Wozu dienen TV-Debatten?

Wolf Paul, 2022-09-21

Bundespräsident Alexander Van der Bellen will sich auf keine Fernseh-Debatten mit seinen Konkurrenten einlassen, denn „der amtierende Bundespräsident müsse darauf achten, dass das Amt nicht beschädigt werde. Der Sinn von TV-Konfrontationen sei, die eigenen Positionen darzulegen. Diese Gelegenheit müsse man seinen Konkurrenten geben. Doch der Amtsinhaber brauche diese Plattform nicht mehr, weil die Bevölkerung sich bereits ein Bild von ihm habe machen können.

Ich halte das für eine kluge Entscheidung.

Van der Bellen beschreibt das Ziel solcher Debatten ja sehr diplomatisch, denn in Wirklichkeit geht es dabei ja darum, das eigene Profil zu schärfen, indem man sich öffentlichkeitswirksam und persönlich am Konkurrenten reibt und versucht, ihn „vorzuführen“.  Wenn Van der Bellen (wohl zu Recht) meint, daß er das nicht nötig hat, ist es verständlich, daß er seinen Konkurrenten nicht die Möglichkeit dazu geben will; durch seine Weigerung, den Reibebaum abzugeben,  beschränkt er die Mitbewerber tatsächlich darauf, „die eigenen Positionen darzulegen.“


Eingebetteter Inhalt: https://orf.at/stories/3286164/

DAFÜR ist das Militär da!

Wolf Paul, 2022-09-19

Meine Frau (sie ist Engländerin) und ich haben heute fast den ganzen Tag vor dem Fernseher verbracht, mit der BBC-Berichterstattung über die Begräbnisfeierlichkeiten für Königin Elizabeth, die verschiedenen Prozessionen mit dem Sarg, und den Begräbnisgottesdienst in der Westminster Abbey. Dort war eine Trauergemeinde von rund zweitausend geladenen  Gästen versammelt, darunter hunderte Staats- und Regierungschefs, und Erzbischof Justin Welby erinnerte sie in seiner Predigt daran, daß die, vor allem auch Führer, die den Menschen dienen, geliebt und in gutem Andenken bewahrt werden, während die, die sich an ihre Macht und Privilegien klammern, bald vergessen sein werden.

Alles endete dann in St. George’s Chapel in Windsor, wo die eigentliche Bestattung stattfand und die Königin neben ihrem Mann, Prinz Philip, begraben wird.

Alles hat wie am Schnürchen geklappt, und ich war sehr beeindruckt von den Menschenmengen: sowohl denen entlang der Prozessionsrouten in London und Windsor, als auch den großen Menschenansammlungen in Städten wie Edinburgh, Manchester, und sogar Christ Church, Neuseeland.

Noch viel beeindruckender war für mich das riesige Aufgebot an Soldaten aus allen Zweigen des britischen Militärs, in ihren bunten Uniformen, mit ihren sorgfältig choreographierten Schritten und Bewegungen, alles im Auftrag von und zu Ehren ihrer verstorbenen Monarchin.

Dann mußte ich daran denken, was andere Soldaten im Auftrag ihrer Führer machen, wie zum Beispiel die russischen Soldaten, die im Auftrag von Vladimir „Schlächter“ Putin unter dem Vorwand einer Bedrohung durch die NATO und „ukrainische Nazis“ ein Nachbarland überfallen haben, und dort seit mehr als sechs Monaten zivile Ziele wie Spitäler und Schulen bombardieren, Zivilisten, einschließlich Kinder, foltern, vergewaltigen, und töten, und die den ganzen Kontinent bedrohen, indem sie immer wieder die Umgebung des größten europäischen Kernkraftwerks bombardieren.

Und auch an die ukrainischen Soldaten mußte ich denken, die ihre Heimat mit unglaublicher Tapferkeit und Einfallsreichtum verteidigen, und ich kam zu folgendem Schluß:

Das beeinduckende Spektakel heute in London und Windsor, sowie die mutige Verteidigung der Ukrainer gegen einen feigen, grausamen und brutalen Aggressor: DAS ist es, wofür Militär recht gebraucht wird. Das, was Schlächter Putin angeordnet hat, eine räuberische und brutale Invasion eines Nachbarlandes, ist ein Mißbrauch des Militärs, und das darf man ihm nicht durchgehen lassen, dafür muß er von der internationalen Gemeinschaft zur Verantwortung gezogen werden.

Rote Fäustlinge für die Königin

Wolf Paul, 2022-09-15

Ein Tribut an Königin Elizabeth II von Ian Kleinsasser, Crystal Spring, anläßlich ihres Todes
9. September 2022

Dieser Bericht liefert eine plausible Erklärung dafür, warum Königin Elizabeth II von England im Rahmen ihres Besuche in Manitoba (Kanada) , aus Anlaß der Hundertjahrfeier der Provinz Manitoba, eine Hutterer-Kolonie besucht hat.

(Für eine kurze Vorstellung der Hutterer, bitte hinunterscrollen)

Die Geschichte beginnt im Januar oder Februar 1969, ungefähr ein Jahr vor dem Manitoba-Besuch der Königin. An einem verschneiten Wintertag war eine hutterische Frau namens Hans-Rebecca[1], in der Rainbow Hutterer-Kolonie[2] fleißig dabei, zwei Paar rote Wollfäustlinge zu stricken. Auf die Frage, für wen diese Fäustlinge gedacht waren, antwortete Hans-Rebecca, „Das sind keine gewöhnlichen Fäustlinge; ich stricke sie für Königin Elizabeth II.“

Und tatsächlich, als Hans-Rebecca die Fäustlinge fertiggestrickt hatte, packte sie sie ein und schickte sie über den Atlantik zum Buckingham Palace in London. Einen Monat später landete ein sehr offiziell aussehender Brief auf Hans-Rebeccas Tisch. Der Brief war von einer der Hofdamen von Königin Elizabeth, und darin stand:

„Königin Elizabeth nimmt normalerweise keine persönlichen Geschenke aus der Bevölkerung an, macht jedoch in diesem Fall eine Ausnahme.“

In dem Brief stand auch, daß Königin Elizabeth anläßlich ihres Kanada-Besuches im Jahr 1970 gerne eine Hutterer-Kolonie besuchen würde. Die Hofdame dankte Hans-Rebecca für die Fäustlinge und sagte, daß Königin Elizabeth ihr ausrichten ließ, daß sie die Fäustlinge gut für ihre Kinder brauchen könnte.

