Gedanken zu Gottesdienst, Kirchenjahr, Tradition

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Ausgehend von den interessanten Gedanken von Pfarrer i. R. Detlef Korsen zum Thema “Eventgottesdienste”, die wohl vor allem auf seinen Erfahrungen im norddeutschen evangelischen Umfeld basieren, habe ich mir meine eigenen Gedanken gemacht über die Situation in meinem österreichischen[1] freikirchlichen Umfeld – da gibt es nämlich ein ganz ähnliches Problem: Gottesdienste neigen dazu, mit zunehmender Größe der Gemeinde immer mehr den Charakter einer perfekt orchestrierten Bühnenshow anzunehmen (dies nicht nur in Österreich).

Wie in Pfr. Korsens Schilderung, sind auch in unseren Gemeinden die sehr traditionsbeladenen Feste Weihnachten und Ostern Anlässe für besondere Events, entweder am Feiertag selbst oder im Vorfeld desselben. Was mir dabei auffällt ist, daß sich diese Events oft mehr an den kulturellen Traditionen als am christlichen Charakter des Festes orientieren. Das scheint mir daran zu liegen, daß in unseren österreichischen freikirchlichen Kreisen das Kirchenjahr, aus dem diese Feiertage kommen und ihren christlichen Charakter beziehen, kaum Beachtung findet, sondern als “Tradition” abgetan wird. Es steht ja nicht direkt in der Bibel. Daher feiern wir an diesen Tagen nicht primär Geburt und Auferstehung Jesu, sondern nutzen das kulturelle Restbewußtsein dieser Bedeutungen als evangelistischen Aufhänger (was ja an sich durchaus lobenswert ist).

Allerdings hat das Kirchenjahr, als Ordnung des Jahres anhand der vergangenen Großtaten Gottes mit dem Ziel, uns diese zu vergegenwärtigen und uns bewußt zu machen, daß Gott auch heute noch wirkt, durchaus ein biblisches Vorbild: den Festkreislauf des jüdischen Volkes.[2] Dieser Festkreislauf basiert nicht nur auf der biblischen Offenbarung, sondern entspricht auch, wie eben auch das Kirchenjahr, dem menschlichen Bedürfnis, uns an wichtige Ereignisse in Feiern zu erinnern (z.B. Geburts- und Hochzeitstage).

Und es ist ja auch nicht so, daß wir Tradition generell ablehnen, sondern lediglich die Tradition der alten Kirche. Jede unserer Gemeinden hat ihre Tradition, oft geteilt mit anderen Gemeinden des gleichen Bundes oder Netzwerks. Wir lehnen ja größtenteils auch Liturgie ab, aber auch da nur die traditionell überlieferte altkirchliche Liturgie – denn jede Gemeinde hat ihre eigene Liturgie: meist laufen Gottesdienste Sonntag für Sonntag nach dem gleichen Schema ab, und die “freien” Gebete mancher Geschwister[3] klingen auch jeden Sonntag ziemlich gleich.

Wir berufen uns in der Ablehnung der altkirchlichen Tradition oft auf die Reformation und deren Grundsatz “sola Scriptura” – aber Martin Luther z.B. hat ja nicht die Tradition an sich abgelehnt, sondern den Versuch, diese zusätzlich zur Bibel (und teilweise im Widerspruch zur Bibel) als Maßstab für Lehre, Glauben, und Leben heranzuziehen.[4]

Ich persönlich sehe den zunehmenden Eventcharakter unserer Gottesdienste mit Bedauern, und würde einen von der Gemeinde im Gottesdienst bewußt als Vorbereitung auf die Geburt und Wiederkunft des Erlösers gefeierten Advent[5], sowie eine Fasten- und Passionszeit als Vorbereitung auf das Gedächtnis des Leidens und Sterbens sowie auf die Feier der Auferstehung Jesu, sehr begrüßen.

Das ganze erfordert jedenfalls noch mehr Nachdenken, und eine leichte Änderung in Bezug auf das Kirchenjahr ist ja Gott sei Dank zu beobachten.

