Derzeit kursiert wieder einmal in verschiedenen Medien ein Aktenvermerk aus dem Jahr 1997 über ein Treffen von SPÖ-nahen Personen, bei dem es unter anderem auch darum ging, “junge Genossinnen und Genossen dazu (zu) ermutigen, in den Richterdienst zu gehen,” sowie “Juristen an die Partei zu binden”
durch “die Gründung eines informellen Juristenkreises und das Angebot von Seminaren in der Wiener Partei.”
Ich muß gestehen, ich finde die Aufregung darüber übertrieben und vor allem unehrlich. Jeder von uns, der mit Überzeugung eine bestimmte Weltamschauung vertritt, sei das nun das Christentum in einer seiner Ausprägungen oder auch die Sozialdemokratie, ist selbstverständlich daran interessiert, daß öffentliche Funktionen mit Leuten besetzt werden, die natürlich ihr Amt mit Integrität und gesetzeskonform ausüben sollen; die aber auch dort, wo es Ermessensspielraum gibt, im Sinne unserer Überzeugungen und Wertvorstellungen handeln. Das ist überhaupt nicht anstößig oder verwerflich, solange diese Überzeugungen und Werte verfassungs- und gesetzeskonform sind; es hat auch nichts damit zu tun, ein Amt “parteipolitisch” auszuüben.
Wäre es uns lieber, wenn Beamte, Richter, usw., ihren Ermessensspielraum ausschließlich zum eigenen Nutzen, zur Förderung der eigenen Karriere, verwenden würden?
“Gesinnungstäter” ist nur dann ein negatives Wort, wenn es sich bei den damit angesprochenen “Taten” um Gesetzesbrüche oder -beugungen handelt — und es gibt keinerlei Hinweise dafür, daß es im Gefolge des erwähnten Treffens zu solchen gekommen wäre.
Ich bin überzeugt davon, daß es ähnliche Diskussionen und Überlegungen auch auf ÖVP-Seite immer wieder gegeben hat, noch gibt, und geben wird, auch wenn jetzt kein Aktenvermerk darüber kursiert; ich selbst war bei Gesprächen anwesend, wo Christen verschiedener Prägung ermutigt wurden, sich in Politik und auch öffentlichem Dienst zu engagieren.
Und es ist auch völlig normal und legitim, wenn Gesinnungsgemeinschaften durch Veranstaltungen versuchen, anderen, auch Mitarbeitern in Politik, Justiz, Verwaltung, usw., ihre Werte zu vermitteln.
Ich hoffe selbstverständlich, daß weiterhin Christen, die in diesen öffentlichen Bereichen arbeiten, junge Menschen aus ihrer jeweiligen Tradition ermutigen, sich im öffentlichen Dienst beruflich einzubringen; und ich gestehe das gleiche Recht selbstverständlich auch Konservativen, Sozialdemokraten, Grünen, Neos, und andere Gruppierungen, die unsere Verfassung respektieren, zu. Menschen, die in ihrer Amtsausübung ihre verfassungskonformen Werte und Gesinnungen vertreten, sind mir auf jeden Fall lieber als solche, deren Verhalten völlig wertfrei auf ihren eigenen Vorteil ausgerichtet ist.
Wie es aussieht, wenn jemand in einer öffentlichen Funktion ausschließlich vom eigenen Vorteil getrieben wird, kann man seit Monaten, und ganz besonders in den letzten Tagen, auf der anderen Seite des Atlantik beobachten. Es ist kein würdiges Schauspiel, und die traditionellen Werte der betreffenden Partei bleiben dabei auf der Strecke.
Link: Papier aus 1997 soll “Personalgestaltung” der SPÖ in der Justiz beweisen