Als Königin Elizabeth II dann 1970 nach Kanada reiste, äußerte sie tatsächlich den Wunsch, eine Hutterer-Kolonie in Manitoba zu besuchen, und obwohl Hans-Rebecca möglicherweise die Auslöserin dieses Besuches war, war es ihr nicht vergönnt, die Königin zu treffen. Nur junge Leute, Diene (Dirndeln) und Buem (Buben) wurden zu dem Treffen mit der Königin in Milltown eingeladen[3].

Die Geschichte von Hans-Rebecca ist eine plausible Erklärung dafür, warum Königin Elizabeth eine Hutterer-Kolonie in Manitoba besuchen wollte, erklärt aber nicht, wie dieser Besuch aus politischer oder organisatorischer Hinsicht zustande kam, soll heißen, wer die Fäden gezogen hat, um ihn zu ermöglichen. Dazu  findet man in einem Artikel von Kevin Rollason in der Winnipeg Free Press, mit dem Titel, „A Brush With History“ („Anstreifen an der Geschichte“), nähere Details:

Laut Rollason hat der damalige Premierminister von Manitoba, Edward Schreyer, eine Schlüsselrolle dabei gespielt, den Besuch in der Milltown Hutterer-Kolonie zu ermöglichen. Schreyer war sehr verrtraut mit den Hutterern und hatte dazu beigetragen, das Gentleman’s Agreement[4] aufzuheben, das den Hutterer-Kolonien in Manitoba unfaire Beschränkungen auferlegt hatte. Schreyer schildert in dem Free Press-Artikel seine Perspektive:

„Das (der Wunsch, eine Hutterer-Kolonie zu besuchen) war etwas ungewöhnlich, aber ich habe zum Telefon gegriffen und die Milltown-Kolonie angerufen, um zu fragen, ob die Königin eine Hutterer-Kolonie besuchen könne. Am nächsten Tag sagten sie (die Hutterer-Leiter) zu. Kurz gesagt, die Königin war sehr erfreut und sagte bei mindestens zwei Gelegenheiten, wie sehr sie sich über diesen besonderen Besuch gefreut hatte. Und als die Königin und Prinz Philipp zwei oder Tage später auf dem Flughafen waren, um abzureisen, wurden sie von einer kleinen Gruppe aus der Kolonie verabschiedet.“

Schreyer liefert hier eine gute Erklärung, wie dieser Besuch zustande kam, und weist auch darauf hin, wie ungewöhnlich diese Bitte von Königin Elizabeth war. Könnte es sein, daß das Geschenk von zwei Paar roten Fäustlingen im Jahr zuvor die Ursache war, daß sich die Behörden in Manitoba jetzt mit dieser ungewöhnlichen Bitte abgeben mußten?

Schreyers Bericht erklärt auch nicht, warum gerade die Milltown Hutterer-Kolonie für diesen Besuch ausgewählt wurde. Ein wahrscheinlicher Grund ist die Nähe der Kolonie zur Bahnstrecke und zum Bahnhof in Elie, Manitoba.

Als die Königin in Milltown ankam wurde sie von einer neugierigen Menschenmenge hutterischer Frauen, Männer und Kinder erwartet, Bewohnner der Milltown-Kolonie sowie anderer Hutterer-Kolonien aus der Umgebung. Nach einer Führung durch die Milltown Kleinschul (Kindergarten), das Kirchengebäude und den Speisesaal der Kolonie kehrte Königin Elizabeth wieder zu ihrem Fahrzeug zurück. Bevor sie abfuhr, sangen die jungen Mädchen der James Vallery Hutterer-Kolonie nahe Elie nach einigen Berichten das Lied Should We Meet No More von Daniel O Teasley. Andere berichten, daß sie God Be with You Till We Meet Again sangen. Als zwei hutterische Männer, Josh Hofer und sein Sohn Nathanial Hofer mit den James Valley-Mädchen ein deutsches Lied ansyimmten, stellte sich Prinz Philipp dazu und sang mit[5].

Schließlich verließen Königin Elizabeth und ihre Begleiter die Milltown-Kolonie und fuhren zum Bahnhof von Elie zurück, gefolgt von vielen Hutterern, die den königlichen Zug abfahren sehen wollten. Königin Elizabeth stand auf der hinteren Plattform des Zuges und winkte der jubelnden Menge auf dem Bahnsteig der Canadian National Railway zum Abschied zu.

Wahrscheinlich werden wir nie wissen, ob es zwei Paar handgestrickte rote Wollfäustlinge waren, die zum Wunsch der Königin geführt haben, bei ihrer Kanada-Reise im Jahr 1970 auch eine Hutterer-Kolonie in Manitiba zu besuchen. Was wir aber sehr wohl wissen über den Besuch der Königin: daß sie kam! Und daß seither viele kanadische Hutterer gerne an diesen Besuch zurückdenken. Heute trauern wir, gemeinsam mit tausenden Menschen weltweit, um eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die Königin Elizabeth II. Gott mit dir bis wir uns wiedersehen!