 

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  1. Ich streiche das hervor, weil sich meiner Erfahrung nach die Situation in Österreich von der Situation in Deutschland und der Schweiz in einigen Aspekten unterscheidet. Durch die Jahrhunderte dauernde Dominanz des habsburgischen Katholizismus war bis vor wenigen Jahrzehnten die römisch-katholische Kirche die dominante Kirche, neben der protestantische Kirchen einschließlich der Lutherischen und Reformierten, ein Schattendasein führten. Freikirchen waren bis 2013 nicht einmal als Kirchen anerkannt und durften sich bis 1999 auch nicht als Vereine organisieren. Die Mehrzahl der österreichischen Freikirchen entstanden erst nach dem 2. Weltkrieg und waren die ersten Jahrzehnte von Vertriebenen aus den ehemals deutschen Ostgebieten und Jugoslawien sowie von ehemals katholischen Konvertiten geprägt. Letztere standen allem, was irgendwie katholisch aussah, verständlicherweise sehr skeptisch und ablehnend gegenüber, was sich erst jetzt, wo die Gemeinden bereits von Mitgliedern in der vierten Generation bevölkert sind, langsam ändert. Auch die offene Unterstützung der Anerkennung der Freikirchen 2013 durch den katholischen Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, hat viel zu einer Haltungsänderung beigetragen. []
  2. Daß die Kirche dabei, in ihrem zunehmenden Antijudaismus und der supersessionistischen Theologie (auch “Ersatzlehre“, die Kirche hat Israel ersetzt, ist das neue Israel), die biblischen Feste des Alten Bundes durch völlig neue, christliche Feste ersetzt hat, statt sie um diese zu ergänzen, ist meines Erachtens sehr traurig, und die Tatsache, daß das Feiern der jüdischen Feste und des Sabbats für zwangsbekehrte Juden durch die Staatsmacht als Handlanger der Kirche unter schwere Strafe gestellt wurde empfinde ich als absoluten Schandfleck der Kirchengeschichte.[]
  3. Wo es denn noch eine freie Gebetszeit gibt im Gottesdienstablauf, denn mit zunehmendem Eventcharakter verschwindet diese oft[]
  4. Allerdings gibt es in der “Schweizer” Reformation (Calvin, Zwingli, usw.), und auch in der “radikalen Reformation” des Täufertums, das Prinzip des “Regulativs des Gottesdienstes“. Dieses besagt, daß im christlichen Gottesdienst nur das legitim ist, was ausdrücklich in der Bibel geboten ist. Alles, was nicht direkt im Wort Gottes befohlen wird, ist demnach im Gottesdienst unzulässig. Manche dehnen das dann auf das gesamte kirchliche bzw. Gemeindeleben aus, wodurch dann auch traditionelle Feste verboten sind. Insofern sich Gemeinden (freikirchliche oder nicht) heute darauf berufen, muß man den meisten von ihnen vorwerfen, daß sie sich nur sehr selektiv daran halten.[]
  5. mit mehr Inhalt als das Anzünden der Adventkranzkerzen[]
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Die O-Antiphonen: Sieben Tage vor Weihnachten

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(Aktualisiert:  Heute, Freitag, 23. Dezember, ist die siebente (und letzte) der „O-Antiphonen“ dran, O Immanuel. Videos am Ende dieses Posts.)

  • Heute, Samstag, 17. Dezember, beginnt die Woche der „O-Antiphonen“, sieben Leitversen als Antiphonen zum Lobgesang der Maria, dem Magnificat, in der Vesper, dem liturgischen Abendgebet, in mehreren christlichen Traditionen. Seit dem 7. Jahrhundert wird in der Vesper, dem liturgischen Abendgebet, das Magnifikat, der Lobgesang der Maria, gebetet oder gesungen; an den sieben Tagen vor dem Heiligen Abend jeweils mit einer von sieben Antiphonen, die alle mit dem Ausruf “O” beginnen. Sie sprechen den Messias mit einem Titel an, mit dem Er im Älteren Testament[1]beschrieben wird, preisen Ihn für Sein Wirken, und enden mit der Bitte, “Komm!”:

1. O Weisheit …
2. O Adonai …
3. O Sproß aus Jesses Wurzel …
4. O Schlüssel Davids …
5. O Morgenstern …
6. O König der Völker …
7. O Immanuel

Die O-Antiphonen „sollen uns anleiten, darüber nachzudenken, wer dieser Jesus für mich ist. Wir wollen unser Herz weit machen, dass wir das Fest seiner Geburt freudig feiern können.“ So heißt es auf der Seite „praedica.de“, wo die vollständigen Texte der O-Antphonen sowie weiterführende Gedanken zu finden sind. Das ist eine katholische Seite, aber die O-Antiphonen sind auch Teil der Vesper in den anglikanischen und lutherischen Traditionen. Der evangelische Pfarrer Detlef Korsen hat auf seinem YouTube Kanal eine kurze Einleitung dazu veröffentlicht und möchte zu jeder der Antiphonen ein Video veröffentlichen:

17. Dezember — O Sapientia — O Weisheit

Gedanken zu “O Weisheit” von Pfarrer Detlef Korsen

Magnifikat mit O Weisheit, gesungen von Pfarrer Korsen

18. Dezember – O Adonai – O Adonai (O Herr)

Gedanken zu “O Adonai” von Pfarrer Korsen

Magnifikat mit O Adonai, gesungen von Pfarrer Korsen

19. Dezember – O Radix Jesse– O Sproß aus Jesses Wurzel

Gedanken zu “O Sproß aus Jesses Wurzel” von Pfarrer Korsen

Magnifikat mit O Sproß aus Jesses Wurzel, gesungen von Pfarrer Korsen

20. Dezember – O Radix David– O Schlüssel Davids

Gedanken zu “O Schlüssel Davids” von Pfarrer Korsen

Magnifikat mit O Schlüssel Davids, gesungen von Pfarrer Korsen

21. Dezember – O Oriens – O Morgenstern

Gedanken zu “O Morgenstern” von Pfarrer Korsen

Magnifikat mit O Morgenstern, gesungen von Pfarrer Korsen

22. Dezember – O Rex Gentium – O König der Völker

Gedanken zu “O König der Völker” von Pfarrer Korsen

Magnifikat mit O König der Völker, gesungen von Pfarrer Korsen

23. Dezember – O Immanuel 

Gedanken zu “O Immanuel” von Pfarrer Korsen

Magnifikat mit O Immanuel, gesungen von Pfarrer Korsen

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  1. Ic h bevorzuge diese Bezeichnung für die Hebräische Bibel, weil „alt“ oft mit „überholt“ assoziiert wird, während „älter“ eine zeitliche Abfolge beschreibt.[]
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Wurde Jesus tatsächlich am 25. Dezember geboren?

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Jedes Jahr im November und Dezember zirkulieren alle möglichen Artikel in der Presse und sozialen Medien, über den angeblich heidnischen Ursprung von Weihachten. Hier gibt es eine gute Antwort auf diese Vorwürfe. Gestern bin ich jedoch über zwei andere Einwände gegen Weihnachten gestoßen: (1) Weihnachten ist fake, weil Jesus mit großer Wahrscheinlichkeit nicht am 25. Dezember geboren wurde; und (b) Weihnachten ist zu einem total kommerzialisierten, weltlichen Fest verkommen; wenn es je eine geistliche Bedeutung hatte, ist diese unwiederbringbar verloren gegangen.

