Das G’frett mit dem Gendern

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Es is scho a G’frett mit dem Gendern:

In einem sehr interessanten Artikel mit dem Titel “A Eitrige mit an Buggl” beschreibt der stellvertretende auto  touring Chefredakteur Alexander Fischer die sieben besten Würstelstände in Wien sowie die Tauglichkeit des Honda Civic Type R Heckflügels als Stehtischchen.

Aber was mir gleich in den ersten paar Absätzen aufgefallen ist:

Warum schreibt Herr Fischer zwar von den Leser:innen und Wiener:innen, nicht jedoch von den Veganer:innen, Bruncher:innen, und Nachtschwärmer:innen?
Und auch die Würstelmänner und die (deutschen) Touristen scheints nur männlich zu geben. Ist auto touring nur selektiv inklusiv? Werden sich da die Veganerinnen, Bruncherinnen, Nachtschwärmerinnen, Würstelfrauen und Touristinnen nicht ausgegrenzt und diskriminiert fühlen?

Nun: Ich finde die Veganer, Buncher, Nachtschwärmer und Touristen genauso wenig sexistisch oder diskriminierend wie der Mensch; das ist jeweils ein generisches Maskulinum, eine grammatische Form, die beide Geschlechter umfaßt.  [1]

Der Rat für deutsche Rechtschreibung (RdR), die Regulierungsinstitution der Rechtschreibung des Standardhochdeutschen für Deutschland, Österreich, die Schweiz, Südtirol, Liechtenstein und die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, empfiehlt übrigens, auf Binnen-I, Gender-Sternchen, Gender-Doppelpunkt und andere fragwürdige Konstrukte zu verzichten, und bei Bedarf “Leserinnen und Lesern”, “Wienerinnen und Wienern”, “Touristinnen und Touristen”, usw., zu schreiben.

 

Das Titelbild, Würstelstand Kaiserzeit bei der Augartenbrücke in Wien 2, stammt von Guggerel und ist frei verfügbar unter der CCO-Lizenz.

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  1. Das generische Maskulinum umfaßt sogar alle Geschlechter, wenn man, aus welchen Gründen auch immer, an die Existenz einer Vielzahl von Geschlechtern glaubt, im Gegensatz zu den diversen komischen Genderkonstrukten, die nur Männlein und Weiblein umfassen. Das “generische Maskulinum” ist daher fortschrittlicher und inklusiver als alle Genderkonstrukte 😉 .[]
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“Diese Rufnummer ist nicht vergeben.”

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Ich habe soeben einen Anruf von der Rufnummer +43684937284 erhalten.

Die sehr freundliche Dame (sie sprach Deutsch mit ausländischem Akzent) sagte, sie rufe von Microsoft an und fragte mich, ob ich einen Microsoft-Computer besitze. Auf meine bejahende Antwort wurde ich zu einem ebenso freundlichen Herrn (auch der sprach Deutsch, aber mit einem etwas anderen ausländischen Akzent) verbunden, der mich informierte, daß er der Cheftechniker bei Microsoft sei, daß ich ein Internet-Problem auf meinem Microsoft-Computer habe und all meine Daten ausspioniert würden.

Auf meinen Einwand, daß ich kein Problem habe, antwortete er, schon etwas weniger freundlich, daß ich ein normaler Benutzer sei und keine Ahnung davon habe, wovon ich rede.

Als ich erwiderte, daß ich sehr wohl eine Ahnung habe, hängte er auf.

Schade, denn ich hätte ihn so gerne gefragt, woher Microsoft meine Rufnummer hat, und warum sie mich von einer österreichischen Mobilfunk-Rufnummer anrufen. Dann hätte ich ihn gerne gefragt, wenn es denn stimmen würde, daß alle meine Daten ausspioniert werden, warum Microsoft dieses Problem nicht schon längst durch ihre automatischen Updates beseitigt hat. Und ich hätte ihn gerne gefragt, warum bei einer Riesenfirma wie Microsoft der “Cheftechniker” Kundensupport-Anrufe macht. Aber zu meinen Fragen bin ich gar nicht gekommen.

Oh, bevor ich es vergesse: ich habe diese Rufnummer dann versucht, zurückzurufen, weil ich es als sehr rüde und unhöflich empfand, daß der Typ einfach aufgelegt hat. Das Resultat: “Diese Rufnummer ist nicht vergeben.”

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Der McDonald Test

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Dieser Artikel erschien vor ein paar Jahren in der englischsprachigen Zeitschrift der Bruderhof-Gemeinschaft, und obwohl er sich naturlich in erster Linie auf die Situation in den USA bezieht, glaube ich, daß er auch für uns hier im deutschsprachigen Europa wertvolle Gedankenanstöße und Lektionen enthält; deshalb gibt es ihn hier in deutscher Ubersetzung. Links auf das englische Original sowie Informationen über die Bruderhof-Bewegung und ihre Niederlassungen in Österreich gibt es am Ende des Artikels.

Der McDonald’s-Test
Das Amerika der hintersten Reihe lieben zu lernen

Von Chris Arnade
3. Juli 2019

Chris Arnade, einst Wall-Street-Banker, reiste drei Jahre lang kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten, um „die Orte zu besuchen, an die man nicht gehen sollte“. Seine Reisen führten ihn von der Bronx über die Ozarks nach East Los Angeles. Was er gelernt hat, teilt er in „Dignity“, einem brandheißen neuen Buch voller Essays und Fotojournalismus. Peter Mommsen von Plough traf sich mit ihm, um über Fast-Food-Läden, Ladenkirchen, Leistungsgesellschaft und die Frage zu sprechen, ob man Bettlern Geld geben sollte.

Plough: Was hat Sie dazu bewogen, dieses äußerst zeitaufwändige Projekt zu starten?

Chris Arnade: Es begann im Jahr 2012, als ich Anleihenhändler für eine renommierte Wall-Street-Bank war. Ich hatte das bereits zwanzig Jahre gemacht und wollte mehr von der Welt sehen. Also begann ich, lange Spaziergänge durch New York City zu unternehmen. Und schon bald fand ich mich an Orten, von denen mir die Leute in meiner sozialen Schicht abgeraten hatten, dorthin zu gehen.

Einer davon war Hunts Point, ein Viertel in der South Bronx[1], das als Zentrum für Drogen und Prostitution gilt. Letztendlich habe ich dort drei Jahre verbracht. Ich kam Obdachlosen, Sexarbeiterinnen und Süchtigen sehr nahe – einige ihrer Geschichten kommen in dem Buch vor. Es war einfach mein Versuch, Menschen zuzuhören, denen sonst niemand zuhören würde.

Im Jahr 2015 beschloss ich, mich auch mit anderen Orte in den Vereinigten Staaten zu beschäftigen, die ignoriert werden oder über die negativ gesprochen wird. Orte wie Lewiston, Maine, Bakersfield, Kalifornien oder El Paso, Texas.

In dieser Zeit haben Sie über 240.000 Kilometer zurückgelegt. Welche Motivation hat Sie am Laufen gehalten?

Eine Motivation war politischer Natur: ein Gefühl der Empörung. Wenn man in Hunts Point geboren wird, gibt es viele Dinge, die gegen einen sprechen. Es scheint, als wäre unser gesamtes Rechts-, Wirtschafts- und Kultursystem gegen diese Kinder gerichtet. Dennoch unterscheiden sie sich nicht von den Menschen, die man in der Upper East Side[2] findet – sie sind nicht dümmer, sie sind nicht weniger fleißig. Hier war ich, jemand, der zwanzig Jahre lang ein angenehmes Leben in New York geführt hatte und sich selbst als Liberalen betrachtete, in dieser Stadt, in der schreckliche Armut und Ungerechtigkeit herrschen. Ich wollte herausfinden, ob das auch anderswo der Fall ist.