Copyright © 2022 by Ian Kleinsasser.  Übersetzt und hier veröffentlicht mit Genehmigung des Autors. Photo Credit: Mennonite Heritage Archives.

Ein Hinweis des Übersetzers:

Die Hutterer sind sogenannte Täufer, die im frühen 16. Jahrhundert in Südtirol entstanden sind. Aufgrund von religiöser und politischer Verfolgung migrierten sie über Mähren (Tschechien) und Oberungarn (heute Slowakei) nach Siebenbürgen (Rumänien), wo sie mit Kärntner Geheimprotestanten, die ebenfalls vor der Verfolgung durch die Habsburger geflohen waren, in Kontakt kamen, infolgedessen ihr Tiroler Dialekt weitgehend durch das Kärntnerische ersetzt wurde. Von dort ging es weiter in die Walachei (Südrumänien) und schließlich in die Ukraine (damals Russisches Reich). Nachdem im späten 19. Jahrhundert ihre Wehrdienstbefreiung in Frage gestellt wurde, migrierten sie zwischen 1874 und 1879 in die USA, und dann, in der Zwischenkriegszeit aus ähnlichen Gründen nach Kanada, wo die meisten Hutterer heute leben.
 
Die Hutterer leben in Gütergemeinschaft (nach Apostelgeschichte 2), in Siedlungen, die Kolonien genannt werden. Es gibt drei große Gruppen, die Schmiedeleut, die Dariusleut und die Lehrerleut, benannt nach ihren Begründern, sowie etliche kleinere verwandte Gruppen, darunter die Bruderhof-Gemeinschaft, die gerade dabei ist, ihre zweite Niederlassung in Österreich zu gründen.
Für eine ausführlichere Beschreibung empfehle ich diesen Wikipedia-Artikel.
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  1. Hans-Rebecca: Rebecca Maendels Vater hieß Hans. Früher war es üblich, den Vornamen ihres Vaters an den eigenen Vornamen anzuhängen, um sich von anderen Trägern des gleichen Namens innerhalb einer Kolonie zu unterscheiden.[]
  2. Die Rainbow Hutterer-Kolonie lag in Île des Chênes, Manitoba.[]
  3. Zur Zeit des königlichen Besuches war Hans-Rebecca 48 Jahre alt. Sie war zwar noch unverheiratet, galt aber nicht mehr als Teil hutterischen Jugendgruppe und fuhr daher auch nicht mit der Gruppe mit, die Königin zu sehen.[]
  4. Das Gentleman’s Agreement wurde 1957 als Reaktion auf Befürchtungen wegen des Wachstums der Hutterer zwischen dem Städtebund von Manitoba und den Hutterern geschlossen und begrenzte sowohl die Zahl als auch die Größe der Hutterer-Kolonien. Es war von Anfang an diskriminierend und wurde immer schwieriger einzuhalten. 1970 wurde es, nach einem Rechtsstreit infolge eines größeren Landkaufs einer Kolonie von der Manitoba Menschenrechtskommission als diskriminierend und daher rechtswidrig aufgehoben.[]
  5. Das deutsche Lied war „Ich habe nun den Grund gefunden“.[]

Ein unerwarteter Held: Wolodymyr Selenskyj

Wolf Paul, 2022-09-13

Diesen Worten von David Ignatius in der „Washington Post“ kann ich mich nur anschließen: ich bin sehr von Wolodymyr Selenskyj beeindruckt.

Als er gewählt wurde, habe ich ihn, wie die meisten Politiker und Journalisten und viele andere außerhalb der Ukraine, für ein Leichtgewicht gehalten. Auch Putin hat ihn offenbar für ein Leichtgewicht gehalten, das er nur mal kurz anblasen muß, damit er umfällt: wie sich herausstellt, ein fataler Irrtum.

Egal, ob wir damit recht hatten oder nicht; sowohl der ukrainische Präsident als auch seine Gattin sind in dieser von Putin angezettelten Krise weit über sich hinausgewachsen. Er hat seinen Mangel an militärischer und außenpolitischer Erfahrung dadurch wettgemacht, daß er sich mit erfahrenen Ratgebern umgibt und tatsächlich auf sie hört; seine Weigerung, sich und seine Familie im Ausland in Sicherheit zu bringen erinnert an die Entscheidung der britischen Royals, während des zweiten Weltkriegs in London zu bleiben statt sich nach Kanada abzusetzen. Diese Entscheidung, sowie seine regelmäßigen Videobotschaften, die belegen, daß er sich tatsächlich in Kiew aufhält, haben ihm die mehrheitliche Unterstützung der Bevölkerung gesichert: laut einer Umfrage im März 2022 über 90%.

Der Screenshot oben stammt von David Ignatius’ Kolumne in der Washington Post,  “How Ukraine’s offensive changes the equation for Putin and Zelensky” (“Wie die ukrainische Offensive die Gleichung für Putin und Selenskyj verändert hat”, September 13, 2022)

 

Ehre der Ukraine und Sieg ihren Verteidigern!

Wolf Paul, 2022-09-12

Слава Україні та перемога її захисникам!

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, wo einerseits Krieg als etwas ganz Schreckliches und Abzulehnendes angesehen wurde (ich habe ziemlich früh Bücher wie E. M. Remarques „Im Westen nichts Neues“ gelesen, welches die Schrecken des Ersten Weltkriegs schildert), andererseits aber durchaus auch Dankbarkeit herrschte gegenüber den Alliierten des Zweiten Weltkriegs, die gegen Hitler und seine Schergen gekämpft und unser Land von Nazideutschland befreit hatten, und dann (zumindest die Amerikaner) auch den Wiederaufbau finanziell unterstützt haben.[1]

Nach meiner Bekehrung zu einem entschiedenen, evangelikalen Christentum tendierte ich sehr stark in Richtung der Theorie des Gerechten Krieges; dabei war mir durchaus bewußt, daß die Beurteilung, ob ein Krieg „gerecht“ war, voll dorniger Fragen war.

