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Wolf’s Notes

… about faith, life, technology, etc.

Die Krise der nachchristlichen Kultur

2023-11-11 Wolf Paul

in sehr interessantes und provokantes Video des katholischen Podcasters und ehemaligen anglikanischen Priesters Gavin Ashenden[1]:

«Der große Fehler in der Verteidigung der westlichen Zivilisation scheint zu sein, dass sie den Glauben, der sie geschaffen hat, aufgegeben hat: das Christentum. Sie hat sich freiwillig und energisch vom Christentum losgesagt. Christen und liberale Säkularisten werden am kommenden Gedenkwochenende vor einer ernsten Herausforderung stehen, wenn, wie es wahrscheinlich ist, islamische Proteste “überkochen” und sich mit den Überresten der Erinnerungskultur konfrontieren.

Werden all die Säkularisten erkennen, dass der genussorientierte Konsumismus ideologisch nicht stark genug ist, um Grenzen zu setzen, um die islamische Expansion und den missionarischen Ehrgeiz einzudämmen? Sie haben sich bisher geweigert, dies zu glauben. Und wenn die Säkularisten zu ihren eigenen Grenzen und ihrer existentiellen Instabilität erwachen, wohin werden sie sich dann wenden?

Sie werden nur drei Möglichkeiten haben:

  • Mehr säkularen Pseudofortschritt, bei dem der Drache seinen eigenen Schwanz frisst und in immer größere Inkohärenz und Widerspruch gerät, während die DIE-Agenda (Diversity, Inclusion and Equity) ihn in einen wachsenden totalitären Wahnsinn saugt;
  • oder den Islam selbst, der wieder  andere Formen totalitärer Kontrolle verspricht, wie wir am Beispiel des Iran sehen;
  • oder drittens das Christentum und die christliche Kultur, in der Freiheit des Gewissens, Freiheit der Wahl, die Würde des Einzelnen als Ebenbild Gottes, der Vorrang der Vergebung und das Versprechen jener grundlegenden Freiheiten, die wir für selbstverständlich gehalten haben, angeboten werden.»

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  1. Gavin Ashenden ist ein ehemaliger anglikanischer Priester, der vor vier Jahren zur römisch-katholischen Kirche konvertierte, nachdem er von dem zunehmenden Revisionismus der Church of England desillusioniert war. Heute ist er Laie und schreibt und podcastet über aktuelle Themen in Kirche und Welt.[]

Der Westen: Fehlende Überzeugungen

2023-11-10 Wolf Paul

In einer Podiumsdiskussion auf der ARC-Konferenz in London in diesem Monat wies Greg Sheridan darauf hin, dass alle diejenigen auf der Weltbühne, die dem demokratischen Westen feindlich gesinnt sind, von Menschen mit tiefen Überzeugungen geführt werden, und dass wir von ihren Handlungen überrascht sind, weil wir diese Überzeugungen nicht verstehen.

In seiner Antwort traf der Historiker Niall Ferguson den Nagel auf den Kopf, indem er unter anderem sagte:

„Ein Teil der Schwierigkeit, die wir haben, um ideologische Überzeugungen zu verstehen, ist, daß wir selbst keine haben. Es ist sehr schwer, diese Art von Motivation zu verstehen, wenn unser Glaubenssystem so erodiert ist, daß es bestenfalls ein Kosten-Nutzen-Analyse-Problem wird.“

Ich bin sicher nicht mit allem einverstanden, was auf dieser Konferenz gesagt wurde, aber die Vorträge und Panels sind sehr interessant und hörenswert.

Einige Gedanken zu den aktuellen Ereignissen

2023-11-04 Wolf Paul

Ein Gastbeitrag von James M. Kushiner[1] von Touchstone[2].


Lass mein Gebet vor dich kommen:
Neige dein Ohr zu meinem Schreien;
Denn meine Seele ist voller Leiden;
und mein Leben naht sich dem Grabe.

Gute Nachrichten scheinen schwer zu finden zu sein. Das liegt wahrscheinlich daran, dass man zu viel Aufmerksamkeit auf „aktuelle Ereignisse“ statt auf das ewige Ereignis der frohen Botschaft Jesu Christi legt.

Natürlich sind aktuelle Ereignisse wichtig. Nur Herzen aus Stein können das menschliche Leid durch die jüngste Gewalt und Tragödie, die aus dem Abgrund menschlicher Verderbtheit und Sünde überquellen, ignorieren: das brutale Abschlachten von Zivilisten durch die Hamas; der Tod von achtzehn Menschen in Lewiston, Maine, durch einen geistig gestörten Einwohner; der Tod von Zivilisten durch Raketenangriffe in Israel und dem Gazastreifen und in der Ukraine. Näher zu Hause wurde ein 6-jähriges Kind einer muslimischen Familie von einem Mann erschossen, der Muslime töten wollte nach dem Angriff der Hamas; und die wöchentliche Tötung junger Chicagoer durch andere junge Chicagoer mit Schusswaffen.

Bei jedem dieser Vorfälle sind die Leben der Überlebenden zerstört, Trauma setzt ein und der Schatten des Bösen verdunkelt das Licht des Lebens. Eltern trauern um erschlagene Kinder, Ehepartner um verlorene Ehepartner; Beerdigungen sind geprägt vom Gespenst der Grausamkeit der Gewalt. Die Medien berichten einige Fakten, können aber letztlich wenig oder nichts über das „Warum“ erklären. Das Böse ist real und der Mensch allein hat keine Heilung.

Die von den Lebenden zurückbehaltenen Wunden können bestenfalls teilweise geheilt werden und hinterlassen Narben. Im schlimmsten Fall eitern Wunden und entwickeln sich zu tieferen Wunden, die in Depression, Sucht, sogar zum Verlust des Lebens führen können. Die Therapie, die vielen angeboten wird, ist ein Pflaster, das Symptome lindern, aber letztlich nicht heilen kann.

