ersten Anzeichen von Gefahr mit der wohlgefüllten Portokasse ins Ausland flieht,sondern als standfester ukrainischer Patriot, der sein Volk zu mutigem Widerstand inspiriert.
  2. Die ukrainische Bevölkerung, einschließlich weiter Teile der russischsprachigen Minderheit, hat die russischen Truppen nicht als Befreier, sondern als Angreifer und Feinde empfangen, und leistet wesentlich mehr Widerstand als erwartet.
  3. Nachdem der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill Putins Krieg in der Ukraine unterstützt, haben ihm immer mehr Bischöfe und Priester der ukrainisch-orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat) die Gefolgschaft aufgekündigt.
  4. Die Weltöffentlichkeit hat schärfer, und nach dem ersten Schock auch mit größerer Einmütigkeit reagiert, und hat Sanktionen verhängt, die Rußland hart treffen, teilweise auch mit hohem Kostenrisiko für die eigene Wirtschaft.
  5. Auch in Rußland selbst regt sich zunehmend Widerstand gegen diesen Krieg, den Putin eigentlich vor der russischen Bevölkerung verheimlichen wollte.

Die Tatsache, daß auch eine Woche nach Beginn der russischem Invasion der Ukraine keine NATO-Truppen in der Ukraine sind, und soweit man das abschätzen kann, die NATO auch nicht vorhat, militärisch einzugreifen, stellt den besten Beweis dafür dar, daß die NATO keine militärische Bedrohung Rußlands darstellt. Allerdings würde ein wirtschaftlich erfolgreiches und freies EU-Mitglied Ukraine an der Grenze zum immer noch autokratisch regierten Russland eine politische Bedrohung für Putins Regime darstellen. Deshalb ist davon auszugehen, daß Putins Ziel in der Ukraine die Errichtung eines Vasallenstaates ist, der als Buffer zwischen dem russischen Kernland und der EU dienen soll, so wie das weiter nördlich auch Belarus ist – und ebenso wie in Belarus würde das in der Ukraine die Abschaffung der Demokratie und ein repressives Regime von Rußlands Gnaden bedeuten.

Niemand weiß derzeit, wie das alles ausgehen wird, aber diejenigen, die diesen Krieg und Vladimir Putin verteidigen, sind mit moralischer und politischer Blindheit geschlagen.

„Die Russen“ sind nicht der Feind!

Wolf Paul, 2022-03-03

In den sozialen Medien gibt es neben vielen positiven Postings und Kommentaren der Unterstützung für die Ukraine, und den ärgerlichen Kommentaren von Putin-Verteidigern, leider auch Kommentare, die “die Russen” verurteilen und beschimpfen, und für die Katastrophe in der Ukraine verantwortlich machen.

Leute, denkt daran, daß Russland immer noch keine wirkliche funktionierende Demokratie ist; daß auch, wenn es **relativ** freie Wahlen gibt, die Information der Wähler im Vorfeld der Wahl sehr eingeschränkt ist und Kandidaten willkürliche von der Wahl ausgeschlossen oder unter verschiedenen Vorwänden in Straflagern landen.

Und im Gegensatz zu unseren westlichen Staaten unterliegt in Russland ein einmal gewählter Präsident fast keiner Kontrolle und kann praktisch tun und lassen, was er will.

Der Krieg in der Ukraine wird von Vladimir Putin und einem relativ kleinen Kreis von einflußreichen Leuten direkt verantwortet; ein weiterer Kreis, zu dem viele der bekannten Oligarchen gehören, unterstützt dieses System, weil sie es ausgenutzt haben, um ihre Millionen anzuhäufen.

Die normalen Bürger Russlands, einschließlich der meisten Soldaten im Feld in der Ukraine, haben keinerlei Einfluß auf diese Entscheidungen; wenn sie sich dagegen aussprechen, riskieren sie den Verlust ihrer Existenz und landen sogar im Gefängnis.

Deshalb sollten wir sehr vorsichtig sein mit Schuldzuweisungen an “die Russen.” Und die Ukrainer sind uns da ein Vorbild.

Dieses Foto ist aus einem Video-Clip, der auf Telegram und Twitter verbreitet wurde. Man sieht hier einen gefangengenommenen russischen Soldaten, der Tee trinkt und einen Snack ißt, während eine Frau mit dem Handy eine Video-Verbindung zu seiner Frau herstellt. Sobald die Verbindung steht, bricht der Soldat in Tränen aus; er ist zu bewegt, um zu sprechen, aber er bläst Küsschen zur Kamera, während ihm Leute auf den Rücken klopfen, um ihn zu beruhigen. In dem Video hört man einen Mann sagen, “Diese jungen Männer, das ist nicht ihre Schuld. Sie wissen nicht, warum sie hier sind.” Ein anderer Mann sagt, “Sie haben veraltete Landkarten, sie haben sich verirrt.”