Die zweite Motivation war persönlicher Natur. Die ersten ein oder zwei Jahre, in denen ich an diesem Projekt arbeitete, waren surreal, da ich noch an der Wall Street arbeitete. Am Wochenende oder abends bin ich mit meiner Kamera in „raue“ Viertel gegangen und habe mit Leuten gesprochen. Letztendlich habe ich mich entschieden, meinen Job aufzugeben und das zu tun, was ich jetzt tue, weil ich glücklicher war – glücklicher bin. Es ist ein sehr egoistischer Grund. Aber ich fühlte mich unter den Leuten in Hunts Point wohler als unter den Leuten an der Wall Street.

Fußballmannschaft der High School in Lewisto, Maine, wo es eine starke somalische Gemeinde gibt

Als Sie eine heruntergekommene Stadt in Missouri besuchten, begrüßten Sie die Einheimischen mit den Worten: „Sie müssen hier sein, um über Crystal Meth zu schreiben.“ Wie vermeidet ein Buch über arme Orte Voyeurismus?

Der Ausdruck, den die Leute dafür verwenden, ist „Armutsporno“. Mein Comeback ist: „Ich denke, wir brauchen etwas mehr Armutspornos. Wir haben genug Luxuspornos.“

Natürlich gibt es eine schlechte Art, über die Menschen an diesen Orten zu schreiben. Ich denke, es geht ausschließlich um Methodik und Absicht. Ich gehe manchmal in Ort- oder Nachbarschaften, ohne vorher etwas darüber zu lesen, um keine vorgefassten Meinungen mitzubringen.

Ein Ort, den ich besuchte, war Prestonsburg, Kentucky. Das Zentrum dieser Ortschaft ist ein Platz mit einem McDonald’s und einem Walmart.[3] Jeden Tag, als ich dort war, sah ich einen Mann, der draußen auf einem Picknicktisch Zigaretten rauchte; Er arbeitete in einer Nachtschicht in einem der Geschäfte. Jeden Tag weigerte er sich zu reden. Nach zwölf Tagen sagte er: „Gut, Sie können ein Foto von mir machen.“ Wir unterhielten uns, er gab mir ein paar Zitate und wir lachten. Am Ende sagte er: „Erzählen Sie nicht nur die Geschichte, wie Prestonsburg voller Drogen und Süchtiger ist. Ich hoffe, Sie erzählen auch die Geschichte darüber, dass wir gute Menschen sind.“

Das ist meine Absicht mit diesem Buch. In allen Ortschaften und Nachbarschaften, die ich besuchte und die so unterschiedlich waren, spürte ich den gleichen Wunsch nach Würde.

Unterwegs haben Sie achthundert McDonald’s-Restaurants besucht. Warum?

Mein altes Ich, mein erfolgreiches Anleihenhändler-Ich, hielt McDonald’s immer für einen peinlichen Ort, den ich nie aufsuchen würde. Aber als ich anfing, Hunts Point zu besuchen, aß ich ständig bei McDonald’s. Es war einer der wenigen öffentlichen Orte in der Nachbarschaft, die funktionierten.

Ich freundete mich eng mit einigen obdachlosen Heroinsüchtigen an, und ihr Leben drehte sich in vielerlei Hinsicht um McDonald’s. Hier gehen sie auf die Toilette, um sich zu waschen. Hier können sie ihr Telefon anschließen und aufladen. Hier können sie einfach eine Stunde lang ruhig dasitzen und ungestört der Hitze oder Kälte entfliehen. Dort bekommen sie auch günstiges Essen. Ich respektiere das Essen vielleicht nicht aus ethischen Gründen, aber es ist billig und schmeckt gut. Für Leute, die nicht viel Geld haben, zählt das viel. Da herrschte ein echtes Gemeinschaftsgefühl.

Mir wurde klar, dass die McDonald’s-Restaurants im ganzen Land tatsächlich Gemeinschaftszentren waren. In Städten, in denen die Dinge wirklich nicht funktionieren, in denen staatliche Dienste versagen und gemeinnützige Organisationen und der Privatsektor den Menschen nicht helfen, ist McDonald’s einer der wenigen Orte, der noch geöffnet ist, noch über funktionierende Toiletten verfügt und wo das Licht brennt.

Schließlich kam ich auf den sogenannten McDonald’s-Test. Die allgemeine These meines Buches ist, dass unsere Gesellschaft die Menschen in das einteilt, was ich die erste und die hintere Reihe nenne – die privilegierte Klasse, zu der ich früher gehörte, die finanziell abgesichert ist und in sicheren Gegenden mit guten Schulen und öffentlichen Dienstleistungen lebt – und alle anderen. Der Test besteht darin, eine Person zu fragen: Wie sehen Sie McDonald’s? Meiner Erfahrung nach verrät die Antwort meist, ob jemand zur ersten oder zur hinteren Reihe gehört.

Ich verstehe die Anti-McDonald’s-Stimmung – was diese riesigen globalen Konzerne in dieser hart umkämpften, extrem materialistischen Welt getan haben. Diesen Unternehmen geht es darum, in die Nachbarschaften zu kommen, dort Geld zu verdienen und es wieder herauszunehmen, und natürlich trifft das auch auf McDonald’s zu.

Aber die Realität ist, dass McDonald’s im Leben armer Menschen wichtig ist. Die Menschen wollen wirklich ein Gemeinschaftsgefühl – sie sehnen sich so sehr nach dem Sozialen, dass sie Gemeinschaften an Orten bilden, die ausschließlich auf Transaktionen ausgerichtet sind. McDonald’s ist natürlich darauf ausgelegt, dich so schnell wie möglich rein- und wieder rauszuholen. Aber was ich fand, waren Gruppen für alte Männer, Gruppen für alte Frauen, Bibelstunden und Schachspiele.

Bingo-Tag in einem McDonald’s in Louisiana

Sie haben auch viele Kirchen besucht. Wie war das für mich als Atheist?

Als ich anfing, war ich auf jeden Fall Atheist; jetzt ist es komplizierter. Ursprünglich ging ich aus dem gleichen Grund in die Kirche wie zu McDonald’s: Die Leute, mit denen ich sprach, gingen dorthin. Ich machte keinen Unterschied, sondern ging einfach in die Kirche oder Moschee, die es dort gab, von der Religion, die die Bevölkerung widerspiegelte.

So wie McDonald’s, funktionierten auch die Kirchen. Sie waren oft die einzigen Einrichtungen, die beleuchtet und funktionsfähig waren; Normalerweise handelte es sich dabei um Ladenkirchen[4]. Man ging eine Straße entlang, die mit Brettern vernagelt war, verlassene Gebäude und dann war da eine Kirche. Ihre Türen waren nicht geschlossen.

In meinem Buch gibt es nicht viele Erfolgsgeschichten – es gibt fast niemanden, der aus einem negativen Lebensstil herausgekommen ist. Die einzigen Menschen, denen es gelang, taten es durch den Glauben – durch die Kirche. Und so empfand ich zunächst widerwilligen Respekt und dann vollen Respekt vor dem, was die Kirchen tun.

Viele der Menschen, die Sie getroffen haben und deren Lebensstil im Widerspruch zum traditionellen Glauben steht – zum Beispiel eine transsexuelle Prostituierte – stellen die Bibel immer noch in den Mittelpunkt ihres Lebens.