Der häufigste Gedanke für viele muss sein: „Wo ist Gott?“ Wie Gott, wie sie ihn sich vorstellen, in das passt, was sie gerade erlebt haben, ist für sie nicht greifbar.

Das Nachdenken über solche Dinge brachte mich zurück zu einem Artikel von Stephen Muse, der vor zehn Jahren in Touchstone veröffentlicht wurde: „No Dead Man’s Prayer: on the Suffering of Faith & the Paradox of Psalm 88.“ Es ist der dunkelste der Psalmen in dem Sinne, dass es nur die dünnste Hoffnung gibt, die am Anfang angesprochen wird: „O Herr, Gott meines Heils…“ Aber darauf folgt hart ein Katalog von Beschwerden und Leiden, die oft Gott zugeschrieben werden: „Du hast mich in die Tiefen der Grube gelegt… Du hast bewirkt, dass meine Gefährten mich meiden…“ und der Psalm endet mit Dunkelheit.

Die Geschichte Israels verläuft nicht von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, obwohl die Herrlichkeit immer wieder durchbricht. Und wenn sie es tut, ist es eine Herrlichkeit, die als fester Bezugspunkt leuchtet, eine Herrlichkeit, die nicht verweigert werden wird, die Quelle der sicheren Verheißungen von Erlösung und Heil, die erfüllt werden, während alle Spreu und alles Böse dieser Welt verzehrt wird, wenn Gott selbst „jede Träne von ihren Augen abwischen wird.“ Die Welt ohne Gott ist einfach dunkel.

Die Skeptiker und Atheisten nennen das Wunschdenken. Aber es gibt unter uns Menschen, die wissen, dass es wahr ist. Sie haben Missbrauch, Trauma, Leid, Herzschmerz und Verlust erlitten, aber echte Heilung in der niemals schwindenden Liebe Christi gefunden, die durch die Heilige Schrift, die Psalmen, die geistige Lieder und das Leben anderer, Heiliger in der Gemeinschaft namens Kirche sichtbar wird. Sie haben Glauben, wie Stephen Muse schrieb: „… echter Glaube ist mehr wie das, was mir ein sich erholender Crack-Abhängiger einmal sagte, ‘Du weißt nicht, dass du Glauben hast bis Glaube alles ist, was du hast.'”

Manchmal sind wir nicht stark genug, um Hilfe zu suchen. Glaube ist schwer. Wir fühlen uns gelähmt, unfähig zu handeln. Wir könnten uns mit dem Gelähmten im Markus-Evangelium identifizieren, der von seinen Freunden durch ein Loch im Dach in den überfüllten Raum hinabgelassen wurde, in dem Jesus predigte. „Und als Jesus ihren Glauben sah“, verkündete er die Vergebung der Sünden des Gelähmten, dann sagte er: „Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ Der Gelähmte hatte gerade genug Glauben, um sich dem verzweifelten Versuch seiner Freunde zu unterwerfen, ihn heil zu sehen.

Wenn wir manchmal nur wenig Glauben haben, sind wir umgeben von ewigen Freunden in Christus. Wir können uns an andere wenden, die Christus vertrauen. Wir können uns auf Christi eigenen Glauben verlassen und uns an ihn klammern. Verletzt, verwundet, wütend, verwirrt – wir können eintreten, wo zwei oder drei in Christi Namen versammelt sind, eine Kirche oder Gemeinde, wo die Psalmen gebetet werden. Höre auf das Evangelium. Höre und sage die Worte, die so viele in den Evangelien und auf der ganzen Welt seit Jahrtausenden gesprochen haben: Kyrie, eleison! Herr, erbarme dich! Denn er ist der philanthropos, der Menschenfreund. Bei ihm finden wir Barmherzigkeit in den dunkelsten Zeiten.


Dieser Beitrag von James M. Kushiner wurde ursprünglich im E-Mail Newsletter von Touchstone im November 2023 veröffentlicht. Copyright ©2023 by Fellowship of St. James. Hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors. Übersetzung: Wolf Paul

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  1. James M. Kushiner ist emeritierter Chefredakteur der Zeitschrift Touchstone und Verlagsleiter der Fellowship of St. James.[]
  2. Touchstone, “A Journal of Mere Christianity”, wird von der Fellowship of St. James herausgegeben und betont jenen traditionellen Kern des historischen Christentums, der uns alle, unabhängig von Konfessionen und kirchlichen Traditionen, vereint.[]

Faktencheck: Biden behauptet, die Hamas vertrete nicht die Palästinenser. Stimmt das?

2023-10-24 Wolf Paul

Gastbeitrag von Ryan Jones[1], Israel Heute[2]

US-Präsident Joe Biden unterstützt nicht nur Israel, sondern steht auch an der Spitze einer Kampagne westlicher Politiker und Medien, die alle davon überzeugen wollen, dass die Hamas nicht die palästinensische Öffentlichkeit im Allgemeinen repräsentiert.

Biden und andere versuchen, ein Bild der Hamas als isolierte Randbewegung zu zeichnen, die im Gegensatz zu den „friedlicheren” Tendenzen der Mehrheit der Palästinenser steht. Aber ist das wirklich so?

Auf welche Beweise stützen Biden und andere diese Einschätzung? Sicherlich nicht auf Umfragen in der palästinensischen Öffentlichkeit oder darauf, was die palästinensischen Massen, die auf die Straße gehen, skandieren.

Und wenn Biden zu dem Schluss kommt, die Massen von Israelis, die vor diesem Krieg jede Woche in Tel Aviv auf die Straße gingen, um gegen die Justizreform zu protestieren, repräsentierten die israelische Öffentlichkeit im Allgemeinen, dann müssen wir das Gleiche auch für die Palästinenser annehmen.

Was also sagen uns die Palästinenser?

Am Freitagmorgen veröffentlichte die Palästinensische Autonomiebehörde von Mahmud Abbas, mit dem sich Biden in dieser Woche zu treffen versuchte, ein offizielles Regierungsdokument, in dem die Moscheen in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgefordert werden, Predigten zu halten, in denen zur Vernichtung der Juden aufgerufen wird.