Im letzten Jahrzehnt, als Reaktion auf den katastrophalen Ausgang der Kriege der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan und Irak, die ja in gewisser Hinsicht durchaus als gerechte Kriege gesehen werden konnten,[2] sowie durch die Lektüre von Büchern aus der anabaptistischen Tradition, neigte ich zunehmend zu einem ziemlich absoluten Pazifismus.

All das hat sich in den letzten sechs Monaten drastisch geändert; ein absoluter Pazifismus ist für mich, nach dem illegalen und brutalen Angriff von Vladimir Putins Russland auf die Ukraine,[3]  nicht mehr haltbar. Für mich ist klar, daß ein Land in der Situation der Ukraine sowohl vor Gott als auch vor den Menschen jedes Recht hat, sich auch mit miliärischen Mitteln gegen gegen den Aggressor zu verteidigen. Ich glaube, daß das durch Römer 13,4 abgedeckt ist: die Regierung „trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut.“ — in diesem Fall an Vladimir Putin und seiner Armee. Ich bete für den Sieg der ukrainischen Verteidiger über den brutalen Aggressor, und daß Putin und seine Verbündeten, einschließlich des schandhaften Patriarchen Kyrill,[4] aus dem Weg geräumt werden (wobei das „Wie“ Gott überlassen bleibt), und ich hoffe, daß unsere westlichen Regierungen von EU, Großbritannien, USA und anderen Ländern, die Ukraine auch weiterhin, und zwar so lange wie notwendig, unterstützen werden und Putins Drohungen nicht nachgeben. Putin darf von seiner Kriegsbeute nichts behalten.

 Und deshalb lese ich mit Genugtuung (vermischt mit Trauer über die vielen Toten) von den militärischen Durchbrüchen der ukrainischen Streitkräfte und der Einkesselung russischer Truppen. Dabei bin ich überzeugt, daß es russischen Soldaten in ukrainischer Gefangenschaft wesentlich besser gehen wird, als ukrainischen Soldaten, die von den Russen gefangengenommen werden.

Ehre der Ukraine, und Sieg ihren Verteidigern!

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  1. Mein Elternhaus wurde durch einen ERP-Kredit finanziert (ERP: European Recovery Program, offizieller Name des Marshall-Plans) []
  2. sofern man nicht von vornherein anti-amerikanisch oder anti-westlich eingestellt war[]
  3. Die These, daß der russische Angriff berechtigt war, weil sich Rußland durch die ukrainischen Bemühungen, der EU und der NATO beizutreten, bedroht gefühlt hätte, ist nicht haltbar. Kein einigermaßen vernünftiger Mensch geht davon aus, daß die USA, und erst recht ihre europäischen NATO-Verbündeten, in Europa einen Krieg anzetteln würden — auf die Idee kommt nur einer, der einen solchen Angriff selbst für ein probates Mittel zur Erreichung seiner großrussischen Träumereien hält und es deshalb auch anderen zutraut.[]
  4. Wie alle orthodoxen Bischöfe ist Kyrill ein Mönch, hat jedoch ein Privatvermögen von rund 4 Milliarden Dollar angehäuft, was auch ohne seine Unterstützung von Putins Krieg ein bezeichnendes Licht auf ihn wirft.[]

Kindheitserinnerungen: Wohin soll ich mich wenden?

Wolf Paul, 2022-09-08

Vor zweieinhalb Monaten, Mitte Juni 2022, postete ich diesen Text auf Facebook;[1] unterhalb finden sich dann noch ein paar Gedanken zu meinen Kindheitserinnerungen.

Mit zunehmendem Alter, und krank im Bett liegend, gehen mir allerlei Kindheitserinnerungen durch den Kopf – darunter auch so manche Lieder, die ich jeden Sonntag in der Kirche gesungen habe, aus der Betenden Gemeinde, dem Gesang- und Gebetbuch der Erzdiözese Wien bis zur Einführung des Gotteslob im ganzen deutschen Sprachraum.

Auf der Suche danach auf YouTube sehe ich, daß etliche davon aus der Deutschen Messe von Franz Schubert stammen, mit Texten vont Johann Philipp Neumann.

Neu angehört, mit einem bewußteren Glauben als damals in den frühen 1960er Jahren, kann ich immer noch das meiste bejahen, wenn auch vielleicht mit einer etwas anderen Betonung, einem anderen Verständnis als die Gläubigen in der Katholischen Kirche.

Manche dieser Lieder könnten wir mit Gewinn in unseren evangelkalen Gottesdiensten singen, als Ausgleich zu den oft sehr seichten modernen Anbetungsliedern (obwohl natürlich auch die evangelische Kirchenliedtradition reiche Schätze bietet, ebenso wie die erweckliche Tradition der Reichslieder).

Nur eines wirkt für den Evangelikalen, der ich heute bin, etwas befremdlich: es ist zwar in einigen Liedern die Rede vom Heiland und vom Erlöser, aber der Name des Heilands und Erlösers, Jesus, wird nicht ein einziges Mal erwähnt. Angesichts von Philipper 2, 5–10 scheint das ein wesentliches Versäumnis.

Hier ist ein Link zu einer YouTube Playlist der Lieder (wesentlich besser gesungen als damals in unserer Pfarrkirche in Wien-Eßling):

Auf dieser Seite des Erzbistums Köln gibt es die Texte sowie auch Noten und Hintergrund-Informationen zur Deutschen Messe.

