Israel darf sich nicht länger für seine Existenz entschuldigen

Wolf Paul, 2025-05-07

Eeine arabische Stimme für das Existenzrecht Israels

Die Originalfassung dieses Artikel des marokkanischen Politikanalysten und Autors Amine Ayoub1 ist unter dem Titel, “Israel needs to stop apologizing for its existence” in der israelischen Zeitschrift Jerusalem Post erschienen. Die deeutsche Fassung wird hier mit Erlaubnis des Autors veröffentlicht.

Israel darf sich nicht länger für seine Existenz entschuldigen

Gastbeitrag von Amine Ayoub 

Seit seiner Gründung wurde die Existenz Israels als Provokation betrachtet. Ein Zuhause für Juden? Im Nahen Osten? Das darf doch nicht wahr sein.

Es gibt eine Wahrheit, die viele sich nicht trauen auszusprechen: Israel wird nicht wegen seines Handelns gehasst, sondern wegen seines Wesens – als selbstbewusster, erfolgreicher, unbeugsamer jüdischer Staat in einer Region – und einer Welt –, die nie wollte, dass er überlebt.

Dieser Hass ist nicht logisch. Er gründet nicht in politischen Maßnahmen; er widerspricht allen Fakten. Und doch durchzieht er internationale Institutionen, Universitäten, westliche Medien und die Straßen der Großstädte Europas. Es ist gesellschaftlich akzeptabel – ja sogar modern – geworden, Israel zu verurteilen, weil es sich verteidigt, es als koloniales Projekt zu brandmarken und nicht für Koexistenz, sondern für seine Auslöschung zu kämpfen.

Und doch besteht Israel fort. Und nicht nur das – es blüht auf. Trotz unermüdlichem Druck baut es, erfindet, integriert, verteidigt und schafft Neues. Das ist nicht nur Widerstandsfähigkeit – das ist stille Auflehnung. Und genau das ist der Grund, warum es bestehen wird.

Seit seiner Gründung wurde Israels Existenz als Provokation betrachtet. Ein Zuhause für Juden? Im Nahen Osten? In Gebieten, in denen Juden seit Jahrhunderten lebten, lange bevor der Islam entstand? Allein die Idee wurde von den Nachbarn gewaltsam abgelehnt.

Innerhalb von 24 Stunden nach Israels Staatsgründung 1948 fielen fünf arabische Staaten ein, um es noch in der Wiege zu ersticken. Sie scheiterten. So wie auch alle späteren Versuche, es zu zerstören – ob durch konventionelle Kriege, Intifadas, Raketenangriffe oder Terror-Tunnel.

Doch Israels militärischer Sieg war nur eine Front. Der tiefere Krieg – der heimtückischere – ist der Krieg um die Wahrnehmung. Und in diesem Krieg steht Israel einer viel dunkleren Kraft gegenüber: der Normalisierung antisemitischer Doppelmoral, die sich als soziale Gerechtigkeit tarnt.

Heute ist Antizionismus zur gesellschaftlich akzeptierten Maske des Antisemitismus geworden. Seine Anhänger rufen nicht mehr „Tod den Juden“, sondern „From the river to the sea“. Sie brennen keine Synagogen mehr nieder; sie boykottieren jüdische Geschäfte, schüchtern jüdische Studenten ein und leugnen das Juden das Recht auf Selbstbestimmung – im Namen der Befreiung.

DIESER HASS versteckt sich heute hinter dem Wort „Palästina“, aber das Ziel bleibt dasselbe: die jüdische Legitimität, Sicherheit und das Überleben.

Es ist wichtig, klar zu sagen: Kritik an Israel ist kein Antisemitismus. Aber Israel das Existenzrecht abzusprechen, ist Antisemitismus. Es nach Maßstäben zu beurteilen, an denen kein anderes Land gemessen wird, ist Antisemitismus. Sein Volk selbst unter Beschuss als dauerhafte Verdächtige zu behandeln, ist Antisemitismus.

Und trotzdem – selbst wenn der Hass lauter wird – darf Israel nicht zurückweichen. Im Gegenteil: Seine Antwort darf keine Beschwichtigung sein; sie muss moralische Klarheit sein.

Die Welt wirft Israel Apartheid vor, während arabische Bürger in seinem Parlament sitzen, seine Universitäten besuchen, in der Justiz tätig sind und sich frei in allen Städten bewegen. Die Welt nennt es ein Kolonialprojekt – als wäre die Rückkehr eines Volkes in seine angestammte Heimat nach zweitausend Jahren Exil, Verfolgung und Völkermord Kolonialismus. Die Welt beschuldigt es des Völkermords, während seine Armee Zivilisten vor Angriffen auf Terrorziele warnt, die in Wohnhäusern und Krankenhäusern versteckt sind – etwas, das keine andere Armee der Welt tut.

Israel darf sich nicht mehr für seine Existenz entschuldigen.

Israel darf seine Energie nicht darauf verwenden, um Verständnis zu betteln. Es muss aufhören, sich für seine Existenz zu entschuldigen. Es gibt keine moralische Rechtfertigung für den Beschuss von Spielplätzen mit Raketen, für Terroranschläge in Synagogen oder für den Einsatz der eigenen Bevölkerung als menschliche Schutzschilde. Es gibt keinen moralischen Höhenflug in dem Ruf nach der Auslöschung eines Staates.

Wie soll Israel also reagieren? Nicht nur mit militärischer Stärke, sondern mit einer starken Erzählung.

Es muss anfangen, seine Geschichte neu – und besser – zu erzählen. Die Welt braucht keine weitere verteidigende Pressemitteilung. Sie braucht Wahrheit mit Rückgrat. Sie braucht Stimmen, die nicht westlicher Anerkennung hinterherlaufen, sondern moralische Realität vertreten.

Israel darf nicht länger zulassen, dass seine Feinde die Begriffe der Debatte bestimmen. „Besatzung“? Das Land, das es angeblich besetzt, wurde den Palästinensern in unzähligen Friedensangeboten überlassen – alle abgelehnt, nicht wegen Grenzen, sondern wegen Israels Existenz. „Kolonialismus“? Es hat nie einen palästinensischen Staat gegeben, den man hätte kolonisieren können. Juden sind keine Fremden in Jerusalem, Hebron oder Tiberias. Sie sind Heimkehrer in ihre angestammte Heimat.

Und jenen, die „Free Palestine“ skandieren und gleichzeitig den Mord an jüdischen Zivilisten rechtfertigen, muss Israel entgegnen: Freiheit ist nicht das Recht, eine andere Nation auszulöschen.

Aber die Strategie darf nicht bei Verteidigung stehenbleiben. Israel muss auch kulturell, diplomatisch und intellektuell in die Offensive gehen. Es muss massiv in Medien, Geschichtenerzählen und internationale Bildung investieren. Keine trockenen Fakten, sondern kraftvolle Narrative, die Menschen emotional erreichen.

Menschen mobilisieren sich nicht wegen Tabellen – sie mobilisieren sich wegen Geschichten. Die Geschichte Israels ist stark – eine Geschichte von Trauma, Triumph, Wiedergeburt und Hoffnung. Die Welt muss sie von Israelis selbst hören – nicht gefiltert durch ausländische Korrespondenten oder politische NGOs.

Neben der Kommunikation muss Israel seine Allianzen neu definieren. Zu lange hat es um die Gunst westlicher Eliten gebuhlt, die sie ihm nie gewähren werden. Es ist an der Zeit, Partnerschaften nicht nur mit Regierungen, sondern mit Menschen aufzubauen – mit afrikanischen Innovatoren, osteuropäischen Denkern und arabischen Dissidenten, die Israels Stärke und Stabilität bewundern.

Israels moralische Unterstützung kommt vielleicht nicht mehr aus den traditionellen diplomatischen Hallen Europas, sondern aus einer neuen Koalition von Nationen und Individuen, die für das einstehen, was Israel wirklich verkörpert: Freiheit, Innovation und Überleben.

Im eigenen Land darf Israel niemals zulassen, dass der Hass von außen die Seele im Inneren vergiftet. Die Antwort auf Hass ist nicht Angst – sondern Glaube. Glaube an seine Demokratie, seine Widerstandskraft und seine Vielfalt. Der jüdische Staat muss das bleiben, was er immer sein wollte: ein Leuchtfeuer des Pluralismus und des Fortschritts in einer Region, die von Tyrannei erstickt wird. Seine größte Rache an seinen Feinden ist es, weiter zu gedeihen.

Und für Juden in aller Welt muss die Botschaft laut und deutlich sein: Ihr müsst euch nicht für eure Unterstützung Israels entschuldigen. Zionismus ist kein Extremismus; er ist Gerechtigkeit. Er ist der Glaube, dass Juden sicher leben dürfen – in dem einzigen Land, das existiert, um sie zu schützen, wenn die Welt sich wieder einmal abwendet.

Israel war nie dazu bestimmt, beliebt zu sein. Es war dazu bestimmt, zu überleben. Und es hat mehr getan als das – es hat einem zerstreuten Volk eine Zukunft, Würde und eine Flagge gegeben, unter der es sich versammeln kann. Diese blau-weiße Flagge ist kein Symbol der Eroberung. Sie ist ein Versprechen: Nie wieder werden Juden sich auf andere verlassen müssen, wenn es um Sicherheit, Gerechtigkeit oder Identität geht.

Ja, die Welt mag Israel hassen. Aber Israel existiert nicht, um geliebt zu werden. Es existiert, um frei zu sein. Und in seiner Freiheit hat es jeden Feind überlebt, jede Erwartung übertroffen und wieder und wieder bewiesen: Hass ist nicht stärker als Geschichte.

Am Ende muss Israel keine Herzen gewinnen, um zu siegen. Es muss nur aufrecht stehen – klar und furchtlos.

Und das wird es.

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  1. Amine Ayoub ist Politikanalyst und Autor mit Wohnsitz in Marokko. Er ist ein Fellow am Middle East Forum. Seine Beiträge erschienen unter anderem in der Jerusalem Post, Yedioth Ahronoth, Arutz Sheva, The Times of Israel und vielen weiteren Medien. In seinen Texten befasst er sich vor allem mit Islamismus, Dschihad, Israel und der Politik der MENA-Region. Auf Twitter ist er unter @amineayoubx aktiv.

Waffenbesitz ist ein Privileg, kein Recht

Wolf Paul, 2025-05-06

Am frühen Morgen des 3. Mai 2025 hat in Maria Alm ein 32-jähriger Mann seine 34-jährige Ex-Freundin erschossen — einfach so, im Zorn, vor den Augen einer Zeugin. Der Täter ist jetzt auf der Flucht.1

Das Opfer hatte bereits vor der Tat Anzeige gegen den späteren Täter erstattet, wegen Bedrohung. Die Ermittlungen wurden allerdings mangels spezifischer Beweise für eine Straftat eingestellt.2

So weit ist das mehr oder weniger nachvollziehbar.

Was für mich absolut NICHT nachvollziehbar ist: Warum konnte der Mann nach Einstellung der Ermittlungen erfolgreich eine Waffenbesitzkarte beantragen? Er war zwar unbescholten (keine Vorstrafen), aber wäre das Vorliegen der Anzeige, trotz Einstellung, nicht nicht ein vernünftiger Grund gewesen, den Antrag zumindest so lange einzufrieren, bis sich die Gemütslage zwischen den beiden Kontrahenten beruhigt hat?

So konnte ein Mann, der auf seine Ex-Freundin zornig genug war, sie zu bedrohen (wenn auch nicht in strafbarer Weise), und dessen Zorn jetzt aufgrund ihrer Anzeige ins unermessliche gesteigert war, völlig legal eine Schußwaffe erwerben, mit der er seine Ex-Freundin letztlich ermordet hat.

Die Situation bei uns ist, was Waffengesetze angeht, nicht annähernd so verrückt wie in den USA, aber optimal ist sie leider auch nicht, mit tragischen Auswirkungen. Unbescholtenheit allein sollte kein ausreichendes Kriterium für den legalen Waffenbesitz sein; die psychische und moralische Unbedenklichkeit, durch sorgfältige Ermittlungen festgestellt, sollte ein ebenso wichtiges Kriterium sein, denn Waffenbesitz ist kein Recht, sondern ein Privileg.

Demokratiemangel in Deutschland?

Wolf Paul, 2025-05-04

Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz hat die „Alternative für Deutschland“ (AfD) als „erwiesen rechtsextrem“ eingestuft, und die anderen Parteien sind sich einig darin, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD geben darf – die sogenannte Brandmauer.

Wie nützlich diese „Brandmauer“ ist, mag jeder für sich beurteilen. Aber es wirkt schon seltsam, wenn ausgerechnet US-Politiker wie Vizepräsident J. D. Vance oder Außenminister Marco Rubio Deutschland wegen dieser Haltung mangelnde Demokratie und Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit vorwerfen – während ihr Chef, Präsident Trump, seit Monaten ganz offen darüber nachdenkt, ihm unliebsame Medien, Journalisten und Politiker mithilfe einer ihm zunehmend hörigen Justiz mundtot zu machen.

Tatsache ist: Die AfD spricht Themen an, die immer mehr Wählerinnen und Wählern am Herzen liegen – oder ihnen akute Sorgen bereiten. Die Brandmauer und die pauschale Verurteilung als rechtsextrem, ohne sich ernsthaft mit den sehr realen Problemen auseinanderzusetzen, auf die die AfD hinweist, werden die AfD zwangsläufig weiter stärken – bis irgendwann bei einer Wahl die Brandmauer die Flammen des Wählerzorns nicht mehr aufhalten kann.

Übrigens gilt das Gleiche auch für den Umgang mit der Kickl-FPÖ hier in Österreich.

Wenn die neue deutsche Regierung – wie auch unsere schwarz-rot-pinke Koalition hierzulande – es nicht schafft, die Sorgen und Anliegen der AfD- und FPÖ-Wähler sichtbar und wirksam aufzugreifen, dann steuern sowohl Deutschland als auch Österreich früher oder später auf eine absolute Mehrheit für AfD bzw. FPÖ zu. Und es ist völlig unerheblich, wie wichtig man diese Anliegen findet oder für wie realistisch man die Sorgen der Bevölkerung einschätzt. In einer Demokratie zählen nicht nur die Sorgen verschiedener Eliten.

Karfreitag für alle? Ja!

Wolf Paul, 2025-04-01

Seit dem Beginn der Zweiten Republik im Jahr 1955 war der Karfreitag gesetzlicher Feiertag für die Angehörigen der Evangelischen Kirche A.B. und H.B, sowie für Altkatholiken und Methodisten. Die Evangelische Kirche sieht den Karfreitag als höchsten Feiertag des Kirchenjahres, und die Altkatholiken und Methodisten fielen aus nicht ganz klaren Gründen ebenfalls unter diese Regelung.

Im Jahr 2015 klagte ein katholischer Arbeitnehmer gegen diese Regelung, die er als diskriminierend empfand. Der Fall landete schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof, und dieser entschied am 22. Januar 2019, daß diese Regelung eine Diskriminierung aufgrund der Religion darstelle und gegen EU-Recht verstoße.

Aufgrund dieser EuGH-Entscheidung wurde am 22. Februar 2019 im Nationalrat eine Gesetzesänderung beschlossen, die mit 1. April 2019 in Kraft trat. Anstelle des bisherigen „Feiertags“ für bestimmte Religionsgruppen wurde der „persönliche Feiertag“ eingeführt. Seither haben Arbeitnehmer einmal pro Jahr das Recht, einen freien Tag zu wählen („persönlicher Feiertag“), müssen diesen aber mindestens drei Monate im Voraus bekannt geben, und es ist kein zusätzlicher arbeitsfreier Tag, sondern wird vom normalen Urlaubskontingent des Arbeitnehmers abgezogen.

Aus der Überlegung, daß der Karfreitag zurecht als der wichtigste christliche Feier- bzw. Gedenktag zu sehen ist, da es ohne Karfreitag, also ohne Jesu Tod, auch keine Auferstehung, und damit weder Ostern noch Pfingsten, noch überhaupt die Kirche gegeben hätte, haben einige evangelische Christen das Volksbegehren „Karfreitag-Feiertag für alle“ initiiert mit dem Ziel, den Karfreitag für alle Arbeitnehmer im § 7 des Feiertagsruhegesetzes zu verankern.

Zwei Vorschläge zur praktischen Umsetzung wurden vorgelegt:

  1. Entweder einen gesetzlichen Karfreitags-Feiertag für alle herzustellen, verbunden mit der Auflage, daß dieser Tag nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn es die wirtschaftlichen Verhältnisse zulassen. Kriterien dafür müßten erarbeitet werden;
  2. Oder einen zusätzlichen arbeitsrechtlichen Urlaubstag für alle Arbeitsnehmer zu schaffen, welchen Christen dann zur Begehung des Karfreitags nutzen können. Eine solche Regelung würde Einwände von anderen Religionsgemeinschaften verhindern.

Das Volksbegehren wurde bald nach der Abschaffung des Karfreitags-Feiertags initiiert und befindeet sich derzeit noch in der „Unterstützungsphase“, in der  es fast 9000 Unterstützungserklärungen erreichen muß. Um dann vom Parlament behandelt zu werden, muß es mindestens 100.000 Unterschriften erhalten.1

Ich persönlich würde es sehr begrüßen, wenn auch freikirchliche Christen und ihre Gemeinden den Karfreitag mit einem Gottesdienst, aber auch in der persönlichen Andacht und Gebetszeit, begehen würden, egal obe es letztlich einen zusätzlichen Urlaubstag dafür gibt. Wir betonen die Bedeutung von Jesu Opfer am Kreuz, und das ist sicherlich ein wichtigeres Ereignis, als viele andere Dinge, denen wir einen Gedenk- oder Feiertag widmen. Und wenn man sich am Karfreitag innerlich auf das Leiden und den Tod Jesu einläßt, wird die Freude des Ostersonntags umso größer sein.2

Wir sehen, daß der christliche Glaube in unserer Gesellschaft immer mehr an den Rand gedrängt wird, und es wird eine Zeit kommen, wo wir uns dagegen nicht mehr wehren können (das hat Jesus uns vorhergesagt). Solange wir uns jedoch durch die Mittel unserer demokratischen Verfassung gegen diese Marginalisierung wehren und in der Öffentlichkeit ein Lebenszeichen setzen können, sollten wir diese Gelegenheit beim Schopf packen.3

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  1. Das Volksbegehren liegt bereits in allen Gemeinden (Gemeindeämter, Bezirksämter, Magistrat, je nach Gemeinde) auf, und dort, oder auch online, können diese Unterstützungserklärungen abgegeben werden. Erreicht das VB rund 9000 Unterstützungserklärungen, wird es sozusagen „offiziell“ und wird zur 8 Tage dauernden „Eintragungswoche“ zugelassen, in der es dann weiter aufliegt und von allen Österreichern dort oder online unterschrieben werden kann. Um vom Parlament behandelt zu werden, muß ein Volksbegehren mindestens 100.000 Unterschriften erhalten – ob es dann auch tatsächlich von Parlament und Regierung umgesetzt wird, ist natürlich eine andere Sache.[]
  2. Mir ist bewußt, daß viele freikirchliche Christen ein gespaltenes Verhältnis zum Kirchenjahr und seinen religiösen Festen haben. In vielen Gemeinden werden Weihnachten und Ostern zwar als gute Gelegenheit zur Evangelisation gesehen, nicht jedoch als Möglichkeit, uns geistlich und emotional auf diese wichtigen Heilsereignisse einzustimmen. Ich ermutige Euch, diese Einstellung zu überdenken.[]
  3. Mir ist klar, daß es Christen gibt, die jede Beteiligung an politischen Prozessen, d.h. auch an Wahlen und Volksbegehren, als „weltlich“ Angelegenheiten, die uns nichts angehen, ablehnen. Ich bin, bei allem Respekt, anderer Meinung. Die Menschen zur Zeit des Neuenn Testaments (und auch für Jahrhunderte danach) hatten keine Möglichkeit, sich gegen staatliche Ungerechtigkeit zur Wehr zu setzen, und auch heute noch trifft das in vielen Ländern zu. Es ist ein riesiges Privileg, daß wir heute und in unserem Land die Möglichkeit der Beteiligung an politischen Prozessen haben.[]

Koalitionsfragen

Wolf Paul, 2025-03-09

Nach dem dramatischen Scheitern der Koalitionsverhandlungen von FPÖVP, wo allen Beteeiligten und Zuschauern klar wurde, welcher dramatische Staatsumbau weg von Demokratie und hin zu einem autokratischen Gebilde nach Orbans Beispiel Herbert Kickl vorschwebt, und schließlich sogar der schwarz-türkise Wirtschaftsflügel eingesehen hat, daß mit dem “möchte-gern Volkskanzler” kein Staat zu machen ist, haben es SPÖVPNEOS doch noch geschafft, über ihre jeweils eigenen parteipolitischen Schatten zu springen und sich auf eine Regierung zum Wohl des Landes zu einigen.

Es bleiben zwei Fragen:

  1. Warum hat das nicht schon beim ersten Alauf geklappt? und
  2. Wie lange wird diese Bereitschaft, das Wohl Österreichs über die eigenen Parteiinteressen zu stellen, anhalten?

Donald Trumps Botschaft an die Welt

Wolf Paul,

Es lohnt sich nicht, Verbündeter der USA unter seiner Herrschaft zu sein, denn er wird dich nicht verteidigen, er wird dir höhere Zölle auferlegen als seinen Feinden und wird dir mit der Beschlagnahmung deines Territoriums drohen, während er gleichzeitig die Diktaturen unterstützt, die dich überfallen.
— Claude Malhuret, frz. Senator

Eurropa steht am Wendepunkt

Wolf Paul,

Vor einigen Tagen, am 4. März, hat der französische Senator Claude Malhuret die folgende Rede vor dem französischen Senat gehalten — eine kraftvolle Rede mit shr präzisen Aussagen, die sich in die besten Reden von Politikern wie Churchill und Kennedy einreiht.1

„Herr Präsident, Herr Premierminister, meine Damen und Herren Minister,
meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen,

Europa steht an einem kritischen Wendepunkt seiner Geschichte. Der amerikanische Schutzschirm bröckelt, die Ukraine droht im Stich gelassen zu werden, Russland wird gestärkt.

Washington ist zum Hof Neros geworden: ein feuriger Kaiser, unterwürfige Höflinge und ein ketaminbefeuerter Hofnarr, der die Verwaltung von unbequemen Beamten säubern soll.

Dies ist eine Tragödie für die freie Welt, aber vor allem ist es eine Tragödie für die Vereinigten Staaten. Trumps Botschaft lautet: Es lohnt sich nicht, sein Verbündeter zu sein, denn er wird dich nicht verteidigen, er wird dir höhere Zölle auferlegen als seinen Feinden und dir mit der Beschlagnahmung deines Territoriums drohen, während er gleichzeitig die Diktaturen unterstützt, die dich überfallen.

Der „King of the Deal“ zeigt, was die „Kunst des Deals“ wirklich bedeutet. Er glaubt, China einschüchtern zu können, indem er sich vor Putin niederwirft – doch Xi Jinping beschleunigt angesichts dieses Schiffsbruchs wahrscheinlich die Vorbereitungen für die Invasion Taiwans.

Noch nie in der Geschichte hat ein US-Präsident vor dem Feind kapituliert. Noch nie hat jemand einen Aggressor gegen einen Verbündeten unterstützt. Noch nie hat jemand die amerikanische Verfassung so mit Füßen getreten, so viele illegale Dekrete erlassen, Richter entlassen, die ihn hätten aufhalten können, den Generalstab auf einen Schlag abgesetzt, alle Kontrollinstanzen geschwächt und die Kontrolle über soziale Medien übernommen.

Das ist keine illiberale Tendenz mehr – es ist der Beginn der Konfiskation der Demokratie. Erinnern wir uns: Es dauerte nur einen Monat, drei Wochen und zwei Tage, um die Weimarer Republik und ihre Verfassung zu Fall zu bringen.

Ich habe Vertrauen in die Stärke der amerikanischen Demokratie, und das Land protestiert bereits. Aber in einem Monat hat Trump den USA mehr Schaden zugefügt als in vier Jahren seiner letzten Präsidentschaft. Wir waren im Krieg mit einem Diktator – nun kämpfen wir gegen einen Diktator, der von einem Verräter unterstützt wird.

Vor acht Tagen, in dem Moment, als Trump Macron im Weißen Haus den Rücken tätschelte, stimmten die Vereinigten Staaten in der UNO mit Russland und Nordkorea gegen die Europäer, die den Abzug der russischen Truppen forderten.

Zwei Tage später erteilte der Wehrdienstverweigerer im Oval Office dem Kriegshelden Selenskyj Lektionen in Moral und Strategie, bevor er ihn wie einen Diener abfertigte und ihn aufforderte, sich zu unterwerfen oder zurückzutreten.

Heute Abend ging er noch einen Schritt weiter in die Schande, indem er die Lieferung versprochener Waffen stoppte.

Was tun angesichts dieses Verrats? Die Antwort ist einfach: ihm entgegentreten.

Zunächst dürfen wir uns keine Illusionen machen. Die Niederlage der Ukraine wäre die Niederlage Europas. Die baltischen Staaten, Georgien, Moldawien stehen bereits auf der Liste. Putins Ziel ist es, nach Jalta zurückzukehren, wo die Hälfte des Kontinents Stalin überlassen wurde.

Die Staaten des Südens warten den Ausgang des Konflikts ab, um zu entscheiden, ob sie Europa weiterhin respektieren oder es nun mit Füßen treten können.

Was Putin will, ist das Ende der Weltordnung, die vor 80 Jahren von den USA und ihren Verbündeten geschaffen wurde, deren zentrales Prinzip das Verbot der gewaltsamen Aneignung von Territorien war.

Diese Idee war der Grundgedanke der UNO – wo heute die Amerikaner für den Aggressor und gegen das Opfer stimmen, weil Trumps Vision mit der Putins übereinstimmt: eine Rückkehr zu Einflusszonen, in denen die Großmächte über das Schicksal der kleinen Länder bestimmen.

Meins ist Grönland, Panama und Kanada. Deins ist die Ukraine, das Baltikum und Osteuropa. Seins ist Taiwan und das Chinesische Meer.

Auf den Partys der Oligarchen in den Golfclubs von Mar-a-Lago nennt man das „diplomatischen Realismus“.

Also sind wir allein.

Aber die Behauptung, dass man Putin nicht widerstehen kann, ist falsch. Trotz der Propaganda des Kremls ist Russland in schlechter Verfassung. In drei Jahren hat die angeblich zweitgrößte Armee der Welt nur ein paar Krümel eines Landes erobert, das dreimal weniger Einwohner hat.

Zinsen von 25 %, der Zusammenbruch der Devisen- und Goldreserven, der demografische Niedergang – all das zeigt, dass Russland am Rande des Abgrunds steht.

Die amerikanische Hilfe für Putin ist der größte strategische Fehler, der jemals in einem Krieg gemacht wurde.

Der Schock ist heftig, aber er hat eine Tugend: Die Europäer wachen aus ihrer Verleugnung auf. Sie haben in einem Tag in München verstanden, dass das Überleben der Ukraine und die Zukunft Europas in ihren Händen liegen.

Sie haben drei dringende Aufgaben:

  1. Die militärische Hilfe für die Ukraine beschleunigen, um das amerikanische Versagen auszugleichen.
  2. Garantien für die Rückkehr entführter Kinder, Gefangener und absolute Sicherheitsgarantien einfordern.
  3. Die vernachlässigte europäische Verteidigung aufbauen, die seit 1945 dem amerikanischen Schutzschirm überlassen wurde.

Es ist eine Herkulesaufgabe, aber an ihrem Erfolg oder Scheitern wird sich bemessen, wie die heutigen Führer der demokratischen Welt in die Geschichtsbücher eingehen.

Doch die wahre Wiederbewaffnung Europas ist seine moralische Wiederbewaffnung.

Wir müssen die öffentliche Meinung überzeugen – gegen Kriegsmüdigkeit, Angst und vor allem gegen Putins Handlanger von rechts und links.

Gestern haben sie in der Nationalversammlung wieder argumentiert – gegen die europäische Einheit, gegen die europäische Verteidigung.

Sie sprechen von Frieden. Was sie nicht sagen, ist, dass ihr „Frieden“ Kapitulation bedeutet – die „Friedenslösung“ der Niederlage.

Ist das das Ende der Atlantischen Allianz? Die Gefahr ist groß.

Aber in den letzten Tagen haben die öffentliche Demütigung Selenskyjs und all die verrückten Entscheidungen Trumps endlich die Amerikaner wachgerüttelt.

Die Umfragen fallen. Republikanische Abgeordnete werden in ihren Wahlkreisen von wütenden Menschen empfangen. Selbst Fox News wird kritisch.

Die Trumpisten sind nicht mehr unantastbar.

Doch in der amerikanischen Geschichte haben die Freiheitskämpfer immer gesiegt.

Das Schicksal der Ukraine entscheidet sich in den Schützengräben, aber auch in den USA – bei jenen, die die Demokratie verteidigen wollen.

Und hier, in Europa, hängt es von uns ab: Ob wir Europäer uns vereinen, unsere Verteidigung aufbauen und Europa wieder zu der Macht machen, die es einst war.

Unsere Eltern haben Faschismus und Kommunismus mit großen Opfern besiegt.

Die Aufgabe unserer Generation ist es, die Totalitarismen des 21. Jahrhunderts zu besiegen.

Es lebe die freie Ukraine, es lebe das demokratische Europa!“

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  1. Quelle: La Semaine de l’Allier, The Atlantic[]

Das alljährliche blaue Aschermittwoch-Spektakel

Wolf Paul, 2025-03-06

Wie jedes Jahr mißbraucht die FPÖ den Aschermittwoch, einen kirchlichen Gedenktag, für unchristliche Selbstbeweihräucherung und Ausfälle gegen die politischen Mitbewerber. Der „Hoffentlich-Nie“-Kanzler Kickl befürchtet völlig zu Unrecht, daß er sich die „erarbeitete Seriosität z’ammhaun“ könnte – denn welche Seriosität, bitte schön?

Was Kickl nicht versteht (oder nicht verstehen will) ist, daß Österreich kein „Winner takes it all“, „First past the post“ Wahlsystem1 hat, sondern ein Verhältniswahlrecht2, in dem knapp 29% eben nur eine relative Mehrheit (d.h. eine absolute Minderheit) darstellt, der die absolute Mehrheit all derer gegenübersteht, die andere Parteien gewählt haben, und daß diese anderen Parteien mit ihren rund 70% keinerlei Verpflichtung haben, den 29%-Parteichef ins Bundeskanzleramt zu heben.

Die jetzt angelobte Regierung aus ÖVP, SPÖ, und NEOS ist eben nicht eine Regierung der Verlierer, sondern eine Regierung von 56% der Wähler, die nicht für die FPÖ gestimmt haben und die sich keinen „Volkskanzler“ Kickl wünschen. Mit 110 Abgeordneten hat diese Regierung auch eine komfortable absolute Mehrheit im Parlament.

Es ist auch sehr bezeichnend, daß Kickl seine eigene Unnachgiebigkeit und mangelnde Kompromißbereitschaft in den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP seinem „Rückgrat“ zuschreibt, die von ÖVP-Chef Stocker jedoch dessen mangelnder Ehrlichkeit.

Daß es Kickl bei all dem nicht um Österreich geht ist daraus ersichtlich, daß er der neuen Regierung nicht, zum Wohl des Landes, Erfolg wünscht, sondern deren baldiges Scheitern beschwört und Neuwahlen fordert. Wahlen kosten viel Geld – Steuergeld. Und nachdem es sehr unwahrscheinlich ist, daß Kickls FPÖ be einer neuerlichen Wahl tatsächlich die absolute Stimmenmehrheit erhält, geht danach der Koalitionspoker erneut los, mit vorhersagbarem Resultat. Es wäre also reine Geldverschwendung. Patriotismus sieht anders aus.

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  1. Bei einem „Winner takes it all“ oder „First past the post“ (FPTP) Wahlsystem (auch Mehrheitswahl) gewinnt der Kandidat oder die Partei mit den meisten Stimmen, auch wenn es keine absolute Mehrheit (mehr als 50 %) gibt.[]
  2. In einem Verhältniswahlsystem erhalten Parteien Sitze entsprechend ihrem Stimmenanteil.[]

Lech Wałęsas Brief an Donald Trump

Wolf Paul, 2025-03-04

Der ehemalige polnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa hat diesen Brief an Donald Trump geschrieben, der von 38 weiteren ehemaligen politischen Gefangenen des kommunistischen Regimes in Polen mitunterzeichnet wurde:1

Eure Exzellenz, Herr Präsident,

Mit Angst und Abscheu haben wir den Bericht über Ihr Gespräch mit dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, verfolgt. Es ist für uns beleidigend, dass Sie von der Ukraine Respekt und Dankbarkeit für die materielle Unterstützung erwarten, die die Vereinigten Staaten ihr in ihrem Kampf gegen Russland gewähren. Dankbarkeit gebührt den heldenhaften ukrainischen Soldaten, die ihr Blut in der Verteidigung der Werte der freien Welt vergießen. Sie sterben seit über elf Jahren an der Front im Namen dieser Werte und der Unabhängigkeit ihres Heimatlandes, das von Putins Russland angegriffen wurde.

Wir können nicht nachvollziehen, wie der Anführer eines Landes, das als Symbol der freien Welt gilt, dies nicht erkennen kann.

Besorgt hat uns auch die Atmosphäre im Oval Office während dieses Gesprächs, die uns an die Verhöre durch die Sicherheitsdienste und die Debatten in kommunistischen Gerichten erinnert hat. Staatsanwälte und Richter, die im Auftrag der allmächtigen kommunistischen Geheimpolizei handelten, erklärten uns, dass sie über alle Macht verfügten, während wir keine hätten. Sie forderten uns auf, unsere Aktivitäten einzustellen, und argumentierten, dass Tausende unschuldiger Menschen durch uns leiden müssten. Sie beraubten uns unserer Freiheiten und Bürgerrechte, weil wir uns weigerten, mit der Regierung zu kooperieren oder für unsere Unterdrückung Dankbarkeit zu zeigen. Wir sind schockiert, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj auf die gleiche Weise behandelt wurde.

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts zeigt, dass es für die Vereinigten Staaten letztlich immer eine Bedrohung für sich selbst wurde, wenn sie sich von demokratischen Werten und ihren europäischen Verbündeten distanzierten. Präsident Woodrow Wilson erkannte dies, als er 1917 entschied, dass die Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg eintreten müssten. Präsident Franklin Delano Roosevelt erkannte es, als er nach dem Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 beschloss, dass der Krieg zur Verteidigung Amerikas nicht nur im Pazifik, sondern auch in Europa geführt werden müsse – im Bündnis mit den von den Nazis angegriffenen Nationen.

Wir erinnern uns daran, dass der Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums ohne Präsident Ronald Reagan und das finanzielle Engagement Amerikas nicht möglich gewesen wäre. Präsident Reagan erkannte, dass Millionen versklavter Menschen in der Sowjetunion und den von ihr unterjochten Ländern litten – darunter Tausende von politischen Gefangenen, die für ihre Verteidigung demokratischer Werte mit ihrer Freiheit zahlten. Seine Größe lag unter anderem in seiner entschlossenen Entscheidung, die UdSSR als „Reich des Bösen“ zu bezeichnen und es entschlossen zu bekämpfen. Wir haben gewonnen, und heute steht in Warschau eine Statue von Präsident Ronald Reagan – mit Blick auf die US-Botschaft.

Herr Präsident, materielle Hilfe – militärisch und finanziell – kann niemals mit dem Blut gleichgesetzt werden, das für die Unabhängigkeit der Ukraine und die Freiheit Europas sowie der gesamten freien Welt vergossen wird. Menschliches Leben ist unbezahlbar; sein Wert kann nicht in Geld gemessen werden. Dankbarkeit gebührt denen, die ihr Blut und ihre Freiheit opfern. Dies ist für uns, die Menschen der Solidarność, ehemalige politische Gefangene des kommunistischen Regimes unter sowjetischer Herrschaft, eine Selbstverständlichkeit.

Wir fordern die Vereinigten Staaten auf, die gemeinsam mit Großbritannien im Budapester Memorandum von 1994 gemachten Garantien einzuhalten, die eine direkte Verpflichtung zur Verteidigung der territorialen Integrität der Ukraine im Austausch für deren Verzicht auf Atomwaffen festlegen. Diese Garantien sind bedingungslos – es gibt keine Klausel, die solche Hilfe als wirtschaftliche Transaktion betrachtet.

Unterzeichnet,

Lech Wałęsa, ehemaliger politischer Gefangener, ehemaliger Präsident von Polen, Nobelpreisträger

Mitunterzeichner:

  • Marek Beylin, ehem. politischer Gefangener, Redakteur unabhängiger Verlage
  • Seweryn Blumsztajn, ehem. politischer Gefangener, Mitglied des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter
  • Teresa Bogucka, ehem. politische Gefangene, Aktivistin der demokratischen Opposition und Solidarność
  • Grzegorz Boguta, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der demokratischen Opposition, unabhängiger Verleger
  • Marek Borowik, ehem. politischer Gefangener, unabhängiger Verleger
  • Bogdan Borusewicz, ehem. politischer Gefangener, Anführer der Untergrundbewegung Solidarność in Danzig
  • Zbigniew Bujak, ehem. politischer Gefangener, Anführer der Untergrundbewegung Solidarność in Warschau
  • Władysław Frasyniuk, ehem. politischer Gefangener, Anführer der Untergrundbewegung Solidarność in Breslau
  • Andrzej Gincburg, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der Untergrundbewegung Solidarność
  • Ryszard Grabarczyk, ehem. politischer Gefangener, Solidarność-Aktivist
  • Aleksander Janiszewski, ehem. politischer Gefangener, Solidarność-Aktivist
  • Piotr Kapczyński, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der demokratischen Opposition
  • Marek Kossakowski, ehem. politischer Gefangener, unabhängiger Publizist
  • Krzysztof Król, ehem. politischer Gefangener, Unabhängigkeitsaktivist
  • Jarosław Kurski, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der demokratischen Opposition
  • Barbara Labuda, ehem. politische Gefangene, Aktivistin der Untergrundbewegung Solidarność
  • Bogdan Lis, ehem. politischer Gefangener, Anführer der Untergrundbewegung Solidarność in Danzig
  • Henryk Majewski, ehem. politischer Gefangener, Solidarność-Aktivist
  • Adam Michnik, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der demokratischen Opposition, Redakteur unabhängiger Verlage
  • Sławomir Najnigier, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der Untergrundbewegung Solidarność
  • Piotr Niemczyk, ehem. politischer Gefangener, Journalist und Drucker von Untergrundverlagen
  • Stefan Konstanty Niesiołowski, ehem. politischer Gefangener, Unabhängigkeitsaktivist
  • Edward Nowak, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der Untergrundbewegung Solidarność
  • Wojciech Onyszkiewicz, ehem. politischer Gefangener, Mitglied des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter, Solidarność-Aktivist
  • Antoni Pawlak, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der demokratischen Opposition und der Untergrundbewegung Solidarność
  • Sylwia Poleska-Peryt, ehem. politische Gefangene, Aktivistin der demokratischen Opposition
  • Krzysztof Pusz, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der Untergrundbewegung Solidarność
  • Ryszard Pusz, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der Untergrundbewegung Solidarność
  • Jacek Rakowiecki, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der Untergrundbewegung Solidarność
  • Andrzej Seweryn, ehem. politischer Gefangener, Schauspieler, Direktor des Polnischen Theaters in Warschau
  • Witold Sielewicz, ehem. politischer Gefangener, Drucker unabhängiger Verlage
  • Henryk Sikora, ehem. politischer Gefangener, Solidarność-Aktivist
  • Krzysztof Siemieński, ehem. politischer Gefangener, Journalist und Drucker von Untergrundverlagen
  • Grażyna Staniszewska, ehem. politische Gefangene, Anführerin von Solidarność in der Region Beskiden
  • Jerzy Stępień, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der demokratischen Opposition
  • Joanna Szczęsna, ehem. politische Gefangene, Redakteurin der Untergrundpresse von Solidarność
  • Ludwik Turko, ehem. politischer Gefangener, Aktivist der Untergrundbewegung Solidarność
  • Mateusz Wierzbicki, ehem. politischer Gefangener, Drucker und Publizist unabhängiger Verlage
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  1. Die polnische Originalfassung dieses Briefes wurde von Lech Wałęsa auf Facebook veröffentlicht. Eine englische Übersetzung wurde von Roman Sheremeta, Gründungsrektor der American University Kyiv, auf Facebook veröffentlicht. Deutsche Übersetzung von Wolf Paul.[]

Theokratie gehört nicht ins Parlament?

Wolf Paul, 2025-02-07

In einem Artikel auf der Webseite des “Humanistischen Verbands Österreichs” mit dem Titel „Theokratie gehört nicht ins Parlament“ kommentiert Balász Bárány einen offenen Brief, den die ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler an SPÖ-Chef Andreas Babler gerichtet hat. Sie drückt darin ihre Meinung darüber aus, was die Aufgabe des Staates und seiner Bürger ist, und zitiert in diesem Zusammenhang den Katechismus der Katholischen Kirche. Das ist natürlich völlig legitim und sollte nicht weiter verwundern, denn als katholische Christin hat der Katechismus einen großen Anteil an ihrer Meinungsbildung. Für Bárány allerdings ist das ein Skandal:

Gudrun Kugler, eine der profiliertesten Vertreter*innen des politischen Katholizismus in Österreich, zitiert in einem offenen Brief an Andreas Babler (als Replik auf dessen Reaktion auf die Nehammer-Burger-Video-Affäre) in normativer Weise den katholischen Katechismus. Sie definiert damit die „Hauptaufgabe des Staates“, verteilt „Verantwortung“ an verschiedene „Gruppen und Vereinigungen“ und bezeichnet Arbeit als „Pflicht“. In einer an die Öffentlichkeit gerichteten politischen Auseinandersetzung.

Damit trifft sie – als Parlamentarierin, die der Demokratie und dem österreichischen Volk verpflichtet sein sollte – Festlegungen über zentrale Strukturen der österreichischen Gesellschaft, die nicht demokratisch verhandelbar sind, sondern in einer absolutistischen Monarchie vom damaligen Oberinquisitor Ratzinger ausgedacht und festgeschrieben wurden. Das widerspricht eindeutig der „unverbrüchlichen Treue der Republik Österreich“, die sie bei ihrer Angelobung geloben musste. Statt die österreichischen Wähler*innen über Aufgaben des Staates, von Gruppen und Vereinigungen entscheiden zu lassen, meint sie, dies bei einem ehemaligen Oberhaupt einer von sechzehn anerkannten Religionsgesellschaften zu erfahren – aus einem Land, das die Europäische Menschenrechtskonvention bisher nicht ratifiziert hat. Das ist nicht Demokratie, das ist Theokratie. Und eine Vertreterin der Theokratie gehört nicht in den Nationalrat.

Mit Verlaub, was heißt „sie zitiert in normenhafter Weise“? Was heißt, sie „trifft Festlegungen über zentrale Strukturen der österreichischen Gesellschaft“? All das in einem Brief, der zwar auch für die Öffentlichkeit bestimmt ist, aber lediglich eine private Meinungsäußerung darstellt und ihre persönlichen Überzeugungen widerspiegelt?

Wie alle anderen Abgeordneten kann Gudrun Kugler nur durch ihr  Abstimmverhalten im Parlament Festlegungen“ treffen, und auch das nur, wenn gen¨¨gend andere Abgeordnete genauso abstimmen. Alles andere ist freie Meinungsäußerung, egal ob im Parlament oder eben in einem offenen Brief an einen Politiker, und ist in keiner Weise  normenhaft“ oder eine Festlegung“.

Die österreichische Verfassung garantiert Religions-, Meinungs- und Redefreiheit, und das heißt, daß jeder, auch Politiker und ganz besonders Abgeordnete auf allen Ebenen, frei ist, sich jegliche beliebige Meinung zu bilden und sie (mit einigen wenigen Ausnahmen) auch öffentlich auszudrücken und auch in den politischen Gremien, im Rahmen der demokratischen Spielregeln, zu vertreten und für sie zu werben. Das gilt auch für Meinungen, die auf religiösen oder auch ideologischen Überzeugungen beruhen — und hier liegt, glaube ich, Balász Báránys Problem:

Wie viele andere Meinungsmacher heutzutage vertritt er die Meinung, daß religiös geformte Meinungen nicht geäußert oder vertreten werden dürfen, schon gar nicht im Rahmen der der demokratischen Prozesse und Spielregeln. Daß er mit dieser Meinung selbst im Widerspruch zur Verfassung steht, ist natürlich völlig legitim — auch er genießt die verfassungsgemäße Religions-, Meinungs- und Redefreiheit, einschließlich der Freiheit, Religion für sich selbst abzulehnen und auch, diese religionsfeindliche Haltung öffentlich zu vertreten und zu propagieren, genauso wie Gudrun Kugler  oder auch die von Bárány zitierte muslimische1 Politikerin die Freiheit genießen, ihre von ihrer jeweiligen Religion geformte Meinung zu vertreten und zu propagieren.

Der „Humanistische Verband Österreich” sagt übrigens von sich selbst, er „setzt sich für eine faktenbasierte, naturwissenschaftliche Weltsicht, eine Ethik ohne religiösen Bezug und einen Staat, der nicht auf religiösen Überzeugungen gründet, ein.”  Letzteres ist, rechtlich gesehen, durchaus o.k, sofern der Verband und seine Anhänger über ausreichende Mehrheiten verfügen, um die entsprechenden Gesetze zu erlassen. Ebenso ist es o.k wenn religiöse Menschen mit ausreichenden Mehrheiten Gesetze erlassen, die ihre religiösen Überzeugungen reflektieren. Das ist eben Demokratie und hat mit Theokratie nichts zu tun.

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  1. Aus rein rechtlic-politischer Sicht ist das Problem mit dem Islam nicht der Inhalt seiner Lehre, sondern die Tatsach daß aller Erfahrung nach viele (nicht alle) Muslime ihre Meinungen und Überzeugungen nicht mit demokratischen Mitteln, sondern mit Gewalt durchsetzen wollen.[]