In dem Dokument wird in Bezug auf den Gaza-Krieg betont, dass „unser palästinensisches Volk keine weiße Fahne hissen kann, solange die Besatzung [sic] nicht beseitigt und ein unabhängiger palästinensischer Staat mit Jerusalem als Hauptstadt errichtet ist”.

Als die PA davon sprach, das palästinensische Volk könne sich nicht ergeben, machte sie keinen Unterschied zwischen der Hamas und dem Rest der palästinensischen Gesellschaft.

Mehr noch, die Regierung Abbas nahm in das offizielle Dokument die alte antisemitische islamische Referenz (aus dem Hadith) auf:

„Die Stunde wird erst kommen, wenn die Muslime gegen die Juden kämpfen und die Muslime sie töten, bis der Jude sich hinter einem Stein oder einem Baum versteckt und der Stein oder der Baum sagt: ‘O Muslim, o Diener Allahs, hinter mir ist ein Jude, komm und töte ihn.’”

Die israelische Organisation Regavim nannte das Dokument eine klare Kriegserklärung der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Sollten Abbas und sein Regime jedoch gehofft haben, mit einer Anlehnung an die Hamas zu punkten, so zeigen die Umfragedaten, dass sie damit gescheitert sind. Die palästinensische Öffentlichkeit würde es immer noch vorziehen, von der Hamas regiert zu werden.

Palestinian Media Watch berichtete über große palästinensische Demonstrationen in Ramallah, Hebron und Nablus am Mittwoch, bei denen die Massen skandierten: „Wir wollen Hamas!” und „Das Volk will [Abbas] stürzen!”

PMW weist auch darauf hin, dass die jüngsten Wahlen der Studentenvereinigungen an der Birzeit-Universität in Ramallah und der An-Najah-Universität in Nablus beide von der Hamas gewonnen wurden.

Und eine Umfrage des FIKRA-Forums des Washingtoner Instituts für Nahostpolitik vom Juli ergab, dass 57 % der Bewohner des Gazastreifens zumindest eine einigermaßen positive Meinung von der Hamas haben – ebenso wie ähnliche Prozentsätze der Palästinenser im Westjordanland (52 %) und in Ostjerusalem (64 %).

Mit anderen Worten: Wenn heute Wahlen abgehalten würden, würde die Hamas gewinnen. Aus diesem Grund wurden seit 2006 keine Wahlen mehr abgehalten, und Abbas befindet sich nun im 18. Jahr seiner vierjährigen Amtszeit.

Der ehemalige Premierminister Naftali Bennett erklärte am Donnerstag, die Israelis müssten einen klaren Kopf bewahren, auch wenn die internationale Gemeinschaft es vorzieht, die Augen zu schließen und die Ohren vor der Wahrheit zu verschließen.

Bennett tweetete:

“Die Wahrheit muss gesagt werden:

Die meisten Bewohner des Gazastreifens unterstützen die Hamas, und viele von ihnen unterstützen mit Begeisterung den Mord an unschuldigen Juden.

Ich habe oft und in letzter Zeit von verschiedenen führenden Politikern der Welt die Behauptung gehört, die Mehrheit der Bevölkerung des Gazastreifens werde von der Hamas gefangen gehalten und sei im Allgemeinen friedliebend.

Das ist einfach nicht wahr.

Die Mehrheit der Bevölkerung im Gazastreifen unterstützt die Hamas und ihre Mission, Israel zu zerstören.“

“Freunde,

die Hamas ist auf die breite Unterstützung der Bewohner des Gazastreifens angewiesen.

Ohne diese Unterstützung könnte die Hamas nicht existieren.

Das ist die bittere Realität.

Daraus sollte man nicht schließen, dass Israel darauf abzielen wird, Zivilisten zu verletzen.

Das ist nicht unser Weg.

Aber wir dürfen uns nicht selbst belügen.

Ihr müsst die Wahrheit kennen.”

Es stimmt, dass die Hamas nicht alle Palästinenser vertritt. Wir kennen persönlich einige palästinensische Araber, die von der Hamas angewidert sind und nicht Israel, sondern die Terrorgruppe für all ihre Probleme verantwortlich machen.

Aber die traurige Tatsache ist, dass sie in der Minderheit sind.

Die Hamas ist beliebt und mächtig, weil die palästinensische Öffentlichkeit sie dazu gemacht hat. Die islamistische Gruppe hätte nie zu dem werden können, was sie heute ist, wenn sie nicht auf fruchtbaren Boden gestoßen wäre.

Vor siebzehn Jahren stimmte die palästinensische Öffentlichkeit sogar für die Hamas und verschaffte ihr eine solide Mehrheit im palästinensischen Parlament. Es stimmt zwar, dass die Hälfte der heutigen Palästinenser damals entweder nicht lebte oder nicht wählen konnte. Aber wie die oben erwähnten Umfragedaten, Universitätswahlen und Massendemonstrationen zeigen, ist die nächste Generation extremer als ihre Eltern.

Leider ist dies ein Problem, das wahrscheinlich auch mit der militärischen Niederlage der Hamas in Gaza nicht gelöst werden kann.

Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten die Ideologien, die die Kriegskampagne der Achsenmächte angeheizt hatten, auf der Bildungsebene ausgerottet werden, damit ein neues Deutschland und ein neues Japan entstehen konnten. Das wird hier nicht geschehen. Israel wird nicht versuchen, die Palästinenser umzuerziehen und die islamistische Ideologie aus ihren Schulen und Moscheen zu verbannen. Und wenn es das versuchen würde, würde die Welt es nicht zulassen.

Und so warten wir darauf, dass der nächst IS entsteht und der nächste Krieg ausbricht.