Ist humanitäre Hilfe Neutralitätsverletzung? Natürlich nicht!

Wolf Paul, 2022-02-26

Die Niederösterreichischen Nachrichten haben auf Facebook einen Artikel mit dem Titel, Nehammer: Österreich steht Ukrainern zur Seite, verlinkt, mit der Beschreibung,

Die Situation in der Ukraine spitzt sich weiter zu. Kanzler Karl Nehammer verurteilt die russischen Angriffe – und sagt der ukrainischen Bevölkerung Unterstützung zu.

Unter diesem Post der NÖN gibt es haufenweise Kommentare, die Bundeskanzler Nehammer in teilweise beleidigender Wortwahl Neutralitätsverletzung vorwerfen, unter anderem mit der Forderung an  Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, dem Bundeskanzler Nachhilfeunterricht in Sachen Neutralität zu erteilen, da er in der Sonderschule offenbar nicht genug gelernt hat.

Das ist Nonsense; Nachhilfeunterricht, nicht nur in politischer Bildung sondern vor allem auch in Anstand und Umgangston, brauchen die Verfasser dieser Kommentare.

Die österreichische Neutralität, zu der wir uns im Vorfeld des Staatsvertrages verpflichet haben, und die im Neutralitätsgesetz festgeschrieben ist, ist eine ausschließlich militärische Neutralität – weder eine politische noch eine moralische. Dem österreichischen Staat und seiner Regierung steht es durchaus zu, in der aktuellen Situation eine Meinung zu haben und auch zu äußern.

Außerdem hat BK Nehammer ausdrücklich von medizinischer und humanitärer Hilfe für das ukrainische Volk gesprochen, was eindeutig NICHT der militärischen Neutralität widerspricht. Drum hats auch gar nichts mit der Verteidigungsministerin zu tun.

Im übrigen wurde die österreichische Neutralität im Zuge des EU-Beitritts Österreichs und der Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages noch weiter eingeschränkt und besteht derzeit im wesentlichen in einer rein militärischen Bündnisfreiheit.

Viel Lärm um nichts: der koalitionäre Side-Letter

Wolf Paul, 2022-01-31

UPDATE: Meine Reaktion auf das ZiB-Interview mit dem Korruptionsexperten Martin Kreutner am Abend des 31. Januar.

Ich halte die Aufregung über den “Side Letter” der türkis-grünen Koalition für gekünstelt, übertrieben und absolut verzichtbar.

Natürlich werden in Koalitionsverhandlungen auch Absprachen über Personalbesetzungen getroffen, das war bei türkis-grün genauso wie bei türkis-blau, und natürlich auch bei rot-schwarz, und ist auch bei allen anderen Koalitionen, in Österreich und anderswo, genauso.

Daß das in den Koalitionen unter dem sich modern und mondän gebenden Sebastian Kurz dann “Side Letter” heißt, ist ein rein kosmetisches Detail und sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß das ein völlig normaler Teil von Koalitionsabkommen ist. Ebenso ist inzwischen klar, trotz gegenteiliger Ankündigungen bei seinem Amtsantritt an der ÖVP-Spitze, daß diese Koalition im wesentlichen genauso funktioniert, wie jede andere.

Das einzige, was bei der ÖVP nach dem Farbwechsel von schwarz nach türkis anders ist: bei der ehemals christlich-sozialen Volkspartei ist nun von “christlich” fast nichts mehr zu bemerken (die Handvoll von gläubigen Christen unter den Abgeordneten hat leider nicht viel Einfluß auf die Politik), und auch das Soziale muß man länger suchen.