Dazu habe ich ein paar Gedanken:

  1. Der erste Einwand beruht auf einem Mißverständnis darüber, worum es beim Kirchenjahr überhaupt geht: es geht nämlich nicht darum, die tatsächlichen, historischen Daten zu feiern, sondern darum, uns den irdischen Dienst Jesu vor Augen zu stellen und zu feiern, in zwei sogenannten Festkreisen. Da ist zuerst der Weihnachtsfestkreis, der mit dem Advent (dem Gedenken an die Verheißung eines Erlösers und seine verheißene Wiederkunft beginnt; seinen Höhepunkt zu Weihnachten, dem Fest der Geburt Jesu, findet, und mit seiner Offenbarung an die nicht-jüdischen Völker (Epiphanie) endet. Dann haben wir den Osterfestkreis, der am Aschermittwoch mit der 40-tägigen Fastenzeit beginnt, einer Zeit der Vorbereitung auf die Feier der zentralsten Ereignisse der Heilsgeschichte: der triumphale Einzug Jesu in Jerusalem (Palmsonntag), Einsetzung des Abendmahls (Gründonnerstag), Kreuzigung und Tod Jesu (Karfreitag), und schließlich der absolute Höhepunkt der Heilsgeschichte und auch des Kirchenjahres, Jesu Auferstehung vom Tod zu Ostern. Mit der Feier der Himmelfahrt des auferstandenen Christus, der Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten, und der Feier der dreieinigen Natur Gottes (Trinitatis oder Dreifaltigkeitssonntag) endet der Osterfestkreis. Die restliche Zeit des Jahres, je nach kirchlicher Tradition als Sonntage nach Pfingsten, nach Trinitatis, oder einfach Sonntage im Jahreskreis genannt, werden manchmal als Symbol für das Zeitalter der Kirche oder Gemeinde verstanden. In manchen Kirchen wird der letzte Sonntag diese Zeit als Christkönigsfest gefeiert. Das tatsächliche Datum der Geburt Jesu ist hier genauso unwichtig, wie das genaue Datum von Kreuzigung und Auferstehung (die ohnehin jedes Jahr auf ein anderes Datum fallen).
  2. Ja, Weihnachten ist wirklich schrecklich kommerzialisiert, und manchmal fragen wir uns, ob es noch zu retten ist. Aber (a) letztlich liegt es an uns, als einzelnen Gläubigen, als Familien, als christlichen Gemeinden, ob und wie weit wir uns auf den ganzen kommerziellen Weihnachtsrummel einlassen, und wie weit wir uns auf die tatsächliche Bedeutung von Weihnachten, die Geburt unseres Erlösers, konzentrieren. Das ist natürlich einfacher in einem Gemeinde-Umfeld, wo das Kirchenjahr mit seinen Zeiten und Festen gefeiert wird. Und  (b), Weihnachten scheint eine Zeit zu sein, wo die Menschen für geistliche Dinge empfänglicher sind, wo auch Leute, die sonst nie in die Kirche gehen, bereit sind, sich zu Advent- und Weihnachtskonzerten, weihnachtlichen Theatervorführungen, und sogar Weihnachtsgottesdiensten einladen zu lassen.

Das Kirchenjahr, seinen Zeiten und Feste, ist zwar nicht biblisch geboten; aber genauso wie die Feste des Älteren Testaments sollen sie uns an Gottes große Heilstaten für uns erinnern, damit wir sie feiern können. Und genauso wie die biblischen Feste sind sie eine großartige Gelegenheit, unseren Kindern ihre Bedeutung zu erklären — und nicht nur ihnen, sondern allen, die noch nicht an Jesus glauben.

Und so, obwohl das Kirchenjahr (und damit auch Weihnachten) kein biblisches Gebot ist, sollen diejenigen unter uns, die es einhalten, nicht herabschauen auf die, die es einhalten; und genauso sollen die, die das Kirchenjahr nicht einhalten, nicht diejenigen kritis.eren, die Weihnachten feiern.

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Stir up, o Lord, the Batter for Christmas Puddings

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Bevor das von Papst Pius XI eingeführte Christkönigsfest auf den letzten Sonntag des Kirchenjahres festgelegt wurde, lautete das Tagesgebet für diesen Sonntag,

Excita, quæsumus, Domine, tuorum fidelium voluntates: ut divini operis fructum propensius exsequentes, pietatis tuæ remedia maiora percipiant: Per Christum Dominum nostrum. Amen.