Anmerkung von Wolf Paul: 

Das gleiche Argument, anders ausgedrückt, lautet: Die Palästinenser in Gaza sind nicht für die Verbrechen der Hamas verantwortlich, sie sind vielmehr Opfer, Das könnte man sagen, wenn es in Gaza nennenswerten Widerstand gegen die Hamas gäbe, Bürger von Gaza aktiv dafür arbeiten, die Hamas von der Macht zu treiben. Sicherlich gibt es einige solche, aber man hört nicht viel von ihnen. Die schweigende (und teilweise jubelnde) Mehrheit in Gaza ist genauso für die Verbrechen der Hamas verantwortlich, wie die schweigende Mehrheit in Deutschland und Österreich an den Verbrechen der Nazizeit mitschuldig war. In der Opferrolle hat sich auch Österreich jahrzehntelang gefallen; erst fünfzig Jahre nach Kriegsende wurde die Mitschuld der Österreicher durch Franz Vranitzky – völlig zurecht und lange überfällig – anerkannt.


Dieser Artikel wurde ursprünglich bei Israel Heute veröffentlicht. Copyright ©2023 Israel Heute. Used by permission.

Das Titelbild von Wisam Hashlamoun zeigt Palästinenser in Hebron/Westjordanland, die zur Unterstützung der Hamas und ihrer Verbrechen gegen Israel demonstrieren.

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  1. Ryan Jones sagt über sich selbst, “Ryan Jones sagt über sich selbst: „Ich bin ein christlicher Nichtjude aus den Vereinigten Staaten, der seit 1996 in Israel lebt. Das war das Jahr, in dem meine örtliche Kirchengemeinde plötzlich erkannte, dass Israel immer noch existiert, und dass ihre biblische Geschichte und Mission nach wie vor andauern. In Jerusalem traf ich später meine Frau, eine in Israel geborene Christin mit niederländischen Wurzeln, deren Eltern aus den gleichen Gründen, nur einige Jahrzehnte früher, in den jüdischen Staat gekommen waren. Meine Frau und ich leben mit unseren sieben Kindern in der Stadt Tzur Hadassah im Großraum Jerusalem, und wir sind aktive Mitglieder in der örtlichen messianisch-jüdischen Gemeinde.“ Seit 2007 arbeitet Ryan als Schriftsteller und Redakteur für Israel Today. Zuvor hat er für eine Reihe anderer Online- und Printpublikationen geschrieben, die sich mit aktuellen Ereignissen im Nahen Osten beschäftigen.[]
  2. Israel Heute ist eine in Jerusalem ansässige Nachrichtenagentur, die objektive jüdische und neutestamentliche Perspektiven auf lokale Nachrichten bietet. Die im Jahr 1978 gegründete Agentur gab zunächst ein monatliches deutsches Nachrichtenmagazin heraus, dann kam die englischsprachige Ausgabe von Israel Today im Januar 1999 hinzu, um der wachsenden Nachfrage nach Nachrichten aus Israel für den englischsprachigen Markt gerecht zu werden. Über die Jahre hat Israel Heute Ausgaben auf Japanisch, Koreanisch, Niederländisch, Norwegisch und Chinesisch hinzugefügt. Israel Heute unterhält einen vielfältigen Mitarbeiterkreis lokaler Journalisten, die im Land leben und daher aus erster Hand berichten und eine Mischung aus Informationen, Interviews, Inspiration und dem täglichen Leben in Israel bieten. Israel Heute hat das Anliegen, eine maßgebliche Quelle für wahrheitsgemäße, ausgewogene, biblische Nachrichtenperspektiven über Israel zu sein; und zeitnahe Nachrichten direkt aus Jerusalem – dem Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit – zu liefern. Dies ist besonders wichtig in diesen Zeiten, in denen wir sehen, wie sich prophetische Ereignisse vor unseren Augen entfalten.[]

Gedanken zum aktuellen Krieg in Israel

2023-10-16 Wolf Paul

  • Ich erwähne in meinen Kommentaren zu den aktuellen Ereignissen in Israel die biblischen Aussagen über das Land und Volk Israel kaum, und zwar ganz bewußt,mit Ausnahme der Aufforderung, für den Frieden Jerusalems zu beten. Denn erstens haben biblische Aussagen und göttliche Verheißungen in unserer sekularisierten Welt kein besonders großes Gewicht, zweitens beruft sich die Hamas ebenso auf göttliche Verheißungen “from the river to the sea“, zwar nicht aus dem Koran sondern aus anderen islamischen Quellen[1], und ich erwarte nicht wirklich, daß die sekularisierte Weltöffentlichkeit diese zwei, einander widersprechenden Ansprüche versteht und objektiv beurteilt (das schaffen ja, zu ihrer Schande, nicht einmal manche hochrangigen Vertreter christlicher Kirchen), und schließlich reicht meiner Meinung nach ein Blick auf die Geschichte dieses Landes, einschließlich der Umstände der Entstehung des Staates Israel im 20. Jahrhundert, durchaus aus, das Existenzrecht Israels und das Lebensrecht sowohl von Juden und Arabern sowie von anderen, kleineren Bevölkerungsgruppen “vom Fluß bis zum Meer” zu begründen und zu rechtfertigen.
  • Vor der Gründung des modernen Staates Israel, unter der Ägide der UNO, gab es bereits 1947 einen Plan, der die Aufteilung des Mandatsgebietes Palästina in einen arabischen und einen jüdischen Staat vorsah, mit einem Sonderstatus für Jerusalem; dieser Plan wurde von den arabischen Staaten kategorisch abgelehnt, weshalb sie Israel unmittelbar nach dessen Unabhängigkeitserklärung 1948 angriffen. Ein Jahr später kam es zu einem Waffenstillstand, in dessen Gefolge der Gazastreifen von Ägypten und das Westjordanland von Jordanien annektiert wurden.

