Christtag

Wolf Paul, 2023-12-25

Tagesgebet für den Christtag

Allmächtiger Gott. Du hast uns Deinen eingeborenen
Sohn gegeben, um unsere Natur anzunehmen und an
diesem Tag von einer reinen Jungfrau geboren zu werden.
Verleihe, dass wir, die von neuem geboren und zu Deinen
Kindern adoptiert wurden, täglich durch Deinen Heiligen
Geist auch erneuert werden. Durch denselben, unseren
Herrn Jesus Christus, der mit Dir und dem Heiligen Geist,
ein einiger Gott, lebt und regiert, jetzt und allezeit und in
Ewigkeit. Amen.

 

Aus dem Allgemeinen Gebetbuch der Anglikanischen Kirche in Deutschland

Vierter Adventsonntag

Wolf Paul, 2023-12-24

Tagesgebet für den Vierten Adventsonntag

O Herr. Wir bitten Dich: Erhebe Dich in Deiner Macht,
komm’ in unsere Mitte und stehe uns bei durch Deine
große Kraft, damit wir nicht länger durch unsere Sünden
und Schwachheiten in dem Kampf, der uns bestimmt ist,
gehemmt und gehindert werden, sondern uns durch Deine
Gnade und Barmherzigkeit Hilfe und Errettung zuteil wird.
Durch Jesus Christus, unseren Herrn, dem mit Dir und dem
Heiligen Geist alle Ehre und Herrlichkeit gebührt, jetzt und
allezeit und in Ewigkeit.
Amen.

 

Aus dem Allgemeinen Gebetbuch der Anglikanischen Kirche in Deutschland

Dritter Adventsonntag

Wolf Paul, 2023-12-17

Tagesgebet für den Dritten Adventsonntag

Herr Jesus Christus,
du hast bei Deinem ersten Kommen Deinen Boten vor Dir hergesandt,
um Dir den Weg zu bereiten.
Verleihe, dass wir als Verwalter Deiner Gnadengaben Deinen Weg ebenso bereiten,
indem wir die Herzen der Ungehorsamen zur Klugheit der Gerechten bekehren,
damit wir bei Deinem zweiten Kommen, wenn Du die Welt richten wirst,
vor Deinem Angesicht als wohlgefälliges Volk angenommen werden.
Der Du mit dem Vater und dem Heiligen Geist,
ein einiger Gott, lebst und regierst,
jetzt und allezeit und in Ewigkeit.
Amen.

 

Aus dem Allgemeinen Gebetbuch der Anglikanischen Kirche in Deutschland

Als der verlorene Sohn wieder rückfällig wurde …

Wolf Paul, 2023-12-16

Gastbeitrag von Chad Bird1

Das englische Original diese Beitrags erschien am 22. März 2022 auf 1517.org unter dem Titel, „When the Prodigal Son Relapses“

„Komm, schließ dich dem Mord an“, schrien die schwarzen Raben seines Herzens. „Komm, mach es noch einmal, alter Freund.“ Und so tat er es. Der verlorene Sohn wurde rückfällig. Sündigte erneut. Zerstörte sein Leben wieder. Würde sein Vater ihn diesmal wieder zu Hause willkommen heißen?

Fast genau fünf Jahre, nachdem er das erste Mal nach Hause zurückgekehrt war, leerte der verlorene Sohn sein Bankkonto, packte ein paar Kleidungswechsel und schlich sich wieder in das ferne Land.

Das erste Jahr zu Hause war er einfach nur froh, wieder da zu sein. Er leckte seine Wunden und arbeitete an den angespannten Beziehungen zu seiner Familie und Gemeinschaft.

Das zweite Jahr war das härteste; er konnte den Geschmack des Schweinefutters immer noch nicht aus seinem Mund bekommen – ganz zu schweigen von der Scham, die an seiner Seele nagte.

Im dritten Jahr stabilisierte sich die Lage etwas. Er fühlte sich wieder wohler, wieder im Einklang mit seinem früheren Leben.

Im vierten Jahr begannen ihn bestimmte Dinge zu stören – dieselben Dinge, die ihn schon vor seiner ersten Abreise störten. Seine alten Juckreize verlangten danach, gekratzt zu werden.

Und im fünften Jahr passierte es. Alle früheren Verlockungen klopften wieder an, klopften mit den Knöcheln an die Haustür seines Herzens.

Mehr als die schändliche Hölle, Schweine zu füttern, konnte er das sinnliche Paradies kosten, sich am Glück zu laben. Mehr als das rohe Schuldgefühl, anderen wehzutun, erinnerte er sich an den berauschenden Nervenkitzel, von anderen verwöhnt zu werden

„Komm, schließ dich dem Mord an“, schrien die schwarzen Raben seines Herzens.

„Komm, mach es noch einmal, alter Freund.“

Und so tat er es. Der verlorene Sohn wurde rückfällig. Sündigte erneut. Zerstörte sein Leben wieder.

Du kennst ihn – oder sie. Vielleicht ist es dein Bruder. Vielleicht ist es dein bester Freund. Vielleicht ist es dein Kind.

Oder vielleicht bist du es. Das, was du geschworen hast, nie wieder zu tun, hast du gestern Nacht getan. Du bist rückfällig geworden. Du hast den geraden und schmalen Weg verlassen. Du hast dein Herz dem Klopfen ehemaliger Vergnügen geöffnet, die dich einst zerstört haben.

Verlorene Söhne und Töchter landen immer wieder im Schweinestall. Ich weiss noch, wie es mir passierte.

Die Musik ist in der Nacht verklungen, die Schönwetterfreunde haben dich alle sitzen gelassen, und die vorübergehende Euphorie der sogenannten Freiheit wurde ersetzt durch die eisernen Fesseln der Scham.

Wenn du in die schwarzen Augen des nächstgelegenen schlammigen und stinkenden Schweins starrst, was siehst du? Du siehst dein Gesicht. Du siehst deine Seele. Du siehst und weißt, was du geworden bist.

Wieder.

In diesem Moment, tief in deinem Herzen, marschieren zwei Armeen zu einem verbalem Kampf auf. Himmel und Hölle streiten in dir.

Die Hölle schreit: „Jetzt hast du es wirklich getan. Du dummer Nichtsnutz. Hör doch! Hörst du, wie dein älterer Bruder spottet, wie er all seinen Freunden erzählt, dass er es wusste, dass er einfach wusste, dass du es wieder tun würdest. Hörst du, wie zum Gespött der Diener wirst? Hörst du die Gemeinde flüstern,  ‚Oh, ich vermutete, er hat das erste Mal nicht wirklich Busse getan‘? Du bist ein verlorener, einsamer, hoffnungsloser Fall. Du bist nicht mal mehr ein Mensch. Du bist ein Schwein. Und das wirst du immer bleiben.“

So spuckt die Hölle. So beschuldigt die Hölle.

Aber es gibt eine andere Stimme, die nicht schreit, sondern flüstert, tief in deinem Herzen. Es ist die Stimme des Himmels, der vertraute Klang der Stimme eines Vaters, der durch die langen Korridore der Hoffnung hallt, durch deine Ohren und hinab in die tiefsten, dunkelsten Höhlen deines Schmerzes.

Er beschuldigt nicht. Er tadelt nicht. Er formt nur zwei einfache Worte, in denen die ganze Weite der erlösenden Liebe des Himmels zusammengefasst ist: Komm heim.

„Komm heim, mein Sohn. Komm heim, meine Tochter.

Komm, auch wenn deine Hände noch den Futtereimer festhalten – es ist mir egal.

Komm, auch wenn dein Mund noch klebrig ist vom Lippenstift der Ausschweifung – es ist mir egal.
Komm, auch wenn dein Atem noch nach den vielen Litern von Alkohol riecht – es ist mir egal.

Komm, auch wenn dein ganzer Körper in Schweinestall-Schlamm getränkt ist – es ist mir egal.
Alles, was mir wichtig ist, bist du. Du bist alles, was zählt. Komm heim.“

Komm ein zweites Mal heim. Ein drittes Mal. Ein tausendstes Mal. Der Vater wird nicht auf der Veranda stehen, die Arme über der Brust verschränkt, und auf dich herabsehen, während du auf den Knien kriechst, um um Gnade zu bitten. Der Vater wird dir nicht geschmacklose Reste servieren und dich in der Hundehütte schlafen lassen.

Das zweite Mal, das dritte Mal, das tausendste Mal wird er wie ein Verrückter losrennen, um dich auf der Straße zu treffen, dich in die Arme zu schließen, dich zu küssen und zu befehlen, dass das gemästete Kalb gegrillt und das Fass angezapft wird.

Zweite und dritte Reue werden im Haus des Vaters nicht mit halbherzigen Partys begangen.

Er gibt alles, jedes Mal, wenn seine Söhne und Töchter aus dem fernen Land nach Hause kommen.

Komm heim. Die Haustür ist unverschlossen. Das Kalb ist gemästet. Und der Vater steht auf der Veranda, seine Hand beschattet die Sonne vor seinen Augen, er sucht den Horizont nach dem vertrauten Bild desjenigen ab, der sein kostbares, geliebtes Kind ist und immer bleiben wird.

Komm heim.


Übersetzt von Wolf Paul. Copyright © 2022 Chad Bird and 1517.org.

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  1. Chad Bird ist lutherischer Autor und Redner in Texas und Mitarbeiter bei 1517, einer Plattform theologischer und apologetischer Ressourcen[]

Zweiter Adventsonntag

Wolf Paul, 2023-12-10

Tagesgebet für den Zweiten Adventsonntag

Gepriesener Herr,
du hast die gesamte Heilige Schrift uns zur Belehrung schreiben lassen.
Schenke, dass wir sie so hören, überdenken und in unseren Herzen bewegen,
dass wir durch die Geduld und den Trost Deines Wortes
die selige Hoffnung des ewigen Lebens ergreifen und auch immer festhalten,
die Du uns in Jesus Christus, unserem Erlöser, verliehen hast.
Amen.

 

Aus dem Allgemeinen Gebetbuch der Anglikanischen Kirche in Deutschland

Segenslied der Woche

Wolf Paul, 2023-12-04

Als ich vor über fünfzig Jahren zu einem bewußten Glauben an Jesus fand, verbrachte ich zunächst ein paar Monate in England1, und kam dann in Wien in die von Abe und Irene Neufeld gegründete “Gemeinde Tulpengasse2.

Abe und Irene waren Missionare der kanadischen Mennonitischen Brüdergemeinden3. Sie waren 1953 mit ihren drei Söhnen nach Österreich gekommen und hatten  in Linz eine Gemeinde gegründet, waren dann aus familiären Gründen für eine Weile wieder in Kanada, bevor sie (diesmal ohne die inzwischen erwachsenen Söhne) nach Wien kamen. Sie hatten als Familie zwei Schallplatten mit “erwecklichen” Liedern aufgenommen, deutsche Übersetzungen klassischer amerikanischer Gospel-Songs.

Irgendwie kam ich in den Besitz einer dieser Schallplatten, und diese Lieder wurden für mich, Country-Fan der ich war (und teiweise immer noch bin), Teil der Klangkulisse meines Glaubenslebens, zusammen mit den katholischen, älteren und moderneren Kirchenliedern4 meiner Kindheit.

Wie so manche anderen Erinnerungsstücke habe ich diese Schallplatte (und andere, ähnliche, wie die von Hildor und Leo Janz5) im Laufe meiner vielen Übersiedlungen zwischen Wien und London und Dallas leider verloren, und diese Lieder werden heute in den Gemeinden auch kaum mehr gesungen.6

Nachdem ich mit zunehmendem Alter zunehmend nostalgischer werde, bin ich sehr froh, einen YouTube-Kanal gefunden zu haben, der voll ist von solchen “erwecklichen” Liedern auf Deutsch, sowie teilweise auf Spanisch und “Plautdietsch”7, gesungen von zwei jungen Männern aus der “Colonia Sommerfeld“, einer Mennoniten-Ansiedlung in Paraguay (womit sich der Kreis zu den Neufelds wieder schließt).

Der YouTube-Kanal von Jimmy Thiessen und Elmer Heinrichs heißt „Segenslied der Woche“.

Hier sind ein paar der Lieder, die meine Nostalgie befriedigen:

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  1. Ich arbeitete bei “Send the Light“, einem christlichen Buchgroßhändler, Teil von Operation Mobilisation[]
  2. Damals noch nicht in der Tulpengasse sondern in der Wohnung von Abe und Irene in der Fasangasse im 3. Bezirk; heute heißt die Gemeinde “Stadtlicht” und trifft sich in der Wiedner Hauptstraße.[]
  3. Die mennonitischen Brüdergeneinden sind eine Reformbewegung unter den sogenannten „Rußlandmennoniten“ und sind heute vor allem in Kanada zu finden; auch die Mennoniten in Österreich und Bayern gehen auf missionarische Bemühungen der mennonitischen Brüder zurück.[]
  4. Vor kurzem hab ich die Lieder von Schuberts „Deutscher Messe“ wiederentdeckt, ebenso die Lieder der sogenannten „Jazzmessen“, die größtenteils auf Melodien von Spirituals basierten.[]
  5. Die Janz-Brüder waren ebenfalls mennonitische Missionare aus Kanada, die vor allem mit Musik evangelisierten.[]
  6. Man mag das unterschiedlich bewerten, aber nach Liedern aus der Vineyard-Bewegung in den 1980ern und 1990ern dominieren heute Lieder aus amerikanischen und australischen “Megachurches” die Musik in den freikirchlichen Gemeinden im deutschen Sprachraum.[]
  7. „Plautdietsch“ oder „Mennonitenplatt“ ist die Sprache der sogenannten „Rußlandmennoniten“, die sich, aus Holland und Norddeutschland kommend, zunächst im westpreußischen Weichseldelta, und dann, auf Einladung von Katharina der Großen, im russischen Reich, vor allem im Gebiet der heutigen Ukraine, ansiedelten. „Plautdietsch“ ist eine Variante des Niederdeutschen mit Einflüssen aus dem Weichseldelta und wird heute von etwa einer halben Million Menschen, vor allem in Kanada und Lateinamerika, gesprochen. Mit einiger Anstrengung kann ich es verstehen.[]

Erster Adventsonntag

Wolf Paul, 2023-12-03

Tagesgebet für den ersten Adventsonntag

Allmächtiger Gott,
verleihe uns die Gnade in diesem vergänglichen Leben, in das dein Sohn Jesus Christus in
großer Niedrigkeit uns zu besuchen kam,
dass wir die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anlegen,
damit wir am jüngsten Tag,
wenn er in seiner herrlichen Majestät wiederkommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten,
auch wir zum unsterblichen Leben auferstehen werden.
Durch ihn, der mit dir und dem Heiligen Geist
lebt und regiert, jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen.

(Aus dem “Allgemeinen Gebetbuch” der Anglikanischen Kirche in Deutschland)

Die Krise der nachchristlichen Kultur

Wolf Paul, 2023-11-11

in sehr interessantes und provokantes Video des katholischen Podcasters und ehemaligen anglikanischen Priesters Gavin Ashenden1:

«Der große Fehler in der Verteidigung der westlichen Zivilisation scheint zu sein, dass sie den Glauben, der sie geschaffen hat, aufgegeben hat: das Christentum. Sie hat sich freiwillig und energisch vom Christentum losgesagt. Christen und liberale Säkularisten werden am kommenden Gedenkwochenende vor einer ernsten Herausforderung stehen, wenn, wie es wahrscheinlich ist, islamische Proteste “überkochen” und sich mit den Überresten der Erinnerungskultur konfrontieren.

Werden all die Säkularisten erkennen, dass der genussorientierte Konsumismus ideologisch nicht stark genug ist, um Grenzen zu setzen, um die islamische Expansion und den missionarischen Ehrgeiz einzudämmen? Sie haben sich bisher geweigert, dies zu glauben. Und wenn die Säkularisten zu ihren eigenen Grenzen und ihrer existentiellen Instabilität erwachen, wohin werden sie sich dann wenden?

Sie werden nur drei Möglichkeiten haben:

  • Mehr säkularen Pseudofortschritt, bei dem der Drache seinen eigenen Schwanz frisst und in immer größere Inkohärenz und Widerspruch gerät, während die DIE-Agenda (Diversity, Inclusion and Equity) ihn in einen wachsenden totalitären Wahnsinn saugt;
  • oder den Islam selbst, der wieder  andere Formen totalitärer Kontrolle verspricht, wie wir am Beispiel des Iran sehen;
  • oder drittens das Christentum und die christliche Kultur, in der Freiheit des Gewissens, Freiheit der Wahl, die Würde des Einzelnen als Ebenbild Gottes, der Vorrang der Vergebung und das Versprechen jener grundlegenden Freiheiten, die wir für selbstverständlich gehalten haben, angeboten werden.»

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  1. Gavin Ashenden ist ein ehemaliger anglikanischer Priester, der vor vier Jahren zur römisch-katholischen Kirche konvertierte, nachdem er von dem zunehmenden Revisionismus der Church of England desillusioniert war. Heute ist er Laie und schreibt und podcastet über aktuelle Themen in Kirche und Welt.[]

Einige Gedanken zu den aktuellen Ereignissen

Wolf Paul, 2023-11-04

Ein Gastbeitrag von James M. Kushiner1 von Touchstone2.


Lass mein Gebet vor dich kommen:
Neige dein Ohr zu meinem Schreien;
Denn meine Seele ist voller Leiden;
und mein Leben naht sich dem Grabe.

Gute Nachrichten scheinen schwer zu finden zu sein. Das liegt wahrscheinlich daran, dass man zu viel Aufmerksamkeit auf „aktuelle Ereignisse“ statt auf das ewige Ereignis der frohen Botschaft Jesu Christi legt.

Natürlich sind aktuelle Ereignisse wichtig. Nur Herzen aus Stein können das menschliche Leid durch die jüngste Gewalt und Tragödie, die aus dem Abgrund menschlicher Verderbtheit und Sünde überquellen, ignorieren: das brutale Abschlachten von Zivilisten durch die Hamas; der Tod von achtzehn Menschen in Lewiston, Maine, durch einen geistig gestörten Einwohner; der Tod von Zivilisten durch Raketenangriffe in Israel und dem Gazastreifen und in der Ukraine. Näher zu Hause wurde ein 6-jähriges Kind einer muslimischen Familie von einem Mann erschossen, der Muslime töten wollte nach dem Angriff der Hamas; und die wöchentliche Tötung junger Chicagoer durch andere junge Chicagoer mit Schusswaffen.

Bei jedem dieser Vorfälle sind die Leben der Überlebenden zerstört, Trauma setzt ein und der Schatten des Bösen verdunkelt das Licht des Lebens. Eltern trauern um erschlagene Kinder, Ehepartner um verlorene Ehepartner; Beerdigungen sind geprägt vom Gespenst der Grausamkeit der Gewalt. Die Medien berichten einige Fakten, können aber letztlich wenig oder nichts über das „Warum“ erklären. Das Böse ist real und der Mensch allein hat keine Heilung.

Die von den Lebenden zurückbehaltenen Wunden können bestenfalls teilweise geheilt werden und hinterlassen Narben. Im schlimmsten Fall eitern Wunden und entwickeln sich zu tieferen Wunden, die in Depression, Sucht, sogar zum Verlust des Lebens führen können. Die Therapie, die vielen angeboten wird, ist ein Pflaster, das Symptome lindern, aber letztlich nicht heilen kann.

Der häufigste Gedanke für viele muss sein: „Wo ist Gott?“ Wie Gott, wie sie ihn sich vorstellen, in das passt, was sie gerade erlebt haben, ist für sie nicht greifbar.

Das Nachdenken über solche Dinge brachte mich zurück zu einem Artikel von Stephen Muse, der vor zehn Jahren in Touchstone veröffentlicht wurde: „No Dead Man’s Prayer: on the Suffering of Faith & the Paradox of Psalm 88.“ Es ist der dunkelste der Psalmen in dem Sinne, dass es nur die dünnste Hoffnung gibt, die am Anfang angesprochen wird: „O Herr, Gott meines Heils…“ Aber darauf folgt hart ein Katalog von Beschwerden und Leiden, die oft Gott zugeschrieben werden: „Du hast mich in die Tiefen der Grube gelegt… Du hast bewirkt, dass meine Gefährten mich meiden…“ und der Psalm endet mit Dunkelheit.

Die Geschichte Israels verläuft nicht von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, obwohl die Herrlichkeit immer wieder durchbricht. Und wenn sie es tut, ist es eine Herrlichkeit, die als fester Bezugspunkt leuchtet, eine Herrlichkeit, die nicht verweigert werden wird, die Quelle der sicheren Verheißungen von Erlösung und Heil, die erfüllt werden, während alle Spreu und alles Böse dieser Welt verzehrt wird, wenn Gott selbst „jede Träne von ihren Augen abwischen wird.“ Die Welt ohne Gott ist einfach dunkel.

Die Skeptiker und Atheisten nennen das Wunschdenken. Aber es gibt unter uns Menschen, die wissen, dass es wahr ist. Sie haben Missbrauch, Trauma, Leid, Herzschmerz und Verlust erlitten, aber echte Heilung in der niemals schwindenden Liebe Christi gefunden, die durch die Heilige Schrift, die Psalmen, die geistige Lieder und das Leben anderer, Heiliger in der Gemeinschaft namens Kirche sichtbar wird. Sie haben Glauben, wie Stephen Muse schrieb: „… echter Glaube ist mehr wie das, was mir ein sich erholender Crack-Abhängiger einmal sagte, ‘Du weißt nicht, dass du Glauben hast bis Glaube alles ist, was du hast.'”

Manchmal sind wir nicht stark genug, um Hilfe zu suchen. Glaube ist schwer. Wir fühlen uns gelähmt, unfähig zu handeln. Wir könnten uns mit dem Gelähmten im Markus-Evangelium identifizieren, der von seinen Freunden durch ein Loch im Dach in den überfüllten Raum hinabgelassen wurde, in dem Jesus predigte. „Und als Jesus ihren Glauben sah“, verkündete er die Vergebung der Sünden des Gelähmten, dann sagte er: „Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ Der Gelähmte hatte gerade genug Glauben, um sich dem verzweifelten Versuch seiner Freunde zu unterwerfen, ihn heil zu sehen.

Wenn wir manchmal nur wenig Glauben haben, sind wir umgeben von ewigen Freunden in Christus. Wir können uns an andere wenden, die Christus vertrauen. Wir können uns auf Christi eigenen Glauben verlassen und uns an ihn klammern. Verletzt, verwundet, wütend, verwirrt – wir können eintreten, wo zwei oder drei in Christi Namen versammelt sind, eine Kirche oder Gemeinde, wo die Psalmen gebetet werden. Höre auf das Evangelium. Höre und sage die Worte, die so viele in den Evangelien und auf der ganzen Welt seit Jahrtausenden gesprochen haben: Kyrie, eleison! Herr, erbarme dich! Denn er ist der philanthropos, der Menschenfreund. Bei ihm finden wir Barmherzigkeit in den dunkelsten Zeiten.


Dieser Beitrag von James M. Kushiner wurde ursprünglich im E-Mail Newsletter von Touchstone im November 2023 veröffentlicht. Copyright ©2023 by Fellowship of St. James. Hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors. Übersetzung: Wolf Paul

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  1. James M. Kushiner ist emeritierter Chefredakteur der Zeitschrift Touchstone und Verlagsleiter der Fellowship of St. James.[]
  2. Touchstone, “A Journal of Mere Christianity”, wird von der Fellowship of St. James herausgegeben und betont jenen traditionellen Kern des historischen Christentums, der uns alle, unabhängig von Konfessionen und kirchlichen Traditionen, vereint.[]

Der Große Austausch

Wolf Paul, 2023-09-13

Chad Bird:1

Hier ist der Vers,der für mich auf den Punkt bringt, worum es beim Christentum letztlich geht, was die Frohbotschaft des Christentums ist, die wir der Welt anbieten. Es handelt sich dabei um den letzten Vers von 2. Korinther 5:

Gott hat Ihn, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in Ihm Gerechtigkeit Gottes würden.

Das wird manchmal „der große Austausch“ genannt. Denn Jesus nimmt unsere Sünde auf Sich: Gott hat Ihn, der keine Sünde kannte, zu unserer Sünde, zu alldem, was uns von Gott trennt, gemacht. Das ist, wozu Jesus am Kreuz wurde. Er wurde der Sünder, Er wurde Sünde – unsere Sünde, meine Sünde, deine Sünde, die Sünde der ganzen Welt, der ganzen Menschheit – dazu wurde Jesus am Kreuz. Er war die ganze Menschheit reduziert auf eine Person, die ganze sündige Menschheit reduziert auf eine Person. Dazu wurde Jesus am Kreuz. Warum?

Damit wir in Ihm die Gerechtigkeit Gottes würden. Indem Er unsere Sünde auf sich genommen hat, gibt Er uns Seine Gerechtigkeit. Indem Er unseren Tod auf sich genommen hat, schenkt Er uns Sein Leben. Das ist der Große Austausch: Jesus wird zu all dem, was uns vom Vater trennt, damit wir in Jesus mit dem Vater versöhnt, zu Ihm gezogen werden.

Das ist die Frohbotschaft, die gute Nachricht. Das ist die beste Nachricht. Und sie richtet sich an dich, sie richtet sich an mich, sie richtet sich an die ganze Welt. Es gibt niemanden, für den Jesus nicht Sünde wurde, damit sie oder er in Ihm, durch den Glauben an Ihn, zur Gerechtigkeit Gottes würde.

 

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  1. Chad Bird ist Theologe bei 1517.org. Er hat als Pastor, Professer, und Gastlehrer für Altes Testament und Hebruaisch gedient. Er hat Master-Abschlüsse vom Concordia Theological Seminary und vom Hebrew Union College. Er hat Artikel geschrieben für Christianity Today, The Gospel Coalition, Modern Reformation, The Federalist, Lutheran Forum, und andere Zeitschriften und Webseiten. Er ist Autor einiger Bücher, einschließlich seines letzten, Limping with God: Jacob and the Old Testament Guide to Messy Discipleship („Hinkend mit Gott: Jakob und der alttestamentliche Leitfaden für chaotische Jüngerschaft“). Er ist auch Co-Moderator des populären Podcasts, 40 Minutes in the Old Testament („40 Minuten im Alten Testament“).[]