Im Gotteslob finden sich nur mehr drei dieser Lieder („Wohin soll ich mich wenden“, „Ehre, Ehre sei Gott in der Höhe“, und „Heilig, Heilig, Heilig“) im Hauptteil des Buches; die übrigen finden sich nur im Diözesananhang für Bayern und Österreich. Ich habe keine Ahnung, wieviele diese Lieder heute tatsächlich noch regelmäßig gesungen werden, außer natürlich bei speziellen, musikalischen Vorführungen z.B. in der Schubertkirche in Lichtental (1090 Wien).

Soweit mein etwas ergänzter Facebook-Post.

Als Folge meiner nunmehr bereits mehr als vier Monate andauernden Bettlägrigkeit ist mein Schlafrhytmus sehr gestört, und entweder schlafe ich erst lange nach Mitternacht ein, oder aber ich wache so gegen zwei oder drei Uhr auf und habe dann Schwierigkeiten, vor fünf oder sechs Uhr wieder einzuschlafen. So auch heute: ich bin gegen halb drei Uhr aufgewacht, mit der Melodie des Schubert-Glorias in meinem inneren Ohr, und habe mir dann die oben verlinkte Aufnahme der Deutschen Messe angehört und gleichzeitig aus meinem Facebook-Post diesen Blogeintrag gebaut.

Wie bereits oben erwähnt kommen mir, und zwar nicht erst in den letzten Jahren als alter Mann, Erinnerungen aus meiner Kindheit ins Bewußtsein. Zum ersten mal aufgefallen ist mir dies bereits vor etlichen Jahren bei einer Gemeindefreizeit auf dem Mariahilfberg in Gutenstein. Neben dem evangelikalen Gästehaus, in dem wir untergebracht waren, gibt es dort ein Servitenkloster mit Wallfahrtskirche, die scheinbar vor allem von katholischen Gläubigen aus Polen und der Slowakei besucht wird.

Eines Morgens ging ich auf der Suche nach einem Platz für meine Stille Zeit an der Kirche vorbei, wo gerade eine Messe im Gange war. Die Kirchentür war zu, und ich habe auch kein Wort verstanden, aber nach wenigen Augenblicken wußte ich, nur anhand meiner Kindheitserinnerungen an den Rhytmus einer Meßfeier, an genau welchem Punkt im Ablauf der Liturgie diese Messe gerade war — und das, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwanzig Jahre in keiner katholischen Messe mehr gewesen war.[2]

Obwohl ich nach meiner Bekehrung 1971 sehr gedrängt wurde, der römisch-katholischen Kirche den Rücken zu kehren (ich bin dann auch tatsächlich ausgetreten), und in meinem neuen evangelikalen Umfeld Katholiken kaum als Christen anerkannt wurden,[3] war mir schon damals bewußt, und ist mir seither immer stärker bewußt geworden, wieviel ich meiner katholischen Erziehung, in einer sehr frommen Großfamilie[4] auch in geistlicher Hinsicht verdankte: bei uns gab es nicht nur den Volksschott, ein lateinisch-deutsches Meßbuch mit der „vor-vatikanischen“ Liturgie, sondern auch mehrere Bibeln, und ich war daher schon als neubekehrter Evangelikaler recht vertraut mit der Bibel. 

In den letzten zwanzig Jahren bin ich durch meine Teilnahme am „Runden Tisch für Österreich“ und durch Initiativen wie „Österreich betet gemeinsam“ wieder mit mehr Katholiken in Verbindung, und habe in diesem Umfeld sowie in einigen katholischen Erneuerungsbewegungen wie „Loretto“ viele liebe Geschwister kennengelernt. In der katholischen Pfarre in unserem Weinviertler Dorf haben wir vor ein paar Jahren an einem Alpha-Kurs teilenommen, und dann bis zum Beginn der Pandemie an einem monatlichen Lobpreisabend, der jedes mal mit eucharistischer Anbetung[5] endete. Das gehört zwar nicht zu meiner evangelikal geprägten Frömmigkeit[6], aber die Ehrfurcht vor dem gegenwärtigen Christus hat mich sehr beeindruckt, auch wenn ich Jesu Gegenwart nicht an die Hostie in der Monstranz gebunden verstand.

Was uns trotz aller, nach wie vor bestehender Unterschiede in Theologie und Frömmigkeitspraxis, in geschwisterlicher Liebe verbindet, ist der Glaube an Jesus Christus, den für unser Heil gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes, und das erscheint mir viel wichtiger als die institutionelle Ökumene.

Soweit ein paar Gedanken, angestoßen durch die nächtlichen Kindheitserinnerungen eines alten Mannes. Erstaunlich, wie weit die Gedanken schweifen.