  • Die Gründung Israels durch die Staatengemeinschaft der UNO, mit Unterstützung vor allem von Großbritannien und USA, war vor allem von ihrem schlechten Gewissen getrieben, weil sie in den Jahren zuvor beim Holocaust weggeschaut und den Juden keine oder zu wenig Zuflucht und Hilfe angeboten hatten. Als unmittelbar nach der Ausrufung des Staates Israel dieser von den arabischen Staaten angriffen wurde, haben die UNO und die westlichen Staaten wieder weggeschaut, statt den arabischen Staaten unmißverständlich klar zu machen, daß dies nicht toleriert wird. Umso verwerflicher ist es, wenn die UNO jetzt ihre Sorge um die Zivilbevölkerung von Gaza auf eine Weise ausdrückt, die Israel im Grunde genommen das Recht auf Selbstverteidigung abspricht.[2]

  • Nach dem, von Ägypten und anderen arabischen Staaten provozierten, Sechs-Tage-Krieg 1967, aus dem Israel unerwarteterweise siegreich hervorging, besetzte Israel das Westjordanland, den Gazastreifen und die Golanhöhen — dies läßt sich ohne jede Bezugnahme auf die biblischen Grenzen Israels, allein mit den legitimen Sicherheitsinteressen des Staates begründen und rechtfertigen.

  • Das Hauptproblem in all den Jahren seit der Gründung des Staates Israel ist die Weigerung gewisser arabischer Kreise, die Existenz eines Judenstaates in Palästina zu tolerieren; wobei man dazusagen muß, daß es in Regierungskreisen vieler Staaten hier ein Umdenken gegeben hat und etliche arabische Staaten inzwischen in normalen  Beziehungen zu Israel stehenDer Haupt-Kriegstreiber ist inzwischen nicht ein arabisches Land, sondern der fundamentalistisch-islamische Iran, der sowohl die Hizbollah im Libanon als auch die Hamas in Gaza finanziert.

  • Wenn man weit genug in der Geschichte zurückgeht und die Dinge ohne jeglichen religiösen Überlegungen betrachtet, dann haben die Juden (das Volk Israel) das Land zwischen Mittelmeer und Jordan vor ca. 3000 Jahren erobert, und Araber sind seit mehr als tausend Jahren dort ansässig (seit das Land unter osmanischer Herrschaft stand) — beide können daher das Recht für sich reklamieren, dort zu leben. Im Lauf der Geschichte hat das Land immer wieder den Besitzer gewechselt, meistens in Form der Eroberung durch den Sieger eines Krieges. So gesehen ist die Besetzung Gazas und des Westjordanlandes durch Israel (die ja ihrerseits erst ein paar Jahre zuvor durch Ägypten und Jordanien annektiert worden waren) im Gefolge des Sechs-Tage-Krieges nichts ungewöhnliches.

  • Im Jahr 2005 verließ Israel, als Teil von “Land gegen Frieden”-Überlegungen, den Gazastreifen und übergab ihn der Fatah-dominierten Palästinensischen Autonomiebehörde als Vertreterin der Palästinenser. Zwei Jahre später vertrieb Hamas die Fatah, und benutzt den Gazastreifen seither als Basis, um Israel ständig und auf verschiedenste Weise anzugreifen. Das Ziel der Hamas und ihrer iranischen Geldgeber, Israel zu zerstören und die Juden umzubringen oder zumindest zu vertreiben, ist religiös motiviert (es entspringt ihrem Islam-Verständnis) und hat für sie einen wesentlich größeren Stellenwert als das Leben und Wohlergehen der Zivilbevölkerung im Gazastreifen.

  • Ich bin nicht für den Krieg. Er bringt unvorstellbares Leiden über die Menschen. Aber angesichts eines Feindes, der sich so benimmt wie die Hamas am 7. Oktober 2023, und der nicht nur in seiner Charta das Existenzrecht Israels leugnet, sondern sich auch auf ein Hadith[3] beruft, das die Muslime aufruft, Juden abzuschlachten[4], kann ich die israelische Entscheidung, sich mit militärischen Mitteln zu verteidigen, verstehen und nachvollziehen — auch wenn dies aufgrund der Strategien der Hamas zu zivilen Todesopfern führt.

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  1. Aus der Hamas-Charta von 1988: “Die Islamische Widerstandsbewegung glaubt, dass das Land Palästina ein islamisches Waqf ist, das für zukünftige muslimische Generationen bis zum Tag des Gerichts geweiht ist. Es, oder irgendein Teil davon, sollte nicht verschwendet werden: Es, oder irgendein Teil davon, sollte nicht aufgegeben werden. Weder ein einzelnes arabisches Land noch alle arabischen Länder, weder irgendein König oder Präsident, noch alle Könige und Präsidenten, weder irgendeine Organisation noch alle von ihnen, seien sie palästinensisch oder arabisch, besitzen das Recht dazu. Palästina ist ein islamisches Waqf-Land, das für muslimische Generationen bis zum Tag des Gerichts geweiht ist. Da dies so ist, wer könnte beanspruchen, das Recht zu haben, muslimische Generationen bis zum Tag des Gerichts zu vertreten?
    Dies ist das Gesetz, das das Land Palästina in der islamischen Sharia (Gesetz) regiert, und dasselbe gilt für jedes Land, das die Muslime mit Gewalt erobert haben, denn während der Zeiten der (islamischen) Eroberungen haben die Muslime diese Länder für muslimische Generationen bis zum Tag des Gerichts geweiht.
    Es geschah so: Als die Führer der islamischen Armeen Syrien und den Irak eroberten, schickten sie an den Kalifen der Muslime, Umar bin-el-Khatab, um seinen Rat bezüglich des eroberten Landes zu erbitten – ob sie es unter den Soldaten aufteilen sollten oder es den Besitzern überlassen sollten oder was? Nach Beratungen und Diskussionen zwischen dem Kalifen der Muslime, Omar bin-el-Khatab, und Gefährten des Propheten, Allah segne ihn und schenke ihm Heil, wurde entschieden, dass das Land seinen Besitzern überlassen werden sollte, die von seinen Früchten profitieren könnten. Was die eigentliche Eigentümerschaft des Landes und des Landes selbst betrifft, sollte es für muslimische Generationen bis zum Tag des Gerichts geweiht bleiben. Diejenigen, die sich auf dem Land befinden, sind nur dort, um von seinen Früchten zu profitieren. Dieses Waqf bleibt bestehen, solange Erde und Himmel existieren. Jedes Verfahren, das im Widerspruch zur islamischen Sharia steht, was Palästina betrifft, ist nichtig und unwirksam.”[]
  2. Da die Hamas seit ihrer Machtübernahme im Gazastreifen (2007) ihre Terror-Infrastruktur (Waffenlager, Kommandozentralen, Raketen-Abschußbasen, etc) systematisch in zivilen Wohngegenden, neben und sogar in Krankenhäusern, Schulen, und Kindergärten positioniert, sodaß es unmöglich ist, diese legitimen militärisch/terroristischen Ziele anzugreifen, ohne daß es zu massiven Opfern unter der Zivilbevölkerung kommt, wird Israel’s Möglichkeit der Selbstverteidigung stark eingeschränkt — vor allem, da ein Großteil der Weltpresse dabei mitspielt und bei israelischen Verteidigungsschlägen die zivilen, palästinensischen Opfer in ihrer Berichterstattung hervorhebt. Solche Terror-Einrichtungen finden sich übrigens auch in Schulen, die von der UNO betrieben werden — ohne daß man regelmäßige Proteste der Weltorganisation dagegen hört.[]
  3. Die Hadithe (Plural, Singular: Hadith) sind eine Sammlung von Überlieferungen, Aussprüchen und Handlungen des Propheten Mohammed und seiner Weggefährten. Die Bedeutung der Hadithe ergibt sich daraus, dass die Handlungs- oder Lebensweise (Sunna) Mohammeds neben dem Koran normativen Charakter haben.[]
  4. z.B. Sahih Muslim, 41:2922: “Abu Huraira reported Allah’s Messenger (may peace be upon him) as saying: The last hour would not come unless the Muslims will fight against the Jews and the Muslims would kill them until the Jews would hide themselves behind a stone or a tree and a stone or a tree would say: Muslim, or the servant of Allah, there is a Jew behind me; come and kill him; but the tree Gharqad would not say, for it is the tree of the Jews.” sowie andere[]

Traurige Kollateralschäden

2023-10-10 Wolf Paul

Es ist eine traurige Wahrheit, daß ein Krieg nie nur die Bevölkerung das angegriffenen Landes oder Territoriums mit Tod und Zerstörung trifft, sondern immer auch die Bevölkerung des angreifenden Landes oder Territoriums. Das Kriegsvölkerrecht sollte das zwar so weit wie möglich verhindern, aber wenn die Angreifer ihre militärische (oder in diesem Fall, besser terroristische) Infrastruktur in, unter, und neben zivilen Einrichtungen wie Spitälern, Schulen, und Wohnblocks plazieren, wie das Hamas im Gazastreifen seit Jahren macht, dann leidet die Zivilbevölkerung, weil sich die Verteidiger dann nicht leisten können, darauf Rücksicht zu nehmen. [1]

Wie der britische Außenminister James Cleverly gestern sagte, die Hamas habe „die Notlage des palästinensischen Volkes aufgrund dieser terroristischen Aktionen, die sie gegen Kinder, gegen Zivilisten und gegen alte Menschen in Israel verübt hat, unermesslich verschlimmert. … Die Hamas verursacht Schmerz und Leid sowohl in Israel als auch in Gaza.“

Und das besonders perfide mit Gaza und Hamas ist die Tatsache, daß die obersten Führer der Hamas im komfortablen und sicheren Exil in Katar und Ägypten leben, und daher das Leid, das sie über ihr Volk gebracht haben, selbst nicht erleben.

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  1. Wobei man dazusagen muß, das Israel bis zum 6. Oktober  im allgemeinen die Bevölkerung vor Luftangriffen zu warnen versucht hat, damit sich die Menschen in Sicherheit bringen können, diese jedoch oft von Hamas-Terroristen daran gehindert und festgehalten wurden, weil zivile Opfer israelischer Angriffe ein probates Propagandamittel sind. Ich kann mir nicht vorstellen (und die Berichterstattung zeigt es auch), daß Israel diese Praxis auch nach diesem 7. Oktober aufrecht halten wird, und habe dafür auch ein gewisses Verständnis.[]

Das G’frett mit dem Gendern

2023-08-20 Wolf Paul

Es is scho a G’frett mit dem Gendern:

In einem sehr interessanten Artikel mit dem Titel “A Eitrige mit an Buggl” beschreibt der stellvertretende auto  touring Chefredakteur Alexander Fischer die sieben besten Würstelstände in Wien sowie die Tauglichkeit des Honda Civic Type R Heckflügels als Stehtischchen.

Aber was mir gleich in den ersten paar Absätzen aufgefallen ist:

Warum schreibt Herr Fischer zwar von den Leser:innen und Wiener:innen, nicht jedoch von den Veganer:innen, Bruncher:innen, und Nachtschwärmer:innen?
Und auch die Würstelmänner und die (deutschen) Touristen scheints nur männlich zu geben. Ist auto touring nur selektiv inklusiv? Werden sich da die Veganerinnen, Bruncherinnen, Nachtschwärmerinnen, Würstelfrauen und Touristinnen nicht ausgegrenzt und diskriminiert fühlen?

Nun: Ich finde die Veganer, Buncher, Nachtschwärmer und Touristen genauso wenig sexistisch oder diskriminierend wie der Mensch; das ist jeweils ein generisches Maskulinum, eine grammatische Form, die beide Geschlechter umfaßt.  [1]

Der Rat für deutsche Rechtschreibung (RdR), die Regulierungsinstitution der Rechtschreibung des Standardhochdeutschen für Deutschland, Österreich, die Schweiz, Südtirol, Liechtenstein und die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, empfiehlt übrigens, auf Binnen-I, Gender-Sternchen, Gender-Doppelpunkt und andere fragwürdige Konstrukte zu verzichten, und bei Bedarf “Leserinnen und Lesern”, “Wienerinnen und Wienern”, “Touristinnen und Touristen”, usw., zu schreiben.

 

Das Titelbild, Würstelstand Kaiserzeit bei der Augartenbrücke in Wien 2, stammt von Guggerel und ist frei verfügbar unter der CCO-Lizenz.

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  1. Das generische Maskulinum umfaßt sogar alle Geschlechter, wenn man, aus welchen Gründen auch immer, an die Existenz einer Vielzahl von Geschlechtern glaubt, im Gegensatz zu den diversen komischen Genderkonstrukten, die nur Männlein und Weiblein umfassen. Das “generische Maskulinum” ist daher fortschrittlicher und inklusiver als alle Genderkonstrukte 😉 .[]

“Diese Rufnummer ist nicht vergeben.”

2023-08-10 Wolf Paul

Ich habe soeben einen Anruf von der Rufnummer +43684937284 erhalten.

Die sehr freundliche Dame (sie sprach Deutsch mit ausländischem Akzent) sagte, sie rufe von Microsoft an und fragte mich, ob ich einen Microsoft-Computer besitze. Auf meine bejahende Antwort wurde ich zu einem ebenso freundlichen Herrn (auch der sprach Deutsch, aber mit einem etwas anderen ausländischen Akzent) verbunden, der mich informierte, daß er der Cheftechniker bei Microsoft sei, daß ich ein Internet-Problem auf meinem Microsoft-Computer habe und all meine Daten ausspioniert würden.

Auf meinen Einwand, daß ich kein Problem habe, antwortete er, schon etwas weniger freundlich, daß ich ein normaler Benutzer sei und keine Ahnung davon habe, wovon ich rede.

Als ich erwiderte, daß ich sehr wohl eine Ahnung habe, hängte er auf.

Schade, denn ich hätte ihn so gerne gefragt, woher Microsoft meine Rufnummer hat, und warum sie mich von einer österreichischen Mobilfunk-Rufnummer anrufen. Dann hätte ich ihn gerne gefragt, wenn es denn stimmen würde, daß alle meine Daten ausspioniert werden, warum Microsoft dieses Problem nicht schon längst durch ihre automatischen Updates beseitigt hat. Und ich hätte ihn gerne gefragt, warum bei einer Riesenfirma wie Microsoft der “Cheftechniker” Kundensupport-Anrufe macht. Aber zu meinen Fragen bin ich gar nicht gekommen.

Oh, bevor ich es vergesse: ich habe diese Rufnummer dann versucht, zurückzurufen, weil ich es als sehr rüde und unhöflich empfand, daß der Typ einfach aufgelegt hat. Das Resultat: “Diese Rufnummer ist nicht vergeben.”

Der McDonald Test

Wolf Paul

Dieser Artikel erschien vor ein paar Jahren in der englischsprachigen Zeitschrift der Bruderhof-Gemeinschaft, und obwohl er sich naturlich in erster Linie auf die Situation in den USA bezieht, glaube ich, daß er auch für uns hier im deutschsprachigen Europa wertvolle Gedankenanstöße und Lektionen enthält; deshalb gibt es ihn hier in deutscher Ubersetzung. Links auf das englische Original sowie Informationen über die Bruderhof-Bewegung und ihre Niederlassungen in Österreich gibt es am Ende des Artikels.

Der McDonald’s-Test
Das Amerika der hintersten Reihe lieben zu lernen

Von Chris Arnade
3. Juli 2019

Chris Arnade, einst Wall-Street-Banker, reiste drei Jahre lang kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten, um „die Orte zu besuchen, an die man nicht gehen sollte“. Seine Reisen führten ihn von der Bronx über die Ozarks nach East Los Angeles. Was er gelernt hat, teilt er in „Dignity“, einem brandheißen neuen Buch voller Essays und Fotojournalismus. Peter Mommsen von Plough traf sich mit ihm, um über Fast-Food-Läden, Ladenkirchen, Leistungsgesellschaft und die Frage zu sprechen, ob man Bettlern Geld geben sollte.

Plough: Was hat Sie dazu bewogen, dieses äußerst zeitaufwändige Projekt zu starten?

Chris Arnade: Es begann im Jahr 2012, als ich Anleihenhändler für eine renommierte Wall-Street-Bank war. Ich hatte das bereits zwanzig Jahre gemacht und wollte mehr von der Welt sehen. Also begann ich, lange Spaziergänge durch New York City zu unternehmen. Und schon bald fand ich mich an Orten, von denen mir die Leute in meiner sozialen Schicht abgeraten hatten, dorthin zu gehen.

Einer davon war Hunts Point, ein Viertel in der South Bronx[1], das als Zentrum für Drogen und Prostitution gilt. Letztendlich habe ich dort drei Jahre verbracht. Ich kam Obdachlosen, Sexarbeiterinnen und Süchtigen sehr nahe – einige ihrer Geschichten kommen in dem Buch vor. Es war einfach mein Versuch, Menschen zuzuhören, denen sonst niemand zuhören würde.

Im Jahr 2015 beschloss ich, mich auch mit anderen Orte in den Vereinigten Staaten zu beschäftigen, die ignoriert werden oder über die negativ gesprochen wird. Orte wie Lewiston, Maine, Bakersfield, Kalifornien oder El Paso, Texas.

In dieser Zeit haben Sie über 240.000 Kilometer zurückgelegt. Welche Motivation hat Sie am Laufen gehalten?

Eine Motivation war politischer Natur: ein Gefühl der Empörung. Wenn man in Hunts Point geboren wird, gibt es viele Dinge, die gegen einen sprechen. Es scheint, als wäre unser gesamtes Rechts-, Wirtschafts- und Kultursystem gegen diese Kinder gerichtet. Dennoch unterscheiden sie sich nicht von den Menschen, die man in der Upper East Side[2] findet – sie sind nicht dümmer, sie sind nicht weniger fleißig. Hier war ich, jemand, der zwanzig Jahre lang ein angenehmes Leben in New York geführt hatte und sich selbst als Liberalen betrachtete, in dieser Stadt, in der schreckliche Armut und Ungerechtigkeit herrschen. Ich wollte herausfinden, ob das auch anderswo der Fall ist.

Die zweite Motivation war persönlicher Natur. Die ersten ein oder zwei Jahre, in denen ich an diesem Projekt arbeitete, waren surreal, da ich noch an der Wall Street arbeitete. Am Wochenende oder abends bin ich mit meiner Kamera in „raue“ Viertel gegangen und habe mit Leuten gesprochen. Letztendlich habe ich mich entschieden, meinen Job aufzugeben und das zu tun, was ich jetzt tue, weil ich glücklicher war – glücklicher bin. Es ist ein sehr egoistischer Grund. Aber ich fühlte mich unter den Leuten in Hunts Point wohler als unter den Leuten an der Wall Street.

Fußballmannschaft der High School in Lewisto, Maine, wo es eine starke somalische Gemeinde gibt

Als Sie eine heruntergekommene Stadt in Missouri besuchten, begrüßten Sie die Einheimischen mit den Worten: „Sie müssen hier sein, um über Crystal Meth zu schreiben.“ Wie vermeidet ein Buch über arme Orte Voyeurismus?

Der Ausdruck, den die Leute dafür verwenden, ist „Armutsporno“. Mein Comeback ist: „Ich denke, wir brauchen etwas mehr Armutspornos. Wir haben genug Luxuspornos.“

Natürlich gibt es eine schlechte Art, über die Menschen an diesen Orten zu schreiben. Ich denke, es geht ausschließlich um Methodik und Absicht. Ich gehe manchmal in Ort- oder Nachbarschaften, ohne vorher etwas darüber zu lesen, um keine vorgefassten Meinungen mitzubringen.

Ein Ort, den ich besuchte, war Prestonsburg, Kentucky. Das Zentrum dieser Ortschaft ist ein Platz mit einem McDonald’s und einem Walmart.[3] Jeden Tag, als ich dort war, sah ich einen Mann, der draußen auf einem Picknicktisch Zigaretten rauchte; Er arbeitete in einer Nachtschicht in einem der Geschäfte. Jeden Tag weigerte er sich zu reden. Nach zwölf Tagen sagte er: „Gut, Sie können ein Foto von mir machen.“ Wir unterhielten uns, er gab mir ein paar Zitate und wir lachten. Am Ende sagte er: „Erzählen Sie nicht nur die Geschichte, wie Prestonsburg voller Drogen und Süchtiger ist. Ich hoffe, Sie erzählen auch die Geschichte darüber, dass wir gute Menschen sind.“

Das ist meine Absicht mit diesem Buch. In allen Ortschaften und Nachbarschaften, die ich besuchte und die so unterschiedlich waren, spürte ich den gleichen Wunsch nach Würde.

Unterwegs haben Sie achthundert McDonald’s-Restaurants besucht. Warum?

Mein altes Ich, mein erfolgreiches Anleihenhändler-Ich, hielt McDonald’s immer für einen peinlichen Ort, den ich nie aufsuchen würde. Aber als ich anfing, Hunts Point zu besuchen, aß ich ständig bei McDonald’s. Es war einer der wenigen öffentlichen Orte in der Nachbarschaft, die funktionierten.

Ich freundete mich eng mit einigen obdachlosen Heroinsüchtigen an, und ihr Leben drehte sich in vielerlei Hinsicht um McDonald’s. Hier gehen sie auf die Toilette, um sich zu waschen. Hier können sie ihr Telefon anschließen und aufladen. Hier können sie einfach eine Stunde lang ruhig dasitzen und ungestört der Hitze oder Kälte entfliehen. Dort bekommen sie auch günstiges Essen. Ich respektiere das Essen vielleicht nicht aus ethischen Gründen, aber es ist billig und schmeckt gut. Für Leute, die nicht viel Geld haben, zählt das viel. Da herrschte ein echtes Gemeinschaftsgefühl.

Mir wurde klar, dass die McDonald’s-Restaurants im ganzen Land tatsächlich Gemeinschaftszentren waren. In Städten, in denen die Dinge wirklich nicht funktionieren, in denen staatliche Dienste versagen und gemeinnützige Organisationen und der Privatsektor den Menschen nicht helfen, ist McDonald’s einer der wenigen Orte, der noch geöffnet ist, noch über funktionierende Toiletten verfügt und wo das Licht brennt.

Schließlich kam ich auf den sogenannten McDonald’s-Test. Die allgemeine These meines Buches ist, dass unsere Gesellschaft die Menschen in das einteilt, was ich die erste und die hintere Reihe nenne – die privilegierte Klasse, zu der ich früher gehörte, die finanziell abgesichert ist und in sicheren Gegenden mit guten Schulen und öffentlichen Dienstleistungen lebt – und alle anderen. Der Test besteht darin, eine Person zu fragen: Wie sehen Sie McDonald’s? Meiner Erfahrung nach verrät die Antwort meist, ob jemand zur ersten oder zur hinteren Reihe gehört.

Ich verstehe die Anti-McDonald’s-Stimmung – was diese riesigen globalen Konzerne in dieser hart umkämpften, extrem materialistischen Welt getan haben. Diesen Unternehmen geht es darum, in die Nachbarschaften zu kommen, dort Geld zu verdienen und es wieder herauszunehmen, und natürlich trifft das auch auf McDonald’s zu.

Aber die Realität ist, dass McDonald’s im Leben armer Menschen wichtig ist. Die Menschen wollen wirklich ein Gemeinschaftsgefühl – sie sehnen sich so sehr nach dem Sozialen, dass sie Gemeinschaften an Orten bilden, die ausschließlich auf Transaktionen ausgerichtet sind. McDonald’s ist natürlich darauf ausgelegt, dich so schnell wie möglich rein- und wieder rauszuholen. Aber was ich fand, waren Gruppen für alte Männer, Gruppen für alte Frauen, Bibelstunden und Schachspiele.

Bingo-Tag in einem McDonald’s in Louisiana

Sie haben auch viele Kirchen besucht. Wie war das für mich als Atheist?

Als