In Memoriam George Verwer

Wolf Paul, 2023-04-15

Wir haben soeben diese Nachricht von Lawrence Tong, dem internationalen Direktor von Operation Mobilisation, erhalten:

“In großer Trauer teile ich Euch mit, daß unser Bruder George Verwer (Gründer von Operation Mobilisation) uns gestern Abend, dem 14. April 2023 um 23:06, verlassen hat und in die Herrlichkeit eingegangen ist. Er ist friedlich gestorben, zu Hause, im Beisein seiner Frau Drena, seiner Tochter Christa, sowie einer Freundin der Familie, Cathy Rendal.” 

George hatte einen großen Einfluß auf mein Leben: durch die von ihm gegründete Organisation kam ich vor 52 Jahren zu einem lebendigen Glauben an Jesus Christus, und auch spätere, persönliche Begegnungen mit ihm waren sehr wichtig für mich.

Einerseits ist sein Heimgang ein Grund zur Freude, weil er, in den Worten des Apostels Paulus „den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben gehalten hat; hinfort liegt für ihn bereit die Krone der Gerechtigkeit, die ihm der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, nicht aber ihm allein, sondern auch allen, die Christi Erscheinung lieb haben.“ (2. Tim. 4,7) Er ist frei von dem Krebs, der ihm sein Leben in den letzten Monaten immer schwerer gemacht hat, und, um wieder mit dem Apostel Paulus zu sprechen, er hat „den Leib verlassen und ist daheim bei dem Herrn.“ (2.Kor. 5,8)

Aber gleichzeitig ist da große Trauer und die Erkenntnis, daß (für mich zumindest) eine Era zu Ende gegangen ist. In einer Zeit, wo allzu viele Christen und christlichen Leiter damit beschäftigt sind, ihre Rechte zu bewahren und die Welt durch politische Anstrengungen zu verändern (oder auch eine Veränderung zu verhindern), war George ein demütiger Diener Gottes, der nie seinen Auftrag aus den Augen verloren hat: Das Evangelium denen zu verkünden, die es noch nie gehört haben, und andere auszurüsten, dasselbe zu tun.

Todesanzeigen werden oft mit den Buchstaben “R. I. P.” überschrieben: „Requiescat in Pace, „Ruhe in Frieden.“ Für George Verwer, und  für alle Christen, die im Herrn entschlafen sind, stehen diese Buchstaben vielmehr für „Er ruht tatsächlich im Frieden, im Frieden Gottes!

Medienvielfalt?

Wolf Paul, 2023-04-14

Angesichts von Einsparungen, die durch die aktuelle Kostenexplosion notwendig seien, klagt Kurier-Geschäftsführer Thomas Kralinger unter anderem über die Konkurrenz durch text-basierte Angebote des ORF[1] und ruft nach Beschränkungen derselben.

Ich bin da anderer Meinung.

Mir ist klar, daß eine möglichst große Medienvielfalt generell für gut und wünschenswert gehalten wird, aber was tragen Printmedien wie Heute, Österreich/Ö24, Kronenzeitung, Kurier, Die Ganze Woche, usw, tatsächlich zum Funktionieren unserer Demokratie bei?

Dem wirtschaftlichen Überleben von in Privatbesitz befindlichen Printmedien steht das Recht der Bevölkerung auf unabhängige, möglichst objektive Nachrichtenversorgung ohne Zusatzkosten gegenüber, vor allem, wenn demächst eine Haushaltsabgabe[2] von allen Haushalten eingehoben werden wird.

Ein ORF,

  • der zu fairer und faktenbasierter Berichterstattung verpflichtet ist, die auch einklagbar sein müßte,
  • der von der gesamten Bevölkerung durch die Haushaltsabgabe finanziert wird[3], und
  • dessen Kontollgremien selbstverständlich von der jeweiligen Regierung möglichst unabhängig sein müßten,

sollte Vorrang haben vor einer Vielfalt von Printmedien, die unterschiedliche kommerzielle, politische, und weltanschauliche Interessen vertreten, ohne diese offen zu deklarieren.

Medienvielfalt ist gut und wünschenswert, wenn sie ein staatlich nicht eingeschränkter Markt hervorbringt und finanziell trägt, aber ich bitte folgendes zu bedenken:

Viel Nutzer von ORF Online würden sich bei Fehlen desselben trotzdem keine gedruckte Tageszeitung oder kostenpflichtiges Digitalabo leisten[4]; wir befriedigen unser Nachrichten-Bedürfnis durch die Rundfunkangebote von ORF und Co;

  • Österreich hat europaweit die höchste Medienkonzentration – der Kurier hat eine Reichweite von lediglich 8%, sein wichtigster Konkurrent, und der aller anderen Printmedien in Österreich, ist nicht der angeblich übermächtige ORF, sondern die Kronenzeitung mit einer Reichweite von 32%. Alle Maßnahmen, die sich Herr Kralinger für den Kurier wünscht, kämen natürlich auch der Kronenzeitung zugute; und
  • meiner Meinung nach werden Medien, die nur dank staatlicher Förderungen und Maßnahmen wie der Einschränkung anderer Medien überleben können, und die nicht durch gesetzliche Vorgaben zur Unabhängigkeit und Objektivität verpflichtet sind, früher oder später zu Sprachrohren der jeweiligen Regierung.
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  1. Vermutlich hat er da eher das Portal ORF Online im Blick, als den immer noch dahindümpelten ORF Teletext oder auch die ORF Nachlese.[]
  2. Die Haushaltsabgabe ist letztlich eine neue Steuer, auch wenn krampfhaft versucht wird, sie aus politischen Gründen nicht so zu nennen[]
  3. Alle, die diese Haushaltsabgabe zahken, werden letztlich zu ORF-Abonnenten (de facto wenn auch nicht de jure) []
  4. Full Disclosure: Ich leiste mir ein Abo von Readly um rund €10/Monat, sowie ein kostenloses Abo von read-it (beide auch mit Apps für Android und iOS), allerdings nicht wegen der enthaltenen Tageszeitungen, sondern wegen Fach- und Spartenzeitschriften[]

Rostiger, die Feuerwehr kommt: Mobbing in der Schule

Wolf Paul, 2023-04-13

Der der 2021 verstorbene Wiener Maler, Liedermacher und Sänger Arik Brauer hat viele gesellschaftskritische Lieder geschrieben und gesungen.

Seine Lieder sind auf Youtube zu finden, viele seiner bildnerischen Kunstwerke kann man in seiner Kunstsammlung bewundern, die von seiner Tochter Timna Brauer in seiner Villa in Wien-Döbling betrieben wird,

In diesem Lied, das mir heute untergekommen ist, thematisiert Arik Brauer das Mobbing in der Schule und drückt auch (mehr oder weniger ernsthaft) sein Bedauern über seine Beteiligung daran aus.

YouTube player

(Gesprochen) Wir hab′n in der Schul’ ein′ g’habt, den hab’n wir terrorisiert! Der hat rote Haar′ g′habt und Brill’n mit dicke, dicke Augenglas′ln
Und ich war der Allerärgste von allen. Und heut’ tut mir das ja so leid…

(Gesungen) Rostiger[1], die Feuerwehr kommt,
Schieb die Haar′ in’ Arsch.
Rostiger, die Feuerwehr kommt,
Schieb die Haar′ in’ Arsch.
Vieräugerter[2] scheangel[3] nicht,
Weil sonst nehm’ ich dir deine Glas′ln weg, –
Tralala, tralala, tralala, tralala –
Und der Bub der weint scho′ wieder
Und er Bub der weint.
Tralalala, tralalala…

Zerbrech’n wir ihm das Federpenal[4],
Schmeiß′n wir’s in Kanal.
Zerbrech′n wir ihm das Federpenal,
Schmeiß’n wir′s in Kanal.
Wasserschäd’l schau nicht so blöd,
Wasserschäd’l schau nicht so blöd,
Weil sonst nehm′ ich dir deine Guckascheck′n[5] weg, –
Tralala, tralala, tralala, tralala –
Und der Bub der weint scho’ wieder
Und er Bub der weint.
Tralalala, tralalala…

Geb′n wir ihm ein’ Knödelreiter[6],
Geb′n wir ihm ein’ Spitz[7].
Geb′n wir ihm ein’ Knödelreiter,
Geb’n wir ihm ein′ Spitz.
Rostiger, die Feuerwehr kommt.
Rostiger, die Feuerwehr kommt.
Und sie nehmen dir deine roten Federn weg.-
Tralala, tralala, tralala, tralala –
Und der Bub der weint scho′ wieder
Und er Bub der weint.
Rostiger, die Feuerwehr kommt…

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  1. Rothaariger[]
  2. Brillenträger[]
  3. schiele[]
  4. Stiftebox[]
  5. Sommersprossen[]
  6. Kniestoß in den Oberschenkel[]
  7. Fußtritt, mit der Schuhspitze[]

Abenteuerliche Online-Lebensmittelsuche

Wolf Paul, 2023-04-11

Aus der Kategorie „Triviale Alltags-Beobachtungen“:

Aus gegebenem Anlaß habe ich in den Online-Shops von Billa[1] und Interspar[2] nach verschiedenen Lebensmittel-Produkten gesucht. Dabei ist mir aufgefallen, wie völlig unvorhersagbar die Treffsicherheit, und damit die Brauchbarkeit der Ergebnisse der Produktsuche sind, und zwar bei beiden Anbietern. Wobei mir nicht klar ist, woran diese Hit-and-Miss Ergebnisse liegen, dazu fehlt mir ein erkennbares Muster.

Hier sind ein paar Beispiele:

Spar Online-Shop

Suche nach “Liptauer”:

  • Insgesamt 31 Produkte
    • 18 x Brotaufstrich oder entsprechende Gewürzmischungen;
    • 13 x Süßgebäck, vor allem Manner Schnitten oder Ähnliches

Suche nach “Sauce Tartare”:

  • Insgesamt 5 Produkte
    • 4x Herkömmliche Produkte, d.h. mit Ei
    • 1x Veganes Produkt, d.h. ohne Ei

Suche nach Streichwurst:

  • Insgesamt 90 Produkte
    • 27x Streichwurst im weitesten Sinn (d.h. auch Pasteten, Mousses, Fleischschmalz, usw)
    • 63x Feste Wurst, d.h. Aufschnitt-, Stangen-, Kranzwurst, Würstel

Billa Online-Shop

Suche nach “Liptauer”:

  • Insgesamt 11 Produkte
    • 10x Liptauer Brotaufstrich auf Topfen/Frischkäse-Basis
    • 1x Brotaufstrich Vegan

Suche nach “Sauce Tartare”:

  • Insgesamt mehr als 70 Produkte
    • 3x Sauce Tartare von verschiedenen Herstellern
    • Mehr als 70x andere Saucen ( Barbecue, Chili, Salsa, Knoblauch, Cocktail, Süß-Sauer, use.)

Suche nach “Streichwurst”:

  • Insgesamt 14 Produkte, alle Streichwurst

Das war das einzige treffsichere Resultat.

Amazon

Ich habe die gleichen Suchen auch bei Amazon versucht, da sind die Resultate noch mehr durchmischt; “Liptauer” resultierte in keinem Aufstrich sondern lediglich in drei Gewürzmischungen und vielen, größtenteils Non-Food-Produkten, was auch daran liegen mag, daß “Liptauer” eine spezifisch österreichische Spezialität[3]ist, nämlich ein hauptsächlich aus Topfen (Quark) bestehender und mit Paprika gewürzter Brotaustrich, und daher für den deutschen Markt eher uninteressant ist. Die beiden anderen Suchbegriffe produzierten größtenteils die erwarteten Resultate, aber wie gesagt, sehr durchmischt mit irrelevanten Produkten, wobei es bei Amazon ja so ist, daß Hersteller und Verkäufer dafür zahlen können, daß ihre Produkte auch bei “artfremden” Suchen aufscheinen.

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  1. Österreich-Tochter von Rewe[]
  2. Großmärkte und Onlineshop der österreichischen Spar-Organisation[]
  3. ebenso in der Slowakei und Ungarn; der Streichkäse ist nach der slowakischen Region Liptov/Liptau benannt[]

Vegane Erfahrungen

Wolf Paul, 2023-04-08

Auf Drängen meiner Frau esse ich seit ein paar Monaten kein Fleisch mehr, da eine fleischarme Diät angeblich bei Diabetes gesünder ist.

Nachdem ich aber kein Hase oder Rindvieh bin 😉, habe ich mich ziemlich schnell nach Alternativen umgesehen, die einen fleischähnlichen Genuss versprechen.

Meine Schlußfolgerung: vieles davon ist durchaus genießbar, auch wenn die wenigsten Produkte auch nur annähernd an das herankommen, was sie zu imitieren versuchen.

Am besten klappt das bei Schnittkäse [1]; Produkte von z.B. Bedda und Violife kann ich mir durchaus als dauerhaften Ersatz vorstellen.

Bei Weichkäse habe ich nur einen gefunden, der als Camembert-Imitat an das Original herankommt: Bedda Come on Bert [2].  Andere Camembert-Imitate [3] sind mir zu weich, mehr wie Streichkäse.

Brotaufstriche wie Simply V Streichgenuß ist auch sehr gut, und ich gehe davon aus, daß das auch auf die meisten anderen Frischkäse-Imitate zutrifft. Vegavita [4] hat diverse Aufstriche wie ZwiebelschmalzLiptauerHummus, usw., die auch sehr gut sind.

Bei Wurstimitaten fand ich nur wenige Produkte so gut, daß ich mir ebenfalls vorstellen kann, sie dauerhaft in meine Diät einzubinden:

  • Vantastic Veganer Leberkäs
  • Rügenwalder Vegane Mühlensalami
  • Wheaty Veganer Dry-Aged Aufschnitt

Fleisch-Imitate:

Diverse vegane Schnitzel-, Cordon Bleu-, Chicken Nuggets-, und Fischstäbchen-Imitate von verschiedenen Anbietern sind m. E. ähnlich genießbar wie ihre Vorbilder[5], und ich kann mir vorstellen, einige davon auch nach dem Ende meiner erzwungenen vegetarischen Phase zu essen.

Steak– und Faschiertes/Hackfleisch-Imitate enttäuschen dagegen, besonders wenn man sie tatsächlich mit echtem Fleisch vergleicht; als Gemüseprodukte deklariert sind manche davon durchaus genießbar.

Die größte Enttäuschung waren vegane Speck-Imitate; die sind einfach eine homogene Masse aus irgendeinem Eiweiß und Fett, in längliche Scheiben geschnitten und in Streifen rosa und weiß eingefärbt. Nichts von dem Biß oder der „Haptik“ von echtem Speck.

Viele vegane Ersatz-Produkte haben auf den Händler-Seiten und in einschlägigen Foren so begeisterte Kundenbewertungen, daß ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß sich diese Leute selbst einreden müssen, daß das alles so gut oder sogar besser schmeckt als echte Fleisch- und Milchproduke, oder aber daß sie total gestörte Geschmacksnerven haben. Wobei mich gar nicht stört, daß es ihnen schmeckt, sondern daß sie sich in Lobeshymnen ergehen, wie sehr nach Fleisch das Zeug doch schmeckt.

Ich habe dem Drängen meiner Frau nachgegeben, weil ich derzeit bettlägrig bin und daher von dem abhängig bin, was sie mir serviert; sobald ich wieder etwas mobiler bin werde ich wahrscheinlich wieder mehr Fleischprodukte essen, wenn auch nicht mehr so viel wie früher, weil mir manche Dinge doch sehr abgehen[6], und diese ganzen Ersatzprodukte doch wesentlich teurer sind als die Originale.

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  1. wahrscheinlich auch bei geriebenem Käse, hab ich noch nicht ausprobiert[]
  2. auf Basis von Kartoffelstärke und -eiweiß sowie Rapsöl[]
  3. meist auf Cashew-Basis[]
  4. Billa Eigenmarke[]
  5. Fertig-Schnitzel aus dem Supermarkt sind ja, im Gegensatz zu dem, was man zu Hause macht, nicht aus einem Stück Fleisch, sondern aus geshreddertem und wieder in Form gepreßten Fleisch, ähnlich wie Chicken Nuggets oder Fischstäbchen[]
  6. Dürre, Burenwurst, Käsekreiner, Salanettis[]

Die Attraktivität Post-Evangelikaler Theologie

Wolf Paul, 2023-04-06

In einem Blog-Beitrag auf „Jesus.de“ faßt der (leider ungenannte) Autor zwei Artikel zusammen (ein dritter ist angekündigt), die Markus Till auf seinem Blog „Aufatmen in Gottes Gegenwart“ veröffentlicht hat:

In der Zusammenfassung wird Markus Till zitiert, „Viele beklagen nachvollziehbar, dass sie ihr evangelikales Umfeld als überaus eng erlebt haben“, und das bezweifle ich auch gar nicht.

Aber da müßte man dann mal analysieren,

  1. wie weit diese erlebte Enge einfach daher rührt, daß sich der Mensch in seiner sündigen Natur nicht gerne einengen läßt, auch nicht von Gottes Geboten, und
  2. wie weit diese erlebte Enge daher rührt, daß die “Freiheit eines Christenmenschen” in manchen evangelikalen und fundamentalistischen Kreisen tatsächlich nicht existiert oder biblisch unzulässig eingeschränkt wird. So sagt Paulus, „Mir ist alles erlaubt, aber es frommt nicht alles,“ und wenn manche Christen oder Gemeinden alles verbieten, was ihrer Meinung nach „nicht frommt,“ dann ist das zwar wohl gut gemeint, aber biblisch unzulässig.

Gegen das erstgenannte Erlebnis der Enge können nur die Betroffenen selbst, in Offenheit für den Heiligen Geist, etwas unternehmen; die andere Enge zu vermeiden und tatsächlich unsere Freiheit in Christus hochzuhalten, liegt in der Verantwortung der Kirchen und Gemeinden sowie jedes einzelnen Christen.[1]

Ich hoffe, daß sich Till in einem weiteren Artikel damit auseinander setzt und praktische Vorschläge entwickelt, wie Gemeinden eine solche unzulässige Enge vermeiden können, ohne das Evangelium und das evangelikale Schriftverständnis zu verlassen und zu verraten.

 

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  1. Ein Kommentar zu diesem Beitrag auf Facebook lautete, „Ist es nicht dieses Schriftverständnis, das die Enge bedingt? Orientierung am geschriebenen Wort statt am lebendigen Christus.“ Ein verständlicher Einwand, aber letztlich ist das geschriebene Wort der einzige objektive Weg, den lebendigen Christus zu kennen, und eine gewisse Enge ist notwendig, wenn sich nicht alles in Beliebigkeit auflösen soll. Ich warne hier vor einer Enge, die über die Heilige Schrift hinausgeht.[]

ChatGPT: Sperre oder Verbot wäre ein Armutszeugnis

Wolf Paul, 2023-04-04

Wenn es in Österreich zu einer Sperre von ChatGPT oder ähnlichen Anwendungen kommen würde, wie sie in Italien bereits verfügt wurde, und wie sie in der heutigen 8-Uhr-ZIB auch für Österreich als Möglichkeit angedeutet wurde, dann werde ich diese Sperre selbstverständlich mittels VPN umgehen und solche Tools weiterhin verwenden.

Eine Sperre bzw. ein Verbot wäre der absolut falsche Ansatz; das ist etwas, das wir von autoritären und diktatorischen Regimes kennen und erwarten, nicht in einem liberalen westlichen Land.

Eine Regulierung zum Schutz z.B. von Kindern und Jugendlichen wäre etwas anderes; ein Verbot, um generell leichtgläubige, erwachsene Menschen zu schützen, geht zu weit –  da sollte man mehr Aufwand treiben, um solche Menschen zu informieren, und letztlich müssen diese auch selbst Verantwortung für ihre Leichtgläubigkeit übernehmen.

Eine Sperre von KI-Anwendungen wegen der Gefahr des Mißbrauchs käme einem Verbot der Fotografie gleich, weil diese zur Herstellung von Kinderpornografie verwendet werden kann, oder einem Verbot von Autos, weil man damit jemanden niederfahren kann. Es stellt ein Armutszeugnis für Politik und Verwaltung dar, wenn man Dinge generell verbietet, statt lediglich deren Mißbrauch zu verbieten und zu verfolgen.

Schund- und Boulevardpresse sowie demagogische Politiker manipulieren leichtgläubige Menschen in großem Ausmaß, trotzdem bleiben sie von Politik und Justiz weitgehend unbehelligt, weil ein Verbot oder auch eine Regulierung unerlaubte Einschränkung der Meinungs- Rede- und Pressefreiheit wäre; eine Sperre oder ein Verbot von KI-Anwendungen wäre ebenso ein Angriff auf die Meinungs-, Rede-, und Forschungsfreiheit, und davor sollten wir uns hüten.

Frau Mikl-Leitner’s armselige Partner

Wolf Paul, 2023-03-30

Mit ihrem geschlossenen Auszug aus dem Parlament vor der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky hat sich die FPÖ heute – wieder einmal – ein Armutszeugnis ausgestellt.[1]

Den Unterschied zwischen Täter und Opfer zu verwischen und einem „Frieden“ das Wort zu reden, bei dem der Angreifer behält, was er sich unrechtmäßig genommen hat, ist weder neutral noch demokratisch; das ist ein von Feigheit geprägtes und unmoralisches (Miß-)Verständnis von Neutralität.[2]

Frau Mikl-Leitner, mit Unterstützung solcher „Partner“ lassen Sie sich ins Amt wiederwählen?[3] Mit solchen „Partnern“ wollen Sie regieren? Mit solchen „Partnern“ verbindet Sie ein „gewisses Grundvertrauen“?[4]

Ich schäme mich für Sie, nachdem Sie es offensichtlich nicht tun.


Das Bild oben zeigt einige der leeren Plätze der FPÖ-Abgeordneten, die zu Beginn von Selenskyjs Ansprache aus braunen Papiersackerln Tafeln mit der Aufschrift “Platz für Frieden” und “Platz für Neutralität” hervorholten, die sie vor sich auf den Pulten platzierten. Dann verließen sie geschlossen den Saal und kamen auch nicht wieder zurück, als Selenskyj über die Kriegsverbrechen Russlands in seinem Land Bericht erstattete.

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  1. Bericht DER STANDARD . Die sozialdemokratischen Abgeordneten, die demonstrativ abwesend waren, sind natürlich um keinen Deut besser.[]
  2. Die österreichische „immerwährende Neutralität“ wird im Neutralitätsgesetz vom 26. Oktober 1955 wie folgt definiert:
    (1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.
    (2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.</br /> Die österreichische Neutralität ist also eine militärische, nicht eine politische oder moralische Neutralität.[]
  3. Nachdem die ÖVP bei der Landtagswahl 2023 die absolute Mehrheit verloren hat, und danach Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ gescheitert sind, haben ÖVP und FPÖ zwar keine Koalition, wohl aber ein Arbeitsübereinkomnen geschlossen, nach dem, unter anderem, die FPÖ zwar nicht für Mikl-Leitner als Landeshauptfrau  gestimmt hat, aber auch nicht gegen sie, wodurch die Stimmen der ÖVP ausreichten, um Mikl-Leitner wiederzuwählen.[]
  4. Bericht auf ORF NÖ[]

Viele Öffnungen, viele Höhlungen

Wolf Paul, 2023-03-17

  • Trigger-Warnung: In diesem Beitrag werden auch Körperfunktionen erwähnt, was manche Leser vielleicht unangenehm berühren könnte. 

Vor vielen Jahren habe ich über dem Waschbecken im Toiletten-Vorraum einer betont Israel-affinen christlichen Gemeinde einen Text gefunden, über den ich zunächst geschmunzelt habe, der mir aber bei näherer Betrachtung als durchaus dem Ort angemessen erschien.

Es handelt sich dabei um diesen als Ascher Jazzar bekannten Segensspruch (Bracha oder Beracha, Mehrzahl Brachot – hebr. ברכה, jiddisch: Broche), den fromme Juden angehalten sind, nach jedem Urinieren oder Stuhlgang zu sprechen, und der auch als Teil des Morgengebets Schacharit im Sid33dur (jüdisches Gebetsbuch) zu finden ist:

Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt,
der den Menschen gebildet mit Weisheit
und an ihm erschaffen viele Öffnungen,
viele Höhlungen.
Offenbar und bekannt ist es
vor dem Thron deiner Herrlichkeit,
daß, wenn eine von ihnen offen
oder eine von ihnen verschlossen bliebe,
es nicht möglich wäre zu bestehen
und vor dich hinzutreten.
Gelobt seist du, Ewiger,
der da heilt alles Fleisch und wunderbar wirkt.

Momentan bin ich, zuerst wegen einer Operation in der Leistengegend, und danach wegen der daraus resultierenden Atrophie meiner Beinmuskeln, bereits seit fast elf Monaten bettlägrig, und habe deshalb einen Harnkatheter. Normalerweise funktioniert der ziemlich problemlos, er muß halt alle zwei Monate ausgewechselt werden, und manchmal verstopft er sich, dann muß er auch außerplanmäßig ersetzt werden. Das ist mir bis vor drei Wochen etwa viermal passiert – in etwa neun Monaten.

Am 21. Februar war der letzte planmäßge Katheterwechsel, und seither war ich bereits sechsmal mit einem verstopften Katheter in Mistelbach im Spital. zuletzt zweimal innerhalb von 12 Stunden. Das war ganz besonders unangenehm:

Schon das Warten auf die Rettung und dann der Transport ins Krankenhaus gegen 5:45 Uhr waren sehr unangenehm, weil sich die Blase immer mehr füllte; dort mußte ich dann in der Unfallambulanz (weil die Urologieambulanz zu der Zeit nicht geöffnet ist) warten, bis der diensthabende Urologe Zeit hatte, sich um mich zu kümmern. In dieser Zeit wurde mein Harndrang immer unangenehmer und schließlich schmerzhaft. Gegen 6:45 wurde mir schließlich gesagt, daß kein Urologe kommen würde, sondern ich in die Urologiambulanz gebracht werden würde. Das hieß, mit einer zunehmend schmerzhaften Blase weiter zu warten – zunächst bis zur Öffnungszeit der Urologie um 7:00 Uhr, dann weiter, bis die Urologie-Mannschaft um 7:15 Uhr aus der Schichtwechsel-Dienstbesprechung kam. Endlich Erleichterung! Der Wechsel ging dann sehr schnell, danach mußte ich eine weitere halbe Stunde auf den Heimtransport warten – aber da hatte ich zum Glück keine Schmerzen mehr.

Inzwischen mache ich, je nach Bedarf, mindesten zweimal am Tag eine Katheterspülung mit einer Kochsalz- oder Zitronensäure-Spülung, und obwohl man schon spürt, daß die Blase eigentlich nicht dafür gemacht ist, von dieser Seite befüllt zu werden, ist es doch wesentlich weniger schmerzhaft, wenn es dort nicht abfließen kann.

Normalerweise verschwende ich ja auf Körperfunktionen wie Urinieren kaum einen Gedanken, aber in meiner derzeitigen Situation muß ich immer wieder an Psalm 139, 14 denken:

Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.

Genau das Gleiche drückt Ascher Jazzar mit ein paar mehr Wörtern aus, und man belächelt diese Angewohnheit, diesen Segen nach jedem  Toilettengang zu rezitieren, nur solange es bei den eigenen vielen Öffnungen, vielen Höhlungen und deren Funktion zu keinen Störungen kommt.

Als freikirchliche, evangelikale Christen haben wir es nicht so mit vorgeschriebenen, vorformulierten Gebeten oder Ritualen, und das hat gute theologische Gründe; aber als Vorschlag statt als Vorschrift gesehen können z. B. gerade diese jüdischen Segenssprüche bei Allem und Jedem durchaus wertvoll sein, weil sie uns immer wieder daran erinnern, daß unser ganzes Leben, einschließlich nicht ehrenvollen [1] Aspekten, einen Gottesbezug hat, nicht nur die Stunde am Sonntagvormittag oder Mittwochabend, oder auch die tägliche Stille Zeit.

Und da stellt sich mir dann die Abschlußfrage: warum hat die eingangs erwähnte Gemeinde nicht auch den Segen zum Händewaschen (Netilat Jadajim,  hebräisch יָדַיִם נְטִילַת) über dem Waschbecken angebracht

Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns mit seinen Geboten geheiligt und uns befohlen hat, die Hände zu waschen.

Aber das war natürlich lange vor Covid-19.

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  1. 2. Timothäus 2, 20[]

Schwierige Koalitionsverhandlungen in NÖ

Wolf Paul, 2023-03-10

Die neue profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer schreibt in der heutigen heutigen “profil Morgenpost” über das Scheitern der schwarz-ropten Koalitionsverhandlungen in Niederösterreich.

Angeblich hat noch-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner die SPÖ-Forderungen (kostenlose Ganztagsbetreuung im Kindergarten, Ausweitung eines Pilotprojekts zur Jobgarantie für Langzeitarbeitslose, Heizpreisstopp für Haushalte, Anstellungsmodell für pflegende Angehörige, sowie eine Strukturoffensive für vernachlässigte Regionen) als “weitgehend standortgefährdend” bezeichnet.

Ich kann das nicht nachvollziehen. Wenn sie gesagt hättee, “Das können wir uns nicht leisten“, hätte ich das verstanden; aber “standortgefährdend“? Im Gegenteil, gerade in einer Zeit wo viele Firmen große Probleme haben, qualifiziertes Personal zu finden und zu halten, würden Maßnahmen, die das Land für die Menschen attraktiver machen, es auch als Standort für Firmen attraktiver machen.

Jetzt führt die ÖVP Koalitionsgespräche mit der FPÖ, und ein Erfolg dieser Gespräche wäre wirklich standortgefährdend.

Aber ein ganz großes und wesentliches Problem der ÖVP ist die innere Zerissenheit. Die Bünde, in die die Partei gegliedert ist, vor allem Bauernbund, ÖAAB, und Wirtschaftsbund, funktionieren fast wie separate Parteien, mit teilweise sehr unterschiedlichen Interessen. Man könnte sagen, die ÖVP ist selbst eine Koalition, und tut sich als solche nicht gerade leicht bei Koalitionsverhandlungen mit anderen. Das, was früher die ÖVP-Teilorganisationen verbunden hat, nämlich das christliche (katholische) Welt- und Menschenbild, verliert in der Politik immer mehr an Bedeutung, und damit wird der Zusammenhalt der Bünde immer schwächer.