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  1. Für diesen Blog-Eintrag habe ich ein paar Stellen ergänzt und Infos aus den Kommentaren eingearbeitet.[]
  2. Außer anläßlich des Begräbnisses meines Vaters, wo ich ganz andere Dinge im Kopf hatte[]
  3. Das ist nicht rein theologisch zu erklären, sondern evangelikale Christen und freikirchliche Gemeinden waren damals im traditionell katholischen Österreich eine als „Sekten“ diskriminierte ubd verunglimpfte Minderheit; diese Feindseligkeit ging vielfach von der Kirche aus und wurde von uns auch durchaus erwidert[]
  4. Von den neun Geschwistern meiner Mutter ging eine Schwester ins Kloster und ein Bruder wurde Priester; im Wohnzimmer der Großeltern hing ein päpstliche Orden für Verdienste um die Kirche während der Nazizeit, beide meiner Eltern waren in ihrer Jugend in der Katholischen Jugend aktiv und später, da war ich allerdings schon aus dem Haus, arbeiteten beide Eltern als katholische Religionslehrer[]
  5. Ich muß dem Wikipedia-Artikel und auch dem weitverbreiteten Mißverständnis entgegen treten, daß bei der eucharistischen Anbetung die Hostie angebetet bzw verehrt wird. Die Anbetung gilt Jesus, der nach katholischem Verständnis in der Gestalt der Hostie gegenwärtig ist.[]
  6. Auch wenn ich, im Gegensatz zu manchen Evangelikalen, im Abendmahl nicht nur nach Zwingli ein “bloßes” Gedächtnismahl sehe sondern glaube, daß wir mit Brot und Wein auf geistliche Weise den Leib und das Blut Christi empfangen. Im Gegensatz zur katholischen Lehre glaube ich nicht, daß wir das „Wie“ von Christi Gegenwart irgendwie definieren können oder sollen – es ist ein Mysterium. Was die eucharistische Anbetung angeht, halte ich es mit dem klassischen anglikanischen Gebetbuch, wo es heißt, „Christus hat die Sakramente nicht eingesetzt, damit wir sie betrachten oder herumtragen, sondern daß wir sie in rechter Weise empfangen.“[]

Sonderbare Bettgenossen

Wolf Paul, 2022-09-01

Das Karl-May-Magazin berichtet über die Münchner Premiere des frei nach Motiven von Karl May erzählen und rund um den sonderbaren Rückzieher des Ravensburger-Verlages bereits kontrovers diskutierten Filmes „Der junge Häuptling Winnetou“, am 7. August 2022 (der Film ist seit 11. August in den Kinos).

Natürlich wurde in der Pressekonferenz nach der Uraufführung auch die kulturpolitisch heiße Frage gestellt: Indigene als Filmfiguren, die auch noch überwiegend deutsch besetzt sind – geht das heute überhaupt noch?

Regisseur Mike Marzuk antwortet auf diese Frage nicht ganz politisch korrekt, daß das in einem deutschsprachigen Film kaum zu umgehen sei, spricht dann doch noch politisch korrekt mehrmals von „Native Americans“ statt von Indianern und meint abschließend, „Wir drehen gern Filme über Freundschaft, auch über kulturübergreifende Freundschaften. Aber Filme sollen nicht unterrichten, sondern unterhalten.

Und es ist diese Aussage (der ich durchaus zustimme), die für mich eine interessante Gemeinsamkeit von konservativ-fundamentalistischen, vor allem evangelikalen Christen einerseits und „woken,“ „progressiv“-fundamentalistischen Aktivisten andererseits, aufzeigt; im Englischen spricht man von „strange bedfellows“, sonderbaren Bettgenossen:

Beide lehnen nämlich diese These von Regisseur Marzuk ab und sehen Romane und Filme nur dann als gerechtfertigt an, wenn diese sehr wohl primär als Lehrmittel angelegt sind: Sie sollen nicht nur unterhalten (das natürlich auch, sonst fänden sie ja kein Publikum), sondern unbedingt auch Wahrheiten vermitteln, theologisch-korrekte für die Christen und politisch-korrekte für die Progressiven.

Deshalb sind im konservativ-christlichen Lager hauptsächlich Romane erfolgreich (und werden dann auch verfilmt), die irgendein Thema „biblisch“ beleuchten[1] ; diese werden dann von ihrem Zielpublikum auch oft nicht als Fiktion gelesen, sondern als biblisch-theologische Glaubens- und Lebensratgeber. Gleichzeitig wird von manchen gegen Filme, die sich auf „christliche“ Themen beziehen und dabei das christliche Wahrheits- und Ehrfurchtsgefühl verletzen[2] ähnlich vehement protestiert, wie von moslemischen Fundamentalisten gegen die Satanischen Verse oder Charlie Hebdo, wenn auch ohne Gewalt.

Und ebenso hält man im „progressiven“ Lager Literatur und Filme, die nicht der aktuellen politischen Korrektheit entsprechen (darunter auch viele Klassiker der Weltliteratur), für entbehrlich, ja sogar gefährlich, und geht daher mit den Mitteln der „Cancel Culture“ dagegen vor, damit z.B. Verlage diese (Beispiel Ravensburger) zurückziehen, Kinos sie boykottieren oder Unis sie aus den Lehrplänen streichen.

Ich halte solche Proteste und „Cancellations“ für kontraproduktiv. Kaum jemand bekehrt sich zu Christus, weil er  von Demonstranten am Kinobesuch gehindert wird, oder zu einer „progressiven“, anti-kolonialistischen Geisteshaltung, weil irgendwo gegen einen schwarz geschminkten Othello-Darsteller demonstriert wird.

Überzeugungsarbeit sieht anders aus: dem Anderen Intoleranz vorzuwerfen, wenn man es selbst an Toleranz gegenüber Andersdenkenden mangeln läßt, ist selten überzeugend.

Und diejenigen, die solche explizit belehrenden Romane schreiben bzw Filme produzieren, sind meist keine wirklichen Künstler (denn die lassen sich normalerweise keinen ideologischen Maulkorb, welcher Art auch immer, anlegen), sondern bestenfalls gute Handwerker, und das, was sie produzieren ist dann auch nicht Kunst, sondern solide, gut verkäufliche Handwerksarbeit.

 

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  1. z.B. Finsternis dieser Welt usw von Frank Peretti oder die FinaleSerie von LaHaye und Jenkins[]
  2. z.B. Das Leben des BrianDie letzte Versuchung Christi, aber auch Sakrileg (The DaVinci Code), die Harry Potter Bücher und Filme, und von manchen sogar Tolkiens Der Herr der Ringe[]

„Kulturelle Aneignung” als Vorwurf?