UPDATE am 1. Februar:

In der gestrigen ZiB dazu befragt, weist der Korruptionsexperte Martin Kreutner darauf hin,

  • daß es bei Vereinbarungen natürlich darauf ankommt, ob ihre Inhalte gesetzeskonform sind;
  • daß geheime Vereinbarungen nicht nur zu Zweifeln daran führen, sondern auch zur steigenden Politikverdrossenheit in der Bevölkerung beitragen;
  • daß bei manchen der angesprochenen Personalentscheidungen eine Ausschreibung gesetzlich vorgeschrieben ist, welche durch solche Vereinbarungen zu teuren Alibiaktionen verkommen, die letztlich nichts als Verschwendung von Steuermitteln sind;
  • und daß der Hinweis, es hätte derartige Vereinbarungen zu Personalentscheidungen immer schon gegeben und sie wären Teil jedes Koalitionsabkommens, gerade dann besonders problematisch ist, wenn man sich Transparenz und “eine andere Art der Politik” (und damit auch die Abkehr vom üblichen Postenschacher) auf die Fahnen geschrieben hat.

All dem kann ich durchaus zustimmen; dennoch halte ich vor allem die Empörung von Oppositionspolitikern für unehrlich und gekünstelt, weil sie aufgrund der langen Geschichte von Koalitionen in diesem Land erst einmal beweisen müßten, daß ihre Parteien das jetzt radikal anders machen. Die Herren Kickl und Co von der FPÖ waren schließlich alle Teil der türkis-blauen Koalition, in der es ebenfalls einen “Side Letter” gab, und die SPÖ hat ja gemeinsam mit der ÖVP “große Koalitionsgeschichte” geschrieben, wo es auch nur so gewimmelt hat von nicht-öffentlichen Absprachen.

Daß die größere Transparenz und “andere Art der Politik” in der ÖVP unter Kurz nur Augenauswischerei war und vielmehr einher ging mit einer Abkehr von den traditionellen christlich-sozialen Wurzeln/Werten dieser Partei habe ich ja auch geschrieben.

Männlein und Weiblein sind nun mal nicht austauschbar …

Wolf Paul, 2021-07-12

… so sehr das auch diversen derzeit modernen Ideologien zuwider läuft.

In der “profil Morgenpost” von heute berichtet Isabel Russ, daß Bundeskanzler Sebastian Kurz demnächst Vater wird:

Sebastian Kurz wird Vater. Es passiert selten, dass eine Nachricht aus dem Bundeskanzleramt durchwegs mit positiven Reaktionen aufgenommen wird. Auch wir gratulieren zu diesem neuen Lebensabschnitt.

Hat sich eigentlich schon jemand gefragt, was das für die Karriere des Kanzlers bedeutet? Als Annalena Baerbock, Spitzenkandidatin der Grünen bei der Bundestagswahl in Deutschland, noch als potentielle Kanzlerkandidatin galt, stellten viele Medien die Frage, ob eine Mutter denn Kanzlerin werden kann. Bei Männern spielt Nachwuchs oft gar keine Rolle. Wussten Sie zum Beispiel, dass Finanzminister Gernot Blümel letztes Jahr Vater wurde? Frauen und Männer werden leider heute noch mit zweierlei Maß gemessen.

Und so holt die biologische Realität die ideologischen Fantasien wieder mal ein. Es liegt nun mal in der Biologie begründet, daß ein Baby im Leben der Mutter einschneidendere Veränderungen mit sich bringt, als im Leben des Vaters.

Ob diese Veränderungen die Ausübung einer hohen politischen Funktion beeinträchtigen oder gar unmöglich machen, ist natürlich eine andere Frage, bei deren Beantwortung sowohl gesellschaftliche Erwartungen an Eltern und an Politiker beiderlei Geschlechts, als auch die gegenseitigen Erwartungen und die Beziehung der Eltern eine Rolle spielen.

Aber die leicht verblüffte Feststellung, daß das Kinderkriegen bei Männlein und Weiblein in politischer Funktion unterschiedlich beurteilt, “mit zweierlei Maß gemessen”, wird, verblüfft mich etwas und zeigt mir, wie weit sich die feministische Mär von der völligen Austauschbarkeit der Geschlechter, die inzwischen auch noch die noch phantasievollere Idee hervorgebracht hat, daß man sein Geschlecht nach Belieben wechseln kann, in unserer Kultur durchgesetzt hat.

Letztlich hat aber noch immer die Biologie die Oberhand – und damit der Schöpfer, der die Dinge und auch die Menschen eben so geschaffen hat, als Mann und Frau, im Ebenbild Gottes.

Wem gebührt Respekt? Und wofür?