In deutscher Übersetzung lautet das etwa wie folgt:

Rüttle auf, Herr, den Willen deiner Gläubigen, damit sie, indem sie die Früchte des göttlichen Werkes bereitwilliger ausführen, die größeren Heilmittel deiner Barmherzigkeit wahrnehmen mögen: durch Christus, unseren Herrn.  Amen.[1]

In England, wo Erzbischof Thomas Cranmer das “Book of Common Prayer” produzierte, indem er die römische Liturgie vereinfachte, an die Erkenntnisse der Reformation anpaßte und ins Englische übersetzte, wurde daraus,

Stir up, we beseech thee, O Lord, the wills of thy faithful people; that they, plenteously bringing forth the fruit of good works, may of thee be plenteously rewarded; through Jesus Christ our Lord. Amen.

Deshalb wird dieser letzte Sonntag des Kirchenjahres im englischen Kulturkreis „Stir Up Sunday“ genannt, was zu einer amüsanten Gedankenassoziation geführt hat: „Stir“ bedeutet nämlich auch umrühren, und für das Volk in den Kirchenbänken wurde dieser Anfang des Tagesgebets zu einer Erinnerung, „to stir up the batter for the Christmas puddings“ — den Teig für die Christmas Puddings an- bzw. umzurühren, damit diese rechtzeitig für Weihnachten fertig würden.

Man sagt ja, daß drei literarische Werke überdurchschnittlich viel Einfluß auf das Vokabular der englischen Sprache hatten: die Werke William Shakespeares, die Bibel in der Authorized Version[2] sowie Cranmers Book of Common Prayer, und „Stir Up Sunday“ ist ein gutes Beispiel dafür.

Titelbild „Christmas pudding decorated with skimmia rather than holly.“  🅭🅯🄎 User Musical Linguist on en.wikipedia.org

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  1. Die deutsche Übersetzung im Schott-Messbuch vor der Liturgiereform ist ziemlich frei; hier habe ich mit Hilfe von Google Translate versucht, den lateinischen Text ziemlich genau wiederzugeben.[]
  2. auch King James Version genannt, weil König James I die Übersetzung in Auftrag gegeben hatte[]
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Christkönigs–Sonntag

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Ich hatte in der Bibelschule einen Lehrer, der so besorgt war, man könnte die tatsächliche Königsherrschaft Christi im tausendjährigen Reich anzweifeln oder gar leugnen, daß er es strikt ablehnte, Christus schon jetzt als König zu bezeichnen, trotz gegenteiliger biblischer Indizien und populärer Lobpreislieder.

Aber wir dürfen Christus schon jetzt als König bezeichnen, und deshalb mag ich das Christkönigsfest, welches heuer auf den 20. November, also den kommenden Sonntag, fällt.

Das Christkönigsfest ist ursprünglich ein recht neues, katholisches Fest; es wurde 1925 von Paps Pius XI eingeführt. An seinem heutigen Platz im Kirchenjahr, nämlich dem letzten Sonntag des Jahres (dem Sonntag vor dem ersten Adventssonntag) ist es im Zuge der Liturgiereform nach Vatikan II gelandet. Über das Revised Common Lectionary (RCL), einer ökumenischen Perikopenordnung für Sonn- und Feiertage, die auf dem katholischen „Ordo Lectionum Missae“, dem römischen Messlektionar, aufbaut, hat das Fest auch in viele protestantische Kirchen in der englischsprachigen Welt Eingang gefunden.

In der deutschsprachigen Welt ist das RCL praktisch unbekannt, daher wird das Christkönigsfest bei uns in protestantischen Kirchen nicht gefeiert, was ich sehr schade finde. Stattdessen wird in den evangelischen Kirchen an diesem Sonntag, der „Totensonntag“ oder „Ewigkeitssonntag“ genannt wird, der Toten gedacht.

Wenn wir aber Christus als König feiern, dann sollten wir uns bewußt sein, was das bedeutet. Hier ist ein Abschnitt aus der Enzyklika Quas Primas von Pius XI, mit der das Fest eingeführt wurde:[1]

Wenn nämlich Christus, dem Herrn, alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, wenn die Menschen, die mit seinem kostbaren Blute erkauft sind, unter einem neuen Gesichtspunkt seiner Herrschaft unterworfen werden, wenn endlich diese Herrschaft das ganze menschliche Wesen umfaßt, dann ergibt sich daraus, daß keine einzige Fähigkeit sich dem Einfluß dieser höheren Gewalt entziehen darf.

Christus soll also herrschen über den Verstand des Menschen, der in vollkommener Unterwerfung seiner selbst den geoffenbarten Wahrheiten, den Lehren Christi fest und beständig beipflichten muß; herrschen soll Christus über den Willen, der den göttlichen Gesetzen und Vorschriften folgen muß; herrschen soll er über das Herz, das die natürlichen Gefühle zurückdrängen und Gott über alles lieben und ihm allein anhangen muß; herrschen soll er im Leibe und in seinen Gliedern, die als Werkzeuge oder, um mit dem Apostel Paulus zu reden, als Waffen der Gerechtigkeit für Gott zur inneren Heiligung der Seele dienen sollen.

Das sind alles Wahrheiten, die wir heute sowohl in unserem persönlichen Leben als auch im Kontext vieler Kirchen und Gemeinden aller Traditionen nicht so gerne hören; gerade deshalb tun wir gut daran, sie uns ins Gedächtnis zu rufen und uns zum Abschluß des Kirchenjahres Christus als den König vor Augen zu stellen.

 

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  1. Quas Primas, Absatz 42, zitiert nach dem Text wie er auf der Website www.stjosef.at veröffentlicht ist.  Ich danke meinem Namensvetter Ian Paul der diesen Abschnitt in seinem Blogbeitrag zum Christkönigsfest zitiert, natürlich auf Englisch. Die Absatz-Nummerierung ist in den verschieden Übersetzungen unterschiedlich; in der englischen Übersetzung auf Vatican.va ist dies Absatz 33.[]
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Liturgie: Plappern wie die Heiden?

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Manche evangelikale Christen stehen Liturgie und vorformulierten Gebeten, ebenso wie den Festen des Kirchenjahres, sehr skeptisch gegenüber: das wäre leeres Geplapper wie die Heiden, und weil die Worte vorgegeben sind, läßt es, im Gegensatz zu freiem, spontanen Gebet, dem Heiligen Geist keinen Raum, und kirchliche Feste sind nur Schatten (Kol. 2,16–17)

In seinem Buch „Eat This Book“ („Iß dieses Buch“)[1], einem messianisch-jüdischen Jüngerschaftshandbuch, behandelt Stuart Dauermann[2] verschiedene Einwände, die auch in messianisch-jüdischen Kreisen gegen liurgisches Gebet vorgebracht werden. Ich möchte hier aus dem Buch zitieren, wie Dauermann zwei dieser Einwände widerlegt:


4. „So ein vorgeplantes und ritualisiertes Gebet läßt dem Heiligen Geist keinen Raum.“

Wer das sagt, beschränkt den Heiligen Geist auf Spontaneität. Das ist ein Irrtum, die Bibel ist anderer Meinung. In 2. Chronik 5 werden der Pomp und das prächtige Zeremoniell bei der Einweihung von Salomos Tempel beschrieben. Die Bibel beschreibt kein anderes Ereignis, welches detaillierter geplant gewesen und strenger nach einem „Drehbuch“ abgelaufen wäre als dieses. Wenn der Einwand gegen vorgeplantes und ritualisiertes Gebet gerechtfertigt wäre, dann hätte diese Tempeleinweihung geistlich tot sein müssen. Stattdessen lesen wir diese Beschreibung:

Darauf traten die Priester aus dem Heiligtum. Alle, die gekommen waren, unabhängig davon, zu welcher Abteilung sie gehörten, hatten sich geheiligt. Die levitischen Sänger, Asaf, Heman, Jedutun, ihre Söhne und Brüder, standen alle, in Byssus gekleidet, mit Zimbeln, Harfen und Zithern an der Ostseite des Altars. Bei ihnen waren hundertzwanzig Priester, die auf Trompeten bliesen. Es kam wie aus einem Mund, wenn die Trompeter und Sänger gleichzeitig zum Lob und Preis des HERRN sich vernehmen ließen. Als sie mit ihren Trompeten, Zimbeln und Musikinstrumenten einsetzten und den HERRN priesen – „Denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig“ -, erfüllte eine Wolke den Tempel, das Haus des HERRN. Die Priester konnten wegen der Wolke ihren Dienst nicht verrichten; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes. (2. Chron. 5,11–14, EÜ2016)

Inmitten all dieser genau im Voraus geplanten Pracht erscheint der Herr und überwältigt alle. Der heilige Gott hat offensichtlich kein Problem mit rituellem, formellem und geplantem Gebet, das Ihm von Seinem Volk als Liebrsgabe dargebracht wird. Er zeigt sich gerne in solchen Situationen und nichts verleiht der „Party“ mehr Leben als Seine Gegenwart!

Natürlich,  mit Pomp und Pracht geplantes Zeremoniell kann pompös und pretentiös sein; aber es kann auch Ausdruck der Ehfurcht und des Respekts sein, die dem Thronsaal des Königs der Könige angemessen sind.

5.„Das leeres Geplapper.“

Wieder falsch. Nicht jede Wiederholung ist leeres Geplapper. Wenn jemand zu seiner Liebsten sagt, „Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich!“, ist das zweite und dritte Mal leeres Geplapper? Das glaube ich nicht!


Das heißt natürlich nicht, daß jeder Christ und jede Gemeinde in komplizierten liturgischen Formen beten muß, aber es heißt sehr wohl, daß wir Liturgie im Gottesdienst und auch im privaten Gebet nicht verurteilen dürfen. Man könnte hier durchaus die Worte des Apostels Paulus umschreiben:

Der eine glaubt, er dürfe frei oder liturgisch beten. Der Schwache aber betet nur frei. Wer liturgisch betet, der verachte den nicht, der nur frei betet; und wer nur frei betet, der richte den nicht, der liturgisch betet; denn Gott hat ihn angenommen. Wer bist du, dass du einen fremden Knecht richtest? Er steht oder fällt seinem Herrn. Er wird aber stehen bleiben; denn der Herr kann ihn aufrecht halten. (nach Römer 14,2–4)

Ein anderes Thema, wo Evangelikale gerne auf Christen in anderen Traditionen herabblicken ist das Einhalten von bestimmten Feiertagen. Meiner Erfahrung nach feiern die meisten evangelikalen Christen zwar Weihnachten und Ostern, aber oft nur als eine gute evangelistische Möglichkeit, weil viele Mitmenschen zu diesen Zeiten für das Evangelium empfänglicher sind als sonst. Sie sehen keinen geistlichen Nutzen im Einhalten dieser Feste, geschweige denn der vielen anderen Festtage im volkskirchlichen Kirchenjahr. Da finde ich dann zwei Dinge interessant:

Erstens: Unmittelbar nach den Versen, auf die ich mich oben bezogen habe, schreibt Paulus folgendes:

Der eine hält einen Tag für höher als den andern; der andere aber hält alle Tage für gleich. Ein jeder sei seiner Meinung gewiss. Wer auf den Tag achtet, der tut’s im Blick auf den Herrn; wer isst, der isst im Blick auf den Herrn, denn er dankt Gott; und wer nicht isst, der isst im Blick auf den Herrn nicht und dankt Gott auch. … Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder du, was verachtest du deinen Bruder? (Römer 14,5–6, 10, LUT 2017)

Zweitens: Auch Israel hatte religiöse Feste, die sie einhielten (und die wahrscheinlich Jesus selbst auch einhielt); sie feierten und erinnerten an die großen Taten, die Gott für sein Volk vollbracht hat. Manche dieser Feste waren biblisch vorgegeben; andere entstammten der jüdischen Tradition. Jesus verdammt diese Tradition nicht; vielmehr sagt er über die Hüter der Tradition:

Alles nun, was sie (die Parisäer und Schriftgelehrten) euch sagen, das tut und haltet; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln; denn sie sagen’s zwar, tun’s aber nicht. (Matthäus 23:3, LUT2017)

Auf die Zeit des Neuen Testaments und der Gemeinde Jesu übertragen schließe ich daraus, daß kirchliche Feste, auch wenn sie nicht biblisch geboten sind sondern der Tradition entstammen, dann legitim sind, wenn sie das Handeln Gottes, Ereignisse im Leben Jesu, aber auch das vorbildliche Leben herausragender Jünger Jesu, feiern und uns daran erinnern; und wie Paulus sagt, „Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder du, was verachtest du deinen Bruder?“ nur weil er Feste feiert, die du nicht feierst?

Und wenn dann der Einwand von manchen kommt, das Problem wäre vielmehr, daß die (kath.) Kirche ihren Mitgliedern vorschreibt, diese Feste einzuhalten, und das widerspricht der „Freiheit eines Christenmenschen,“ und den Worten des Apostels in Kolosser 2,15 dann stimme ich zwar zu; allerdings lassen sich heute die wenigsten Katholiken von den Vorschriften der Kirche ein schlechtes Gewissen machen, und ich erinnered aran, daß auch evangelikale Gemeinden immer wieder Erwartungen an ihre Gemeindeglieder haben oder hatten, wo man darüber streiten kann, ob sie so in der Bibel stehen oder nicht.

Ich möchte natürlich auch niemandem etwas vorschreiben, weder liturgisches Gebet oder besstimmte Gottesdienstformen, und auch nicht das Einhalten von Feiertagen; ich möchte uns aber zu mehr Respekt aufrufen für Dinge und Praktiken, die andere Christen in ihrem Wandel mit dem Herrn hilfreich finden, nach dem Motto, „Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder du, was verachtest du deinen Bruder?

 

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  1. Stuart Dauermann, Eat This Book: Strength for Your Journey with the Jewish Jesus, Heart Ally Books 2022, ISBN-13: Paperback 978-1-63107-044-0, eBook 978-1-63107-043-3;  Amazon | Smashwords []
  2. Stuart Dauermann ist ein „Elder Statesman“ der messianisch-jüdischen Bewegung; er kam 1962 als Musikstudent zum Glauben an Jesus, war Teil Musikgruppe „The Liberated Wailing Wall“ und Gemeinderabbiner einer messianischen Gemeinde. Hier gibt es eine ausführliche Biografie. In deutschsprachigen Liederbüchern ist er als Komponist mehrerer Lobpreislieder zu finden.[]
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Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden!

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Der Osterhymnus aus der Liturgie der Anglikanischen Kirche
1. Korinther 5,7b, 8; Römer 6,9–11; 1 Korinther 15,20–22 (nach der EÜ2016)

Als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden.
Lasst uns also das Fest feiern,
  nicht mit dem alten Sauerteig,
  nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit,
  sondern mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und Wahrheit!

Christus, von den Toten auferweckt, stirbt nicht mehr;
  der Tod hat keine Macht mehr über ihn.
Denn durch sein Sterben
  ist er ein für alle Mal gestorben für die Sünde,
  sein Leben aber lebt er für Gott.
So begreift auch ihr euch als Menschen,
  die für die Sünde tot sind,
  aber für Gott leben in Christus Jesus.

Christus ist von den Toten auferweckt worden
  als der Erste der Entschlafenen.
Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist,
  kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten.
Denn wie in Adam alle sterben,
  so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn
  und dem Heiligen Geist,
  wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit
  und in Ewigkeit.
Amen.

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