Vaterland – ein Roman

Wolf Paul, 2024-08-04

Ich habe gerade „Vaterland“ von Robert Harris fertig gelesen, einen Kriminalroman, der 1964 in einem Deutschland spielt, das den Krieg gewonnen hat. Die Idee zu diesem Buch kam Harris, als er als Journalist über die „Hitler-Tagebücher“-Affäre berichtete. Hier ist die Buchbeschreibung von Amazon:

Berlin, 1964. Deutschland hat den Krieg gewonnen, und das Großdeutsche Reich erstreckt sich vom Rhein bis zum Ural und hält einen unsicheren Frieden mit seinem nuklearen Rivalen, den Vereinigten Staaten. Während das Vaterland sich auf eine große Feier zu Adolf Hitlers fünfundsiebzigstem Geburtstag vorbereitet und einem versöhnlichen Besuch des US-Präsidenten Joseph Kennedy und des Botschafters Charles Lindbergh entgegensieht, wird ein Kriminalpolizei-Ermittler mit der Untersuchung einer Leiche in einem See nahe Berlins vornehmstem Vorort beauftragt.

Doch als Xavier March die Identität der Leiche entdeckt, stößt er auch auf Anzeichen einer Verschwörung, die bis in die höchsten Kreise des Deutschen Reiches reichen könnte. Und während die Gestapo ihm dicht auf den Fersen ist, geraten March und die amerikanische Journalistin Charlotte Maguire in einen Wettlauf, um die Wahrheit aufzudecken – eine Wahrheit, die bereits gemordet hat, eine Wahrheit, die Regierungen stürzen könnte, eine Wahrheit, die die Geschichte verändern wird.

Das Buch war eine faszinierende Lektüre mit historischen Akteuren, die zu jener Zeit außerhalb der Fiktion bereits unterschiedlich lange tot waren. Der Roman verfälscht die Geschichte nicht: Keine historisch bösen Figuren wurden beschönigt, und keine historisch guten Figuren wurden zu Monstern gemacht. Der überraschendste Aspekt des Buches ist, daß die Welt offenbar noch immer nicht weiß, was aus den Juden Europas geworden ist – es wird angenommen, daß sie irgendwo in den weiten Gebieten im Osten verschwunden sind.

Ich habe das Buch auf Englisch gelesen und war beeindruckt von der Sorgfalt, mit der der Autor die deutschen Wörter im Buch verwendet hat – er ist der erste englischsprachige Autor, den ich kenne, der den korrekten Plural von „Autobahn“ benutzt: „Autobahnen“, nicht „Autobahns“.

Das Buch wurde in der englischsprachigen Welt sofort ein Bestseller; seine Rezeption in Deutschland war zunächst recht negativ. Es wurde weithin als anti-deutsch angesehen (Der Spiegel: eine „Dämonisierung der Bundesrepublik“), und kein deutscher Verlag wollte es veröffentlichen; es erschien in der Schweiz, und erst Jahre später wurde das Taschenbuch von einem deutschen Verlag herausgebracht. Ich empfand das Buch weder als anti-deutsch noch als Dämonisierung, aber dies zeigt, wie schwierig und schmerzhaft es für Deutsche und Österreicher immer noch ist [1]), sich an ihre schuldhafte nationale Geschichte zu erinnern. Letztendlich setzte sich eine objektivere Rezeption durch.

Die Filmversion werde ich mir nicht ansehen: Laut Wikipedia hält sie sich nicht getreu an die Vorlage und hat ein völlig anderes Ende.

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  1. (ich erwähne Österreich hier ausdrücklich, weil entgegen dem populären Mythos in diesem Land, daß Österreich das erste Opfer der Nazis war, viele Österreicher an den Gräueltaten des Dritten Reiches beteiligt waren, angefangen bei Hitler selbst. Eine der Hauptfiguren des Buches ist der Kärntner Odilo Globocnik, Gauleiter in Wien und später SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin des Generalgouvernements (Polen).[]