Wolf Paul, 2021-06-06

In der vergangenen Woche sind auf nicht ganz legale und faire Weise private1 Textnachrichten zwischen dem suspendierten Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, und dem Richter am Verfassungsgerichtshof, Wolfgang Brandstetter, an die Presse weitergegeben und in der Folge veröffentlicht worden. Diese Textnachrichten enthalten respektlose Äußerungen von Pilnacek, sowohl über einzelne Verfassungsrichter, als auch über die Institution als solche. Brandstetter selbst hat zwar keine solchen Äußerungen getätigt, sich aber  in seinen Antworten auf Pilnaceks Äußerungen auch nicht klar von ihnen distanziert; aufgrund des Drucks der Oppositionsparteien hat er inzwischen seinen Rückzug aus den VfGH mit Ende Juni angekündigt.

Pilnacek hat seine Äußerungen gestern als „unverzeihbar, nicht zu rechtfertigen und völlig unangemessen“ bezeichnet und sich dafür entschuldigt.

Diese Vorfälle haben mich zum Nachdenken über “Respekt” angeregt.

Ich bin davon überzeugt, daß jedem Menschen Respekt gebührt, weil er oder sie als Geschöpf im Ebenbild Gottes erschaffen wurde. Von vielen wurde beklagt, daß Pilnaceks Äußerungen Respekt von den Institutionen des Rechtsstaats  vermissen ließen, und vielleicht gebührt diesen Institution, sowie auch den Amtsträgern des Rechtsstaats als solchen, der Respekt der Staatsbürger und wahrscheinlich noch mehr der Beamten, die diesem Staat dienen.

Ich glaube jedoch nicht, daß jede Entscheidung oder Handlung, egal ob von einem einzelnen Menschen, von einem staatlichen Amtsträger oder von einer Institution wie dem Verfassungsgerichtshof, von mir als Staatsbürger respektiert werden muß. Klar muß ich mich im Normalfall daran halten bzw. die Folgen akzeptieren, wenn ich das nicht tue, aber respektieren?

Wenn der Verfassungsgerichtshof moralisch verwerfliche Entscheidungen trifft, wie jüngst im Fall Sterbehilfe, dann respektiere ich das nicht, dann respektiere ich weder den VfGH noch die einzelnen Richter, die so entschieden haben, für diese Entscheidung.

Wenn der Bundeskanzler die moralisch verwerfliche Entscheidung trifft, keine minderjährigen Flüchtlinge von den griechischen Inseln nach Österreich zu lassen, dann respektiere ich Sebastian Kurz als Mensch, der im Ebenbild Gottes geschaffen ist; ich respektiere das Amt des Bundeskanzlers an sich, aber für seine unbarmherzige Haltung gegenüber den Flüchtlingen und die daraus resultierenden Entscheidungen kann ich weder Sebastian Kurz als Person noch den Bundeskanzler der Republik Österreich respektieren. Bestenfalls nehme ich sie zur Kenntnis.

Wenn der amerikanische Präsident für das Recht eintritt, ungeborene Kinder umzubringen, dann respektiere ich Joe Biden als Mensch im Ebenbild Gottes, und ich respektiere grundsätzlich das Amt, das er ausübt, aber seine Unterstützung von Kindstötung und die Entscheidungen, die daraus resultieren, muß ich zwar zur Kenntnis nehmen, aber respektieren muß ich sie sicher nicht. Genausowenig muß ich ihn dafür respektieren, daß er sich zwar als Katholik bezeichnet, aber unmoralische Positionen einnimmt, die dieser Selbstbezeichnung widersprechen.

Das gilt übrigens nicht nur für Politiker und andere Prominente, sondern für uns alle: Wir alle können Respekt erwarten und verlangen als Geschöpfe im Ebenbild Gottes; Respekt für unsere Meinungen und Handlungen sind ein anderes Kapitel, und selbst in unserem liberalen Rechtsstaat steht uns dafür bestenfalls Toleranz zu, aber nicht Respekt – den müssen wir uns erst verdienen, und durch falsche Entscheidungen und verwerfliche Handlungen können wir ihn auch wieder verlieren.

_____________________

  1. Das Handy wurde in einem Strafverfahren beschlagnahmt, und die Textnachrichten im Zuge des Ibiza-Ausschusses ans Parlament übergeben; diese Textnachrichten sind weder für das Strafverfahren noch für den Ibiza-Komplex relevant und waren als “vertraulich” eingestuft; die Weitergabe durch NEOS-Abgeordnete war daher höchst irregulär. Es handelte sich dabei um eine private Unterhaltung, bei der man eben nicht immer jedes Wort auf die Goldwaage legt; die Veröffentlichung derselben und die daraus resultierende öffentliche Be- und Verurteilung von Pilnacek und Brandstetter ist daher eine Verletzung ihrere Privatspäre, für die den verantwortlichen NEOS-Abgeordneten kein Respekt gebührt, was immer für Rechtfertigungen sie jetzt anführen.