Wenn Sie in ein Crack-Haus gehen, finden Sie eine Bibel oder einen Koran. Es werden alle möglichen verrückten Dinge passieren, aber sie werden religiöser Natur sein. Ein Teil davon ist der Öffentlichkeitsarbeit geschuldet: die Religionsgemeinschaften leisten hervorragende Arbeit im Dienst an den Armen. Aber sie finden auch in der Bibel und in den Kirchen eine Gemeinschaft, die sie versteht. Ja, es gibt religiöse Kreise, die sie verurteilen, aber die meisten dieser Kirchen verlangen nicht viel. Sie sagen: „Versuche, diesen Lebensstil zu leben, und wir werden dich akzeptieren.“

Ich denke auch, dass das, was sie in der Bibel sehen, eine Akzeptanz des Scheiterns ist, oder zumindest die Erkenntnis, dass jeder ein Sünder ist und dass wir alle gefallen sind und dass wir das alles nicht wirklich verstanden haben. Und dass es da draußen etwas gibt, das größer ist als wir. Wenn Sie in einem Crack-Haus leben und die enormen Ungerechtigkeiten dieser Welt auf einer emotionalen Ebene sehen, ist die Vorstellung, dass dies alles ist, was existiert, überhaupt nicht verlockend.

Menschen wie ich – wohlhabend, gebildet, wissenschaftlich – haben sich von den Beweisen des Glaubens entfernt. Ich denke, es ist viel einfacher, die Bibel als etwas Wichtiges zu betrachten, wenn man auf der Straße lebt und die Sterblichkeit, das Scheitern und die Demut versteht.

Wie haben Ihre Reisen Ihre Ansichten über Erfolg und Leistungsgesellschaft verändert?

In unserer Gesellschaft beurteilen wir einander nach Bildung – die Idee dahinter ist, dass Bildung das Wichtigste im Leben ist und dass es du selbst schuld bist, wenn du dabei versagst. Selbst in höflicher Gesellschaft kann man sich über jemanden lustig machen, der in der Schule nicht gut abschneidet. Wir haben nicht nur ein System, das Bildung belohnt, wir haben auch eine sehr enge Definition dessen, was Klugheit bedeutet.

Portsmouth, Ohio

Diese Denkweise ist zutiefst materialistisch und beruht auf der Vergötterung von Qualifikationen, in der Regel einem Universitätsabschluss. Der Erfolg hängt dann davon ab, wie viel Geld Sie verdienen und wie viele Diplome Sie sammeln.

Das Problem bei einer solchen Definition von Erfolg besteht darin, dass man zwar leicht messen kann, wie viel Bildung oder Geld jemand hat, es aber sehr schwierig ist, den Wert davon zu messen, gute Eltern zu sein oder sich dafür zu entscheiden, in seiner Heimatstadt zu bleiben und sein Leben damit zu verbringen, einen Beitrag zu ihr zu leisten. Wenn es uns mit einer meritokratischen Denkweise nicht gelingt, Dinge zu finden, die wir beziffern können, neigen wir dazu, ihren Wert zu übersehen.

Wie sehen alternative Erfolgsformen aus?

Als ich Zeit in Ost-Los Angeles verbrachte, einem größtenteils mexikanisch-amerikanischen Viertel, ging ich immer zu einem McDonald’s, um meine Notizen zu machen. Mir ist dort jeden Abend eine junge Frau aufgefallen. Ich fragte: „Warum bist du jede Nacht hier?“ Sie sagte: „Ich brauche das WLAN. Wir haben zu Hause kein Geld dafür.“ Sie ging zu einem Community College[5]in der Nähe.

Als sie herausfand, dass ich aus New York komme, erzählte sie mir, dass sie dort gerne zur Schule gehen würde. Ich bot ihr an, Kontakte zu guten Schulen zu vermitteln, aber sie sagte, das sei nicht möglich. Es stellte sich heraus, dass sie die älteste Tochter einer sechsköpfigen Familie war und die Übersetzerin für die Familie.

Gemessen an den üblichen Maßstäben des Erfolgs war es dumm, die Chance ausgeschlagen zu haben. Aber ich weiß nicht, ob das stimmt. Sie wollte für ihre Familie da sein.

In Reno, Nevada, traf ich einen afroamerikanischen Teenager, der die Chance, eine Universität außerhalb des Bundesstaates zu besuchen, abgelehnt hatte und stattdessen ein örtliches Community College besuchte. Sein Hauptgrund war, dass seine Mutter nach zwölf Jahren Sucht nüchtern war und er für sie da sein musste.

Ich bin der Meinung, dass diese beiden Kinder die richtige Entscheidung getroffen haben. Wenn Sie mir diese Geschichte vor zehn Jahren erzählt hätten, hätte ich das wahrscheinlich nicht gedacht. Es besteht das Gefühl, dass wir alle unabhängige Franchise-Unternehmen sein sollten, die einfach dorthin ziehen, wo wir wollen. Es gibt kein Ortsgefühl.

Welche Lektion war für Sie am schwierigsten zu lernen?

Als ich mit diesem Projekt begann, wollte ich den Drogendealern und Sexarbeitern in Hunts Point helfen. Nach ein paar Jahren wurde mir klar, dass ich die Realität der Menschen, denen ich angeblich helfe, nicht verstand.

Ich habe gelernt, dass die Realität der gebildeten Elite ganz anders ist als die Realität der Arbeiterklasse. Es reicht von dem, was man denkt, über das, was man isst, über den Ort, wo man einkauft, bis hin zu den Personen, mit denen man verkehrt. Diese Entfernung, diese Trennung bedeutet, dass man sich mit der Zeit immer weniger versteht. Die gebildete Elite versteht die Arbeiterklasse nicht und umgekehrt. Es geht in beide Richtungen, aber es ist die gebildete Elite, die sich zurückgezogen hat.

Nehmen Sie Walmart. Es gibt viele Gründe, Walmart nicht zu mögen, aber wenn Sie die Einwandererbevölkerung in einer Stadt kennenlernen möchten, beginnen Sie mit Walmart. Natürlich gehen viele Leute aus der Mittelschicht zu Walmart, aber im Allgemeinen gehen sie nicht um zwei Uhr morgens hin, wo es dann am interessantesten is. Viele Walmarts haben diese wunderbare Regelung, die es Menschen erlaubt, über Nacht zu parken, sodass Obdachlose in ihren Autos auf Walmart-Parkplätzen schlafen und dann morgens die Walmart-Toiletten benutzen. Ich fand, dass diese Geschäfte einer der besten Orte sind, um Menschen zu begegnen, die oft unsichtbar sind.

Gebildete Menschen, die ich die erste Reihe nenne, verstehen solche Details des Lebens nicht. Aber sie verstehen auch nicht, wie die Leute in der hinteren Reihe denken und worauf sie Wert legen – oft auf Familie, Ort und Glauben, nicht auf Karriere und Qualifikationen.

Ich befürchte, dass die Kluft inzwischen so groß ist, dass wir zwei verschiedene Sprachen sprechen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich zwischen den beiden übersetzen konnte.

300 Meter entfernt von er mexikanischen Grenze in E Paso, Texas

Einwanderung ist in den meisten westlichen Ländern zu einem politisch heissen Thema geworden. Kritiker der Einwanderung behaupten, dass sie die kulturelle Identität verwässere und so die Volksgemeinschaft schwäche, insbesondere in Arbeitervierteln. Haben Sie festgestellt, dass dies der Fall ist?

Nichts könnte falscher sein als diese Aussage. Das Einzige, was in diesen Städten funktioniert, ist oft die Einwanderergemeinschaft. Lewiston, Maine, war bis 1998 ausschließlich weiß und christlich – nach der Ankunft somalischer Einwanderer sind es jetzt 15 Prozent Schwarze und Muslime. Sie haben eine leere, verlassene Innenstadt in einen lebendigen Teil der Stadt verwandelt.

Für mich als Südstaatler, der die letzten Jahrzehnte in New York verbracht hat, war es oft ein Schock, kleine Städte im Süden zu besuchen und eine blühende mexikanisch-amerikanische Gemeinschaft vorzufinden. Oftmals sind sie die Einzigen, die familiengeführte Restaurants und Geschäfte in leerstehenden Stadtvierteln betreiben.

Man kann jedoch nicht leugnen, dass die Geschwindigkeit des Wandels in diesen Städten vielen älteren Menschen Angst macht. Nachbarschaften, die seit zweihundert Jahren ein starkes Gefühl der lokalen Identität haben, werden plötzlich auf den Kopf gestellt. Viele dieser Nachbarschaften haben sehr gelitten und Einwanderer können leicht zum Sündenbock werden.

In Lewiston traf ich zum Beispiel einen Weißen aus der Arbeiterklasse, einen Vietnam-Veteranen. Seit dreißig Jahren läuft es für ihn nicht mehr gut; er lebt hin und wieder in Sozialwohnungen; er ist immer wieder abhängig von der Sucht. Jede Woche, wenn er an der örtlichen Tafel[6] seine Essensration abholt, muss er in der Schlange stehen – und in den letzten Jahren musste er länger warten, weil die Hälfte der Menschen vor ihm Somalier sind. Ich werde die Worte, die er gesagt hat, nicht wiederholen. Sie waren nicht angenehm, aber es ist leicht zu erkennen, wie er dorthin gekommen ist. Für ihn ist es leicht, Einwanderung als Schuldigen auszumachen.

Sie schlagen vor, dass Rassismus eine Sache ist, die sich möglicherweise weniger verändert hat, als die Leute zugeben möchten.

In den Vereinigten Staaten herrscht schrecklicher Rassismus, der weder geleugnet noch gemildert werden kann. Was jedoch vergessen wird, ist, dass die fortschrittlichsten Städte oft die am stärksten getrennten Städte sind. Wir neigen dazu, uns auf die hässlichen Vorfälle von Rassismus zu konzentrieren, die in der weißen Arbeiterklasse passieren, und ignorieren den Rassismus der Eliten, der weniger offenkundig ist, weil er strukturell ist. Es geht um die Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften,, darum, wo die besten Schulen sind, wer eher verhaftet oder inhaftiert wird und wo es gute Arbeitsplätze gibt.

Mein Besuch in Milwaukee, einer Stadt, die bekannt ist für ihre fortschrittliche Politik, hat mir das gezeigt. Historisch gesehen war die afroamerikanische Gemeinschaft absichtlich auf ein winziges Viertel der Stadt beschränkt, und sie konzentriert sich auch heute noch größtenteils dort. Die meisten Afroamerikaner kamen in den 1940er und 50er Jahren aus demselben Teil von Mississippi hierher. Ich habe viel Zeit mit den älteren Mitgliedern dieser Bevölkerungsgruppe verbracht, die im segregierten Süden aufgewachsen waren und dann nach Norden gezogen waren. Sie sagten mir immer wieder: „Der Rassismus hier ist nicht besser als dort.“ Milwaukee wählte bereits vor einem Jahrhundert Sozialisten in den US-Kongress. Aber diese Männer sagten mir: „Sehen Sie, der Rassismus ist hier anders. Der Rassismus im Süden war sehr offen und direkt. Hier geschieht er hinter Ihrem Rücken – sie reden nur schön, aber sie tun es nicht.“ In ihren Augen waren sie immer noch auf Nebenjobs und ein Nebenviertel beschränkt, wobei hohe Barrieren die jungen Menschen an ihrem Platz hielten.

Eine Taglöhnerin in Selma, Alabama

Einer der eindringlichsten Abschnitte Ihres Buches beschreibt Selma, Alabama, das vor allem für seine Rolle in der Bürgerrechtsbewegung bekannt ist. Sie schreiben, wie Sie wunderschön erhaltene historische Denkmäler der Selma-Märsche von 1964 vorfanden, umgeben von heruntergekommenen Wohnprojekten.

Ich liebe Selma – die Leute dort waren sehr herzlich zu mir. Aber sie sind nicht glücklich. Es gibt schöne Teile von Selma, aber sie sind klein und zurückhaltend. Die Realität für die meisten Menschen dort, für die meisten Afroamerikaner, ist Entmündigung, nicht nur rechtlicher, sondern auch wirtschaftlicher Art. An allen Orten, die ich besuchte, habe ich noch nie Menschen gesehen, die so offen Schusswaffen trugen oder so offen und lässig mit Drogen handelten wie in Selma.

Unter den Menschen dort herrscht eine Wut, eine berechtigte Wut, und eine stille Bitterkeit und ein Zynismus darüber, ob politisches Handeln irgendetwas ändern kann. (Natürlich hat Alabama es den Schwarzen sehr leicht gemacht, nicht zu wählen – tatsächlich haben sie alles getan, um sie davon abzuhalten, zu wählen.) Die Realität von Selma heute legt nahe, dass die Bürgerrechtssiege der 1960er Jahre weitgehend symbolischer Natur waren. Es muss noch viel mehr getan werden.

Sie haben vorhin gesagt, dass Sie den Menschen zunächst helfen wollten, dann jedoch gelernt haben, dass Sie sie zuerst verstehen müssen. Aber wie hilft man jemandem, der in einem negativen Muster gefangen zu sein scheint?

Ich denke, das Beste, was man tun kann, ist, für Momente der Würde zu sorgen – ihnen zuzuhören und sie wie einen normalen Menschen zu behandeln. Wenn jemand eine saubere Mahlzeit braucht, geben Sie ihm eine saubere Mahlzeit; Wenn jemand ins Krankenhaus muss, bringen Sie ihn hin.

Ich werde oft gefragt: „Nun, in meiner Nähe ist ein Obdachloser. Was soll ich machen?” Behandeln Sie ihn oder sie einfach wie einen normalen Menschen. Setzen Sie sich hin und reden Sie mit ihr oder ihm. Laden Sie sie wirklich zum Kaffee ein. Wenn Sie gemeinsame Interessen haben, sprechen Sie darüber. Seien Sie nicht vorgetäuscht freundlich.

Eines der Dinge, die ich gelernt habe, ist, jeden zu umarmen. Es ist mir egal, wie schmutzig sie sind – ich habe Menschen umarmt, die seit zwei oder drei Monaten nicht gebadet haben. Es ist ein Zeichen dafür, dass Sie bereit sind, sie wie einen normalen Menschen zu behandeln. Sie sollten jeden mit Würde behandeln, aber insbesondere für Menschen, die an der Schwelle stehen, ist das vielleicht das Wichtigste.

Gehört dazu auch, Bettlern Geld zu geben?[7]

Ja. Ich habe immer einen Fünf-Dollar-Schein in meiner Tasche – Leute, die betteln, schauen mich oft komisch an, weil ich tausend Dollar aus meiner Brieftasche herausziehe, alles in Fünfer-Scheinen. Die meisten Drogen kosten neun Dollar, also gebe ich weniger. Wenn ich jemandem fünf Dollar gebe und er vier Dollar mehr verlangt, weiß ich genau, was los ist. Vielleicht lade ich sie zu McDonald’s ein und spendiere ihnen eine Mahlzeit.

Was hoffen Sie, was die Leute tun werden, nachdem sie Ihr Buch gelesen haben?

Schauen Sie sich an, was über materielle Dinge hinaus wertvoll ist. Viele Menschen finden die Welt schrecklich, aber es gab noch nie einen besseren Zeitpunkt als jetzt, um ein Leben jenseits des Kapitalismus zu gestalten.

In Hunts Point lernte ich eine Süchtige kennen – sie hieß Millie. Sie starb. Das weiß ich nur, weil sie verschwunden ist und ich mehrere Wochen damit verbracht habe, sie aufzuspüren. Wenn man in New York City ohne Papiere oder Ausweis stirbt, wird man nach Hart Island geschickt, wo eine Million Leichen begraben sind. Sie werden in eine Sperrholzkiste gesteckt, in einen Graben gesteckt und von Gefängnisinsassen von Rikers Island begraben. Grundsätzlich ist es nicht gestattet, die Gräber zu besuchen.

Als ich schließlich erfuhr, dass Millie tot war und wo sie begraben lag, kam ich zum Nachdenken. Es gibt ein Sprichwort: „Du stirbst nicht wirklich, bis die Leute aufhören, über dich zu reden.“ Wenn das wahr ist und Sie auf Hart Island in einer Sperrholzkiste begraben sind und es keine Möglichkeit gibt, das Grab zu besuchen, werden Sie viel schneller sterben. Die Erinnerung an Sie wird einfach verschwinden.

Also half ich schließlich dabei, Millies Leiche zu exhumieren und ordnungsgemäß zu begraben. Ich hab mich darauf eingelassen und dachte: „Als Atheist, warum mache ich das? Wen kümmert es, wo du begraben bist? Du bist tot.” Aber diese symbolische Aktion war für Millies Straßenfamilie von großer Bedeutung. Es gab eine Gedenkstätte, die man besichtigen konnte. Es gab einen Grabstein. Ihre Erinnerung würde noch ein wenig in Erinnerung bleiben.

Machen Sie aus Armut keinen Fetisch. Aber seien Sie etwas eher bereit, in Gegenden zu gehen, in die “man” eigentlich nicht geht. Nehmen Sie sich Zeit, den Menschen zuzuhören. Schenken Sie ihnen Respekt.


Das englische Original dieses Artikels erschien  im Juli 2019 im Plough-Magazin[8], der Zeitschrift der Bruderhof-Gemeinschaft. Deutsche Übersetzung und Fußnoten von Wolf Paul mit Erlaubnis von Plough.

Die Bruderhof-Gemeinschaft entstand im Deutschland der Zwischenkriegszeit.  Wegen ihrer pazifistischen Überzeugungen und ihrer Gegnerschaft zum Nazi-Regime aus Deutschland vertrieben, migrierten sie über Liechtenstein und England nach Paraguai und landeten schließlich in den USA. Inzwischen gibt es Niederlassungen auf jedem Kontinent außer Afrika, und seit 2019 (Retz) und 2021 (Furth/Maria Anzbach) auch in Österreich. Die Bruderhof-Gemeinschaft sieht sich in der Tradition der ersten Christen sowie der aus Habsburg-Österreich stammenden Täufer-Bewegung der Hutterer. In Österreich haben sich die Niederlassungen der Bruderhof-Gemeinschaft der Mennonitischen Freikirche angeschlossen und sind daher Teil der gesetzlich anerkannten Freikirchen in Österreich.

Der Autor, Chris Arnade, wuchs in Florida auf, studierte Physik an der John Hopkins University und arbeitete für eine Bank an der Wall Street, bevor er freischaffender Schriftsteller und Fotograf wurde.

 

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  1. Die South Bronx ist ein Stadtteil von New York City, unmittelbar nördlich von Manhattan, dem Zentrum der Finanzindustrie[]
  2. die Upper East Side ist das Nobelviertel von Manhattan[]
  3. Kaufhaus-Kette, deren Filialen wie auch die meisten Supermärkte teilweise rund um die Uhr geöffnet sind []
  4. Ladenkirchen, engl. Storefront Churches, sind Gemeinden, die in einem Geschäftslokal untergebracht sind, umgeben von anderen Geschäften, oder von leerstehenden, zugenagelten Geschäftslokalen.[]
  5. Community Colleges bieten “halb-universitäre” Lehrgänge an, oft mit dem Schwerpunkt auf beruflichen Qualifikationen. Im Gegensatz zu normalen Colleges und Unis dauern die Lehrgänge nur zwei statt vier Jahre und schließen mit einem Associate Diplom ab, statt mit einem Bachelor. Sie sind auch wesentlich billiger.[]
  6. Soziaeinrichtungen, oft von Kirchengemeinden betrieben, die an sozial Schwache Essen verteilen[]
  7. Es gibt die weit verbreitete Meinung, daß man Bettlern kein Geld geben soll, weil sie es nur für Alkohol und Drogen ausgeben würden, oder Teil einer sogenannten Bettler-Mafia sind.[]
  8. Plough erscheint auch auf Deutsch[]
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Ein interessantes Video zu einem wichtigen Thema

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Als Christ, der in der Bibel die Selbstoffenbarung Gottes sieht, bin ich überzeugt davon, daß Sex nur in der lebenslangen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, und nur wenn beide es wollen, optimal ist. Alles andere widerspricht der Schöpfungsordnung Gottes, ist daher sub-optimal und bringt nur Probleme mit sich.

Aber auch außerhalb des von der Bibel vorgegebenen Rahmens gibt es Einschränkungen, die teils allgemein akzeptiert und teils sehr umstritten sind. Die wenigsten Menschen finden z.B. Sex mit Kindern oder mit Tieren akzeptabel, und die meisten würden zustimmen, daß jede Form von sexuellem Kontakt nur dann erlaubt ist, wenn es beide wollen — sogenannter konsensualer Sex.

Dieses Video illustriert eine leider immer noch (vor allem unter Männern) weit verbreitete Meinung:

Daß nämlich die Zustimmung einer Frau nicht ausdrücklich erteilt werden muß, sondern von bestimmten Signalen abgeleitet werden kann. Eine Frau, die sich sexy oder sehr leicht bekleidet, oder sich an bestimmten Orten aufhält, oder die einem Mann scheinbar bestimmte Blicke zuwirft, oder die auch nicht ausdrücklich sagt, daß sie nicht belästigt werden will, die will ja sexuell angegangen werden, die drückt ja damit Zustimmung aus.

Wie der Vergleich mit einem Mann, der angeblich einen Überfall provoziert hat, weil er gut gekleidet und offenbar wohlhabend unterwegs war, klar macht, ist das absoluter Schwachsinn. Konsens besteht nur dann, wen er ausdrücklich ausgesprochen wird, selbst zwischen Eheleuten.

Man kann also Frauen, die sexuell belästigt oder gar vergewaltigt wurden, keine gewisse Mitschuld zuweisen, weil sie (nach welchen Standards auch immer) zu aufreizend gekleidet war, freundlich gelächelt hat, oder sich z.B. spät nachts an gewissen Oten aufgehalten hat. Wenn sich ein Mann nicht beherrscht, und stattdessen seinem Sexualtrieb nachgibt, mit einer Frau, die das nicht ausdrücklich will, ist das ausschließlich seine Schuld.

Andererseits leben wir in einer gefallenen Welt, d.h. in einer Welt, wo sich die meisten von uns nicht immer so verhalten, wie wir sollten, und genauso wie es Menschen gibt, die ihren Neid nicht beherrschen und daher rauben, einbrechen und stehlen (weshalb wir z.B. unsere Wohnungs- und Autotüren verschließen und sogar oft mit Sicherheitsanlagen zu schützen versuchen), gibt es auch Menschen, die ihren Sexualtrieb nicht beherrschen (wollen oder können, ist egal) und daher sexuell übergriffig werden. Das ist natürlich eindeutig ihre Schuld, und “das Kleid war zu kurz” ist genausowenig eine Entschuldigung, wie “die Haustür war offen.”

Aber genauso, wie ein kluger Mensch seine Wohnung abschließt, bevor er das Haus verläßt, paßt ein kluger Mensch auch sein Aussehen und seine Kleidung an die realen Gegebenheiten an, und spaziert z.B. nicht im Minirock oder im Armani-Anzug durch den nächtlichen Prater.

Wenn man darauf hinweist, wird das sehr schnell als Verteidigung der Täter interpretiert — als “Enabling“, wie das englische Modewort lautet. Aber das ist genauso unlogisch, wie das Zusperren der Wohnungstür als Verteidigung bzw Enabling von Einbrechern zu bezeichnen.

Als meine Tochter jünger war, war ich als Vater natürlich um ihre Sicherheit besorgt und habe ihr daher entsprechende Ratschläge gegeben, was Kleidung und gewisse Stadtteile, vor allem nachts, angeht. Wildfremde Männer zu erziehen war zu diesem Zeitpunkt nicht mein Fokus und ist auch nicht meine Aufgabe. Ich wollte einfach, daß sie sicher nach Hause kommt; eine Grabsteininschrift “Sie hatte das Recht, so angezogen nachts durch den Prater zu laufen” hätte sie mir und ihrer Mutter im schlimmsten Fall nicht wiedergebracht, genausowenig wie die Inschrift “Er hatte Vorrang” auf dem Grabstein einer Verkehropfers.

Manchmal ist es weiser, nicht alles zu tun, was man tun darf. Um nocheinmal die Bibel zu zitieren: Mir ist alles erlaubt, aber nicht alles tut mir gut.

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Gedanken über die Unruhen in Frankreich und ihre Ursachen

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Frankreich wurde in den letzten Tagen von Ausschreitungen und Unruhen erschüttert, die infolge der Tötung des 17-jährigen Nahel Merbouz bei einer Verkehrskontrolle ausgebrochen sind.

Ich billige die Ausschreitungen und Gewalt der Demonstranten nicht (und Nahels Großmutter stimmt zu), aber ich kann nicht leugnen, dass ich eine gewisse Sympathie für die überwiegend jungen arabischen und schwarzen Menschen in Städten wie Paris habe, die sich schon lange über Polizeidiskriminierung beschweren. Da ihre Beschwerden von den Behörden im Grunde genommen ignoriert werden (ein Vorwurf, den die UN bestätigt hat), können die Politiker nicht die Verantwortung für die Schaffung der Umstände, die zu diesen Ausschreitungen führen, entkommen.

Jetzt beschuldigen französische Politiker, einschließlich Präsident Macron, die sozialen Medien, die aktuellen Ausschreitungen und Unruhen anzufachen.

Es scheint, dass sie sich auf die weit verbreitete Verteilung von Videos beziehen, die über TikTok, Snapchat, Instagram und andere Plattformen verbreitet werden und Polizeidiskriminierung und -brutalität gegenüber nicht-weißen Bürgern dokumentieren, wie das Video, das die Behauptung des Polizeibeamten Florian M., er habe Nahel aus Notwehr erschossen, als Lüge entlarvt; es zeigt Nahel, wie er flieht, anstatt die Beamten anzugreifen, indem er auf sie zufährt.

Nahel war natürlich nicht unschuldig; aber in unseren Gesellschaften gelten Fahren ohne Führerschein und Nichtanhalten bei einer Verkehrskontrolle nicht als Verbrechen, die die Todesstrafe verdienen.

Dass Herr Macron und andere die Ausschreitungen und die weite Verbreitung solcher Videos offenbar problematischer finden als das, was diese Videos zeigen, spricht Bände.

Florian M. wurde wegen vorsätzlichen Tötung angeklagt; wenn er freigesprochen oder wegen eines geringeren Vergehens verurteilt werden sollte, rechnen Sie mit weiteren Ausschreitungen.

Zweifellos hat Frankreich, so wie andere europäische Länder, einschließlich meines eigenen auch, ein massives Problem mit “Ausländern”, d.h. Menschen aus verschiedenen Kulturen, snd ich lasse keines davon aus der Verantwortung, wenn es darum geht, fair und gerecht mit ihnen umzugehen. Aber Frankreichs Problem, im Gegensatz zu Österreichs, ist hausgemacht; es ist das Ergebnis von Frankreichs kolonialer Vergangenheit. Es sind sozusagen die Sünden der Väter, die auf die Kinder übertragen werden. Alle diese Menschen aus Nord- und Schwarzafrika zu deportieren, einzusperren, oder sonst irgendwi loszuwerden, werden fehlschlagen: der “ethnisch reine Nationalstaat” ist ein unrealistisches Hirngespinst, und wenn die Franzosen, von den obersten Politikern bis hin zu den gewöhnlichen Bürgern, nicht lernen, friedlich mit allen Ethnien und Kulturen in ihrem Land zusammenzuleben, befürchte ich, dass wir in der Zukunft noch mehr solcher Szenen sehen werden.

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Flüchtlingsboot-Tragödie: Erste Reaktion

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Hier meine Reaktion auf die jüngste Flüchtlingsboot-Katastrophe im Mittelmeer mit mehr als 500 Todesopfern:
Es ist Zeit, dass wir alle hier im affluenten Westen, sowohl unsere Regierungen als auch wir als Einzelpersonen, uns einer ernsthaften Gewissensprüfung unterziehen darüber, wie wir mit Flüchtlingen umgehen.
1. Wir müssen aufhören, die fehlende Einstimmigkeit innerhalb der EU als Entschuldigung dafür zu mißbrauchen, selbst untätig zu bleiben. Unsere Barmherzigkeit und Hilfsbereitschaft von der Anderer abhängig zu machen, ist eine moralische Bankrotterklärung.
2. Wir müssen die Unterscheidung zwischen denen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen („echte Flüchtlinge“), und denen, die vor bitterer Armut in ihren Herkunftsländern Ländern fliehen („Wirtschaftsflüchtlinge“), aufgeben.  Es ist moralisch verwerflich, hier in unseren, trotz Inflation und Teuerung  immer noch komfortablen, Verhältnissen zu sitzen, und angesichts der verzweifelten Armut Anderer mit den Schultern zu zucken.
3. Menschen in Not unsere Hilfe zu versagen, um damit den Schleppern das Geschäft zu verderben, ist zutiefst unmoralisch. Wir alle haben in unseren Ländern den Tatbestand der Unterlassenen Hilfeleistung; gegenüber den Flüchtlingen machen wir uns kollektiv dieser schuldig.
4. Ich widerspreche denen, die Verteidigungsausgaben gegen angemessene Hilfe für Menschen in Not ausspielen wollen;  Das vergangene Jahr hat ganz deutlich gezeigt, daß miltärische Verteidigung nach außen notwendig ist, genauso wie eine funktionierende Polizei nach innen. Und sich für unsere Verteidigung auf die zunehmend dysfunktionalen USA zu verlassen[1] kann gefählich werden.
5. In allen unseren Ländern gibt es genug Einsparungspotential bei nicht essentiellen und Prestige-Projekten, um wesentlich effektiver helfen zu können. Wir müssen nur wollen und richtige Prioritäten setzen.
6. Es gibt in unseren Ländern zutiefst unanständige politische Parteien, die unterlassene Hilfeleistung gegenüber Fremden aus irgendwelchen, perversen ideologischen Gründen akzeptabel finden[2]. Wenn anständige Parteien mit christlichem oder sozialdemokratischem Wertesystem eine “strenge Ausländerpolitik” verfolgen, um den unanständigen Parteien Stimmen wegzunehmen, dann ist das nicht nur wenig erfolgreich (weil ausländerfeindliche Menschen lieber “den Schmied als den Schmiedel” wählen), sondern stellt auch einen unmoralischen Verrat an den eigenen Werten dar. Was vielmehr nottut sind breite Koalitionen der Anständigen, auch über ideologische Grenzen hinweg, um die Unanständigen von der Macht fernzuhalten.
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  1. Kein Mench wiß, ob die USA unter einem neuerlichen Präsidenten Trump ihre Nato-verpflichtungen einhalten und erfüllen würde; Trumps Haltung zu Vladimir Putin ist höchst zwiespältig, und die Ukraine (und damit wir alle) würde unter seiner Präsidentschaft kaum die notwendige Hilfe bekommen.[]
  2. Die gleichen Parteien, die immer wieder in “bedauerlichen Einzelfällen die Verbrechen der Nazis herunterspielen und minimieren.[]
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Von der Dummheit (D. Bonhoeffer)

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Vor zwei Tagen bin ich auf dieses Video gestoßen:[1]

Es basiert auf einem Text, den Dietrich Bonhoeffer im Jahr 1943 geschrieben hat, als er von den Nazis inhaftiert war.[2]

Bonhoeffer sagt darin, daß Dummheit gefährlicher ist, als Bosheit, weil, wie der Volksmund sagt, gegen Dummheit kein Kraut gewachsen ist. Deshalb ist Dummheit nicht ein intellektuelles Defizit, sondern ein moralisches, ein Charakterfehler.

Ich finde diese Erklärung von Dummheit und der Gefahr, die sie darstellt, heute noch genauso überzeugend und zutreffend, wie sie zur Zeit ihres Entstehens war. Die weite Verbreitung von abstrusen Verschwörungstheorien und der große Anklang, den auch heute wieder Politiker finden, die den Menschen das Blaue vom Himmel versprechen, meist um den Preis der Ausgrenzung der einen oder anderen Gruppe.

Vor Jahren bin ich auf den Spruch gestoßen, “Never attribute to malice that which can adequately explained by ignorance” — “Schreibe niemals der Boshaftigkeit zu, was ausreichend durch Unwissenheit erklärt werden kann.” Der Spruch hat mir so gut gefallen, daß ich ihn jahrelang in meiner E-Mail-Signatur verwendet habe. Und er erinnert mich an einen wesentlichen Unterschied zwischen Dummheit und Unwissenheit:

Dummheit ist willentlich unbelehrbare Unwissenheit, geleugnete Unwissenheit, die auch gar keinen Wert darauf legt, mit Fakten konfrontiert zu werden, die der eigenen, unwissenden Überzeugung widersprechen.

Ich bin überzeugt, daß ein Teil der heute vorherrschenden Dummheit die Weigerung ist, Gott als Schöpfer der Welt, als unseren Schöpfer, anzuerkennen. Wie der Psalmist sagt, Der Tor (der Dummkopf) sagt in seinem Herzen: “Es gibt keinen Gott!”[3]

Ich bin kein Historiker, aber ich könnte mir gut vorstellen, daß der Niedergang der meisten Zivilisationen und Reiche der Geschichte seine Wurzel in der Dummheit hatte: der Überzeugung, daß man schon alles weiß, und zwar besser als alle anderen, daß man daher nichts mehr dazulernen und auf niemanden hören muß.

Ich fürchte, daß das auch das Ende unserer Zivilisation sein könnte, falls Christus nicht vorher wiederkommt und aller Dummheit genauso wie aller Bosheit, ein Ende bereitet.

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  1. Video von Sprouts, www.sproutsschools.com[]
  2. Der Text Von der Dummheit ist ein Auszug aus Dietrich Bonhoeffers Buch Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft.[]
  3. Psalm 14,1[]
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Krebsgeschwüre am Leib Christi

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Der Roys Report berichtet über Verhaftungen von Leitern und Mentoren einer christlichen Studentenverbindung in Texas, wegen mehrfachem sexuellem Mißbrauch von Kindern.

Manche nennen sie Nestbeschmutzer, aber ich glaube, daß der Aufdeck-Journalismus von Julie Roys und ihren Miarbeitern, aber auch anderen z.B. im katholischen und anglikanischen Umfeld, extrem wichtig ist für die Gesundheit der Gemeinde Jesu.

Situationen wie die hier beschriebene schädigen nicht nur die unmittelbaren Opfer, sondern sie sind wie Krebsgeschwüre am Leib Christi: wenn man sie ignoriert und nicht entfernt, schädigen sie die Gesundheit des ganzen Leibes.

Vor ein paar Jahren haben manche Evangelikale fast schadenfroh auf die römisch-katholische Kirche gesehen, als dort immer mehr Mißbrauchsfälle im Klerus bis hinauf zu prominenten Kardinälen bekannt wurden; aber es gab schon immer auch problematische freikirchliche Gruppen wie die extremen “geschlossenen Brüder” vor allem im englischen Sprachraum[1];  dann gab es in den letzten Jahrzehnten Meldungen aus dem evangelischen Milieu in Deutschland und die Enthüllungen über die Internatsschulen für Indigene in Kanada und Australien, wo die anglikanischen Kirchen in diesen Ländern beteiligt waren. Vor einem Jahr gab es dann die Zeitungsberichte in Texas über das massive Versagen der Southern Baptists, adequat mit Mißbrauchstätern im vollzeitlichen Dienst umzugehen, unter dem Mäntelchen der “Autonomie der Ortsgemeinde.”[2]

Und heute wissen wir, nicht zuletzt dank der Arbeit von Frau Roys und ihrem Roys Report, daß diese Krebsgeschwüre leider in allen kirchlichen Traditionen gedeihen, auch in Pfingstgemeinden und den größtenteils charismatischen unabhängigen Gemeinden, und bis hinauf zu den prominentesten Megachurches.[3] Leiter in allen kirchlichen Traditionen und Konfessionen haben viel zu lange und viel zu oft zu- und weggeschaut, haben oft mehr Empathie mit den Tätern als mit den Opfern gezeigt, und sich mehr Sorgen gemacht um den Ruf ihrer jeweiligen Kirche oder Gemeinde als um die Sicherheit und das Wohlergehen der ihnen anvertrauten Menschen.

Ich kann nicht beurteilen, wie weit dieses Problem auch in freikirchlichen Gemeinden in Deutschland und Österreich existiert[4] , aber statistisch gesehen sind gerade Gemeinden mit sehr konservativer Theologie, wo Männer in ihren Familien und Pastoren oder Älteste in der Gemeinde unangefochten und unwidersprochen “herrschen”, ehr anfällig sowohl für Mißbrauch und Gewalt in der Familie als auch für Mißbrauch durch Pastoren und andere Leiter. Und solche Gemeinden gibt es auch im deutschen Sprachraum, am Rand der evangelikalen Bewegung. Aberselbst wenn “bei uns”, in unseren Gemeinden und Kreisen, alles in Ordnung sein sollte, können wir uns nicht einfach abputzen: die Kirche, die Gemeinde Jesu ist trotz aller Zerrissenheit und geografischer Ausbreitung ein Leib, und “wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit[5]),” leidet der ganze Leib.

Es ist jedenfalls höchste Zeit, daß wir nicht mehr wegschauen, sondern sowohl im Gebet für solche Situationen eintreten als auch Zivicourage zeigen, wo es nötig ist.

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  1. insbesondere die “RavenHale” Gruppe in England, Nordamerika und Australien[]
  2. Bei den Southern Baptists hat jetzt trotz einigem Widerstand in den eigenen Reihen eine Aufarbeitung  diese Problems mit Präventivmaßnahmen begonnen.[]
  3. Die Situation in den Ostkirchen (Orthodoxe und Uniierte) kommentiere ich hier nicht, weil ich nicht genug über deren Situation weiß; ich kann mir aber nicht vorstellen, daß sie davon vollständig verschont sind.[]
  4. Da freikirchliche Gemeinden bei uns, im Gegensatz zu den englischsprachigen Ländern, eher am Rand der Gesellschaft stehen, dringt viel weniger an die Öffentlichkeit[]
  5. 1. Korinther 12,26 (Einheitsübersetzung 2016[]
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Medienvielfalt?

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Angesichts von Einsparungen, die durch die aktuelle Kostenexplosion notwendig seien, klagt Kurier-Geschäftsführer Thomas Kralinger unter anderem über die Konkurrenz durch text-basierte Angebote des ORF[1] und ruft nach Beschränkungen derselben.

Ich bin da anderer Meinung.

Mir ist klar, daß eine möglichst große Medienvielfalt generell für gut und wünschenswert gehalten wird, aber was tragen Printmedien wie Heute, Österreich/Ö24, Kronenzeitung, Kurier, Die Ganze Woche, usw, tatsächlich zum Funktionieren unserer Demokratie bei?

Dem wirtschaftlichen Überleben von in Privatbesitz befindlichen Printmedien steht das Recht der Bevölkerung auf unabhängige, möglichst objektive Nachrichtenversorgung ohne Zusatzkosten gegenüber, vor allem, wenn demächst eine Haushaltsabgabe[2] von allen Haushalten eingehoben werden wird.

Ein ORF,

  • der zu fairer und faktenbasierter Berichterstattung verpflichtet ist, die auch einklagbar sein müßte,
  • der von der gesamten Bevölkerung durch die Haushaltsabgabe finanziert wird[3], und
  • dessen Kontollgremien selbstverständlich von der jeweiligen Regierung möglichst unabhängig sein müßten,

sollte Vorrang haben vor einer Vielfalt von Printmedien, die unterschiedliche kommerzielle, politische, und weltanschauliche Interessen vertreten, ohne diese offen zu deklarieren.

Medienvielfalt ist gut und wünschenswert, wenn sie ein staatlich nicht eingeschränkter Markt hervorbringt und finanziell trägt, aber ich bitte folgendes zu bedenken:

Viel Nutzer von ORF Online würden sich bei Fehlen desselben trotzdem keine gedruckte Tageszeitung oder kostenpflichtiges Digitalabo leisten[4]; wir befriedigen unser Nachrichten-Bedürfnis durch die Rundfunkangebote von ORF und Co;

  • Österreich hat europaweit die höchste Medienkonzentration – der Kurier hat eine Reichweite von lediglich 8%, sein wichtigster Konkurrent, und der aller anderen Printmedien in Österreich, ist nicht der angeblich übermächtige ORF, sondern die Kronenzeitung mit einer Reichweite von 32%. Alle Maßnahmen, die sich Herr Kralinger für den Kurier wünscht, kämen natürlich auch der Kronenzeitung zugute; und
  • meiner Meinung nach werden Medien, die nur dank staatlicher Förderungen und Maßnahmen wie der Einschränkung anderer Medien überleben können, und die nicht durch gesetzliche Vorgaben zur Unabhängigkeit und Objektivität verpflichtet sind, früher oder später zu Sprachrohren der jeweiligen Regierung.
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  1. Vermutlich hat er da eher das Portal ORF Online im Blick, als den immer noch dahindümpelten ORF Teletext oder auch die ORF Nachlese.[]
  2. Die Haushaltsabgabe ist letztlich eine neue Steuer, auch wenn krampfhaft versucht wird, sie aus politischen Gründen nicht so zu nennen[]
  3. Alle, die diese Haushaltsabgabe zahken, werden letztlich zu ORF-Abonnenten (de facto wenn auch nicht de jure) []
  4. Full Disclosure: Ich leiste mir ein Abo von Readly um rund €10/Monat, sowie ein kostenloses Abo von read-it (beide auch mit Apps für Android und iOS), allerdings nicht wegen der enthaltenen Tageszeitungen, sondern wegen Fach- und Spartenzeitschriften[]
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Vegane Erfahrungen

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Auf Drängen meiner Frau esse ich seit ein paar Monaten kein Fleisch mehr, da eine fleischarme Diät angeblich bei Diabetes gesünder ist.

Nachdem ich aber kein Hase oder Rindvieh bin 😉, habe ich mich ziemlich schnell nach Alternativen umgesehen, die einen fleischähnlichen Genuss versprechen.

Meine Schlußfolgerung: vieles davon ist durchaus genießbar, auch wenn die wenigsten Produkte auch nur annähernd an das herankommen, was sie zu imitieren versuchen.

Am besten klappt das bei Schnittkäse [1]; Produkte von z.B. Bedda und Violife kann ich mir durchaus als dauerhaften Ersatz vorstellen.

Bei Weichkäse habe ich nur einen gefunden, der als Camembert-Imitat an das Original herankommt: Bedda Come on Bert [2].  Andere Camembert-Imitate [3] sind mir zu weich, mehr wie Streichkäse.

Brotaufstriche wie Simply V Streichgenuß ist auch sehr gut, und ich gehe davon aus, daß das auch auf die meisten anderen Frischkäse-Imitate zutrifft. Vegavita [4] hat diverse Aufstriche wie ZwiebelschmalzLiptauerHummus, usw., die auch sehr gut sind.

Bei Wurstimitaten fand ich nur wenige Produkte so gut, daß ich mir ebenfalls vorstellen kann, sie dauerhaft in meine Diät einzubinden:

  • Vantastic Veganer Leberkäs
  • Rügenwalder Vegane Mühlensalami
  • Wheaty Veganer Dry-Aged Aufschnitt

Fleisch-Imitate:

Diverse vegane Schnitzel-, Cordon Bleu-, Chicken Nuggets-, und Fischstäbchen-Imitate von verschiedenen Anbietern sind m. E. ähnlich genießbar wie ihre Vorbilder[5], und ich kann mir vorstellen, einige davon auch nach dem Ende meiner erzwungenen vegetarischen Phase zu essen.

Steak– und Faschiertes/Hackfleisch-Imitate enttäuschen dagegen, besonders wenn man sie tatsächlich mit echtem Fleisch vergleicht; als Gemüseprodukte deklariert sind manche davon durchaus genießbar.

Die größte Enttäuschung waren vegane Speck-Imitate; die sind einfach eine homogene Masse aus irgendeinem Eiweiß und Fett, in längliche Scheiben geschnitten und in Streifen rosa und weiß eingefärbt. Nichts von dem Biß oder der „Haptik“ von echtem Speck.

Viele vegane Ersatz-Produkte haben auf den Händler-Seiten und in einschlägigen Foren so begeisterte Kundenbewertungen, daß ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß sich diese Leute selbst einreden müssen, daß das alles so gut oder sogar besser schmeckt als echte Fleisch- und Milchproduke, oder aber daß sie total gestörte Geschmacksnerven haben. Wobei mich gar nicht stört, daß es ihnen schmeckt, sondern daß sie sich in Lobeshymnen ergehen, wie sehr nach Fleisch das Zeug doch schmeckt.

Ich habe dem Drängen meiner Frau nachgegeben, weil ich derzeit bettlägrig bin und daher von dem abhängig bin, was sie mir serviert; sobald ich wieder etwas mobiler bin werde ich wahrscheinlich wieder mehr Fleischprodukte essen, wenn auch nicht mehr so viel wie früher, weil mir manche Dinge doch sehr abgehen[6], und diese ganzen Ersatzprodukte doch wesentlich teurer sind als die Originale.

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  1. wahrscheinlich auch bei geriebenem Käse, hab ich noch nicht ausprobiert[]
  2. auf Basis von Kartoffelstärke und -eiweiß sowie Rapsöl[]
  3. meist auf Cashew-Basis[]
  4. Billa Eigenmarke[]
  5. Fertig-Schnitzel aus dem Supermarkt sind ja, im Gegensatz zu dem, was man zu Hause macht, nicht aus einem Stück Fleisch, sondern aus geshreddertem und wieder in Form gepreßten Fleisch, ähnlich wie Chicken Nuggets oder Fischstäbchen[]
  6. Dürre, Burenwurst, Käsekreiner, Salanettis[]
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