Wolf Paul, 2022-08-22

Der Ravensburger Verlag hat das Buch Der junge Häuptling Winnetou nach dem gleichnamigen Film zurückgezogen, weil ihm kritische Stimmen eine der aktuellen Todsünden, nämlich „kulturelle Aneignung“, vorwerfen.

Ich halte den Rückzieher von Ravensburger für reines virtue signalling und stimme voll und ganz mit dieser Aussage der Frankfurter Ethnologin Susanne Schröter überein, die das Konzept der kulturellen Aneignung als Vorwurf für sehr problematisch und absurd hält:

«Die Skandalisierung der kulturellen Aneignungen weist eine Reihe von Absurditäten auf. Eine betrifft die Folgen, die sich ergeben, wenn man die geforderten Nutzungsbeschränkungen zu Ende denkt. Dann müssten bei jedem Gegenstand, jedem Stil, jeder Form kulturellen Ausdrucks die Urheber ausfindig gemacht und ihr Gebrauch auf diese Urheber beschränkt werden.

Menschen haben stets Dinge von anderen übernommen, wenn sie diese für sinnvoll erachtet haben. Um es auf den Punkt zu bringen, ist die gesamte Menschheitsgeschichte eine Geschichte kultureller Aneignungen, ohne die es keine Entwicklung gegeben hätte.

Kulturelle Aneignung ist wohl die wichtigste Kulturtechnik, die ein friedliches Zusammenwachsen möglich macht.»[1]

Leider ist das konsequente Zu-Ende-Denken der eigenen Ideen und Forderungen etwas, was die wenigsten “progressiven” Aktivisten schaffen, und Menschen wie die Ravensburger Verlagsleitung denken leider die Folgen ihres Rückziehers auch nicht zu Ende: Wer bestimmt wohl in ein paar Jahren das Verlagsprogramm?

Neben der kulturellen Aneignung wirft man Karl Mays Büchern, dem diesen entfernt darauf basierenden Film, sowie dem Buch zum Film, „rassistische Vorurteile“ und eine „kolonialistische Erzählweise“ vor.

Aber gerade May, bei dessen Büchern es sich um reine Phantasieprodukte, um Märchen also, handelt (was man mich, als jungen Leser vor 57 Jahren, von Seiten der Erwachsenen auch keine Minute vergessen ließ), beschreibt seine Charaktere, im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen, durchaus differenziert: sowohl unter den Weißen als auch unter den „Indianern“ gibt es Gute wie Böse, und gerade May thematisiert auch die zunehmende Unterdrückung der „Indianer“ durch die weißen Einwanderer.

Sowohl Film als auch Buch Der junge Häuptling Winnetou basieren nun mal auf Karl Mays Material und seinen Charakteren, und können diese nicht einfach umschreiben.

Ich glaube, daß der Drang, solche Bücher zu verbannen, und auch die genre-getreue Verfilmung solcher Bücher zu unterbinden, ebenso wie das cancelling historischer Persönlichkeiten, die keine aus unserer heutigen Sicht blütenreine Weste haben, einer verständlichen und nachvollziehbaren Scham über die historischen Vorurteile und Schandtaten unserer Kultur und Vorfahren entspringt; aber so zu tun, als hätte es die Vorurteile und Schandtaten nie gegeben, indem wir ihre Werke, soweit sie unseren heutigen ethischen Standards nicht hundertprozentig entsprechen, macht uns nicht zu besseren Menschen und ist keine gesunde Vorgehensweise. Viel wichtiger wäre es, sich um die heute existierenden Vorurteile und die daraus entspringenden Schandtaten zu kümmern und diese zu bekämpfen.

(Das Titelbild dieses Artikels ist eine „gestauchte“ Version des Filmplakats zu Der junge Häuptling Winnetou. Sollte sich jemand dadurch in seinen Rechten verletzt fühlen, bitte ich um Mitteilung und werde es dann natürlich entfernen.)

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  1. Zitiert nach dem ORF Online Bericht, Wirbel um Rückzieher von Ravensburger[]

Wer sagt die Wahrheit?

Wolf Paul, 2022-08-07

Eine Facebook-Freundin (anonymisiert) fragt:

Die Antwort lautet: Wahrscheinlich stimmen beide Aussagen.

Die israelischen Raketen waren wahrscheinlich die (traurige aber verständliche) Reaktion auf den Raketenbeschuß durch den Islamischen Dschihad.

Wie Thomas M. Eppinger auf MENA-Watch berichtet,

In der Nacht zum Samstag hat der Islamische Dschihad über 160 Raketen aus Gaza auf Israel abgefeuert. Jede einzelne von ihnen zielte auf Zivilisten, jede einzelne ist ein terroristischer Akt. Nur dem Iron Dome und den öffentlichen Sicherheitseinrichtungen ist es zu verdanken, dass solche Terrorakte nicht mehr Opfer fordern. 

Demgegenüber unternimmt Israel mehr als jede andere Armee der Welt, um die Zivilisten des Gegners in der Kampfzone zu schützen. Dennoch sind in jedem Krieg unbeteiligte Opfer unvermeidlich. Die palästinensische Taktik, sich hinter der eigenen Zivilbevölkerung zu verstecken, kann nicht zur Folge haben, die eigene Bevölkerung widerstandslos dem Terror auszuliefern

Das Infame an der CNN-Überschrift ist, daß sie die Ursache für den israelischen Raketenbeschuß, nämlich den vorausgegangenen Beschuß aus Gaza, verschweigt (auch wenn der Artikel dann beides erwähnt).