Ist Österreichs Solidarität mit Israel verfassungswidrig?

Wolf Paul, 2021-05-16

Nachdem vor zwei Tagen (Freitag, 14. Mai 2021) die österreichische Bundesregierung Solidarität mit Israel bekundet hat, indem am Bundeskanzleramt und am Außenministerium die israelische Fahne gehisst wurde, haben einige besonders kluge Zeitgenossen (auf Facebook, aber auch der blaune Parteivorsitzende Hofer) gemeint, diese österreichische Solidaritätsbekundung für Israel widerspräche der verfassungsgemäßen immerwährenden Neutralität Österreichs.
 
Aber die Neutralität ist in Österreich immer schon militärisch und nicht weltanschaulich verstanden worden: Die Verfassung selbst definiert Neutralität überhaupt nicht, während das Neutralitätsgesetz von 1955 (im Verfassungsrang) sie militärisch definiert – keine Bündniszugehörigkeit, keine fremden Stützpunkte (siehe angehängter Screenshot).
 
Bei den Verhandlungen zum Staatsvertrag, mit dem das Neutralitätsgesetz politisch zusammenhängt, haben Österreichs Verhandler in Moskau den Begriff Neutralität nach dem Muster der Schweiz benutzt, um klarzustellen, dass es sich dabei nicht um Gesinnungsneutralität  handeln könne – deshalb war Österreich, wenn auch nicht in der NATO, doch immer ein westliches Land, und kann heute nicht moralisch neutral sein gegenüber terroristischen Vereinigungen wie der Hamas.
 
Diese Hamas feuert seit Tagen ununterbrochen Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung ab; und sie tut das von Stützpunkten und Abschußbasen aus, die eingebettet sind in zivile Wohngebiete, die sich unmittelbar neben Spitälern und Schulen befinden – damit die notwendigen und gerechtfertigten Gegenschläge Israels möglichst viele zivile Opfer, darunter auch Kinder, fordern.
 
Angesichts dieser Situation steht die symbolische Solidaritätsbekundung Österreichs gegenüber Israel durch das Hissen der israelischen Fahne, eindeutig nicht im Widerspruch zur Verfassung, und ist gerade in Bezug auf Österreichs Geschichte durchaus angebracht: Schließlich sollten wir nicht vergessen, daß “Heimat bist du großer Söhne” leider auch Typen wie AH und nicht wenige seiner Schergen umfaßt – “groß” natürlich im Sinne ihrer traurigen weltgeschichtlichen Bedeutung, nicht im Sinn von moralischer Größe.

Die kulturell konservative Mehrheit stärken?

Wolf Paul, 2021-05-13

Im Telegraph vom 13. Mai 2021 schreibt Allister Heath,

«Was ist los mit Frankreich, diesem wunderbaren Land, das von seinen Politikern unerbittlich im Stich gelassen wird? Es liegt ein unverkennbarer Geruch von Panik in der Pariser Luft, ein zunehmendes Gefühl in Teilen der herrschenden Klasse, daß Frankreich, auseinandergerissen von Kulturkriegen, mit seiner Wirtschaft und Gesellschaft in nicht enden wollendem Abstieg, mit seinen riesigen Wohnanlagen in den Vorstädten andauernd an Kippen, sich dem Abgrund nähert.

Trotz allem Hohn sind Boris Johnsons jüngste Wahlerfolge nicht unbemerkt geblieben. Was, so fragen sich die vorausschauenderen Intellektuellen, wird Frankreichs Gegenstück zum Brexit sein, wenn, oder vielmehr, sobald es dazu kommt? Wird es eine Wiederholung von 1961 sein (ein fehlgeschlagener Putsch), von 1968 (linksradikaler Studentenaufstand), 1981 (Kommunisten in der Regierung), 1789 (eine echte Revolution), oder, hoffentlich, etwas weniger Gewaltsames, Konstruktiveres?

Die gilets jaunes (Gelbwesten) vor zwei Jahren waren ein falscher Alarm, aber wie wird sich die Wut von la France profonde das nächste Mal manifestieren? Emmanuel Macron hat zugegeben, daß “Leave” eine Abstimmung über einen Frexit gewinnen würde – aber die will niemand riskieren. Es ist wirklich schade: Frankreich, das Land wo ich aufwuchs, braucht einen katharsischen “Reset” wie Brexit, ein politisches Erdbeben, das weder linksradikal noch rechtsradikal ist, welches aber endlich die kulturell konservative Mehrheit stärkt.»

Hier sind meine Gedanken dazu als Nicht-Experte:

Das Problem ist, daß sich selbst die gemäßigte Linke gegenüber den kulturell Konservativen, die sie als rechtsradikal wahrnehmen1, zunehmend als überlegene Elite fühlt. Deshalb werden sie sich nicht leicht mit Veränderungen abfinden, welche diese “Deplorables” (“Bedauernswerten”), um mit Hillary Clinton zu sprechen, stärken. Das ist nicht nur ein französisches Problem; das trifft in der gesamten westlichen Welt zu.

Ich bin gespannt, wie die Dinge in Großbritannien weitergehen. So sehr ich den Brexit bedaure, scheint er dort genau so einen “Reset” ausgelöst oder zumindest begonnen. Aber während größere Länder wie Großbritannien, Frankreich, oder auch Deutschland sich einen Brexit, Frexit oder Dexit leisten können, ohne daß ihre Wirtschaft allzu viel Schaden nimmt, wäre es für die kleineren Länder, aber auch Italien oder Spanien, katastrophal, wenn sie die EU verlassen oder diese auseinanderbrechen würde – trotz aller Fehler und Schwächen der Union. Unter anderem würde das bedeuten, daß die Wirtschaft unserer Länder noch mehr von den USA und China dominiert würde, als das jetzt schon der Fall ist – es gäbe kein Gegengewicht mehr.

__________
  1. wenn es z.B. um Positionen wie die Realität und Unabänderlichkeit des biologischen Geschlechts, um die Ehe ausschließlich zwischen Mann und Frau, den Schutz des ungeborenen Lebens, usw. geht[]

Christenverfolgung?

Wolf Paul, 2021-05-02

Es gibt immer wieder Berichte, daß Christen mit der Polizei in Konflikt kommen, weil sie in der Öffentlichkeit gegen Homosexualität oder gegen die gleichgeschlechtliche Ehe predigen, zuletzt dieser Bericht auf Churchleaders.com. Auch die Verurteilung von Pastor Olaf Latzel wegen “Volksverhetzung” in Bremen ist ein ähnlicher Fall.

Hier ist meine Meinung dazu:

Natürlich sollten auch Christen ihr Recht auf Meinungs- und Redefreiheit ausüben können, und politisch gesehen ist die zunehmende Unterdrückung dieses demokratischen Grundrechts (indem man manche Meinungen als Haßrede verbietet) problematisch und besorgniserregend.

ABER: Geistlich gesehen ist unser Auftrag als Christen und Kirche nicht, der ungläubigen Welt christliche Moral zu predigen, sondern Jesus Christus als Herrn, als den einzigen Erlöser und Heiland, zu verkündigen.

Wenn Menschen zu Jesu kommen und wiedergeboren werden, dann wird sie der Heilige Geist in alle Wahrheit leiten, und Ihn kann die Polizei schließlich nicht festnehmen.

Natürlich werden wir als Christen zunehmend diskriminiert werden, in den verschiedensten Bereichen, wenn wir unsere Sicht der Dinge klar zum Ausdruck bringen, oder uns an gewissen Dingen nicht beteiligen wollen (z.B. Abtreibung oder Hochzeiten von gleichgeschlechtlichen Paaren), und das ist gerade in Ländern, die sich ihrer liberalen Gesellschaftsordnung rühmen, eine ärgerliche Entwicklung, weil hier gerade diejenigen, die am lautesten nach Toleranz schreien, äußerst intolerant agieren.

Aber ich warne davor, von Christenverfolgung zu reden (auch nur andeutungsweise), solange wir Jesus als den Herrn und gekreuzigten und auferstandenen Christus und Erlöser predigen dürfen.

Wenn wir nämlich die Diskriminierung, die wir manchmal und in bestimmten Bereichen hier in Europa und anderen westlichen Ländern erleben, gleichsetzen mit der gewaltsamen Unterdrückung und Verfolgung zum Beispiel in Nordkorea, China, oder auch Indien, oder auch mit der gewaltsamen Verfolgung christlicher Flüchtlinge durch muslimische Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern hier bei uns in Europa, dann läuft das auf eine Geringschätzung des Leidens unserer Geschwister in diesen Ländern hinaus. Und wenn wir jetzt schon über “Verfolgung” klagen, wie werden wir damit umgehen, wenn wir tatsächlich einmal mit realer Verfolgung konfrontiert sind?