Diese Art der Überschrift entspringt der unter westlichen Medien und vor allem linken Politikern und Organisationen weit verbreiteten Leugnung, direkt oder indirekt, des israelischen Rechts auf Selbstverteidigung in diesem Krieg, der von palestinensischen Terror-Organisationen wie PLO (die im Westjordanland regiert), Hamas (die im Gazastreifen regiert) und Islamischer Dschihad (die für den aktuellen Raketenbeschuß verantwortlich ist) am Leben erhalten wird.

Diese Leugnung, die durchaus nicht auf englischsprachige Medien begrenzt ist, sondern unter Anderem auch in österreichischen und deutschen Medien gut vertreten ist, ist zu einem gesellschaftsfähigen Antisemitismus geworden, der sich als Sorge um die unterdrückte palästinensische Bevölkerung geriert, dabei aber die Rolle der palästinensischen Führung, insbesondere der Hamas, in dieser Situation verschweigt. Diese hält sich zwar derzeit mit direkten Angriffen auf Israel zurück, läßt aber andere Terrorgruppen wie den Islamischen Dschihad weitgehend unbehelligt im von ihr konrollierten Gazastreifen agieren.

Man muß nicht die gesamte israelische Politik im Westjordanland, im Gazastreifen, und in den besetzten Gebieten gutheißen, aber es muß schon ganz klar gesagt werden, daß der Staat Israel die ständigen Angriffe auf die eigene Zivilbevölkerung nicht einfach so hinnehmen kann. Dies auch dann, wenn aufgrund der Taktik der Terrororganisationen jeder Verteidigungsschlag Israels Opfer unter der palästinensischen Zivilbevölkerung fordert: Leider verstecken die Terrororganisationen ihre Raketenwerfer und Munitionslager ebenso wie die Eingänge zu ihren Terrortunneln in zivilen Siedlungen, um die resultierenden zivilen Opfer dann propagandistisch auszuschlachten. Dazu gehört auch, daß die Opfer der eigenen Raketen (wenn diese z.B. zu kurz fliegen und noch im Gazastreifen einschlagen), grundsätzlich immer Israel in die Schuhe geschoben werden.

Nun werden einige diesen ganzen Narrativ in Frage stellen, und trotzdem die Verantwortung für die Gewalt im Nahen Osten primär Israel in die Schuhe schieben. Darauf kann ich nur sagen:

Ich finde den demokratischen Staat Israel, der als einziger in der Region faire und geheime Wahlen sowie eine unabhängige Presse hat, in seiner Darstellung der Situation wesentlich glaubwürdiger als die autokratischen bis diktatorischen Regimes von PLO und Hamas, die in ihren Herrschaftsbereichen keine Opposition zulassen.

Und obwohl ich kein Freund von Krieg bin, und ihn als Mittel der Politik kategorisch ablehne, muß ich doch Staaten das Recht auf Selbstverteidigung zugestehen, dem Staat Israel ebenso wie der Ukraine.

Des vielen Büchermachens ist kein Ende

Wolf Paul, 2022-08-06

Kürzlich stieß ich auf folgende Konversation auf Facebook (Namen und Bilder anonymisiert):

Dies hat mich zum Nachdenken gebracht über meine eigene Einstellung zu Büchern. Mein Vater hatte eine riesige Bibliothek von mehr als 2500 Bänden: von allem etwas, von Politik und Philosophie (z.B Mein Kampf und Das Kapital), über Geschichte, Medizin, usw., zu Belletristik (vor allem deutschsprachige Klassiker sowie Autoren der Zwischenkriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit wie Kraus, Kästner, Tucholsky, Grass, usw), und ich fing sehr bald an, es ihm gleich zu tun und meine eigene Büchersammlung anzulegen.

Dann starb mein Vater; ein paar Jahre später mußten wir aus familiären Gründen unser Elternhaus an einen Bauunternehmer verkaufen, und keines von uns Kindern hatte das Interesse oder den Platz, die Büchersammlung unseres Vaters (bis auf ganz wenige Ausnahmen) zu übernehmen. Die Mehrzahl der Bücher blieb im Haus zurück und als es abgerissen wurde, um Platz für eine Reihenhaussiedlung zu machen, wurden sie Teil des Bauschutts.

Als Büchernarr und begeistertem Leser tat mir das sehr weh. Im Laufe meines Lebens mußte ich wegen mehrmaliger Übersiedlungen (sowohl innerhalb Österreichs, als auch nach USA und zurück) viele meiner Bücher aus praktischen Gründen weggeben. Dann bin ich schließlich auf eBooks gestoßen und habe größtenteils aufgehört, gedruckte Bücher zu kaufen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen kaufe ich inzwischen nur mehr elektronische Bücher, in den Kindle-, ePub-, oder PDF-Formaten. Inzwischen habe ich habe auch einiges, was ich mal in Papier hatte, elektronisch nachgekauft.

Meine ganze Bibliothek paßt jetzt auf einen USB-Stick, und wenn meine Zeit gekommen ist, werden sich meine Erben nicht den Kopf zerbrechen müssen, wo sie hunderte vergilbter Bücher unterbringen sollen; und falls sie kein Interesse an meiner Büchersammlung haben, können sie den Stick einfach neu formatieren.

So sehr ich Bücher liebe (und gerade auch Kunstwerke der Typografie-, Buchdrucker- und Buchbinderkunst, die ich mir ohnehin nicht leisten kann), bin ich doch zur Erkenntnis gelangt, daß ich Bücher, ebenso wie Geld, all mein Computerzeugs, usw., letztlich nicht mitnehmen kann, und daß diese Dinge leicht zur Last werden können, wenn nicht für mich, dann für die, die nach mir kommen.

Den Titel dieses Beitrags stammt übrigens aus Kohelet (Prediger, Ecclesiastes) 14,12:

Des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren macht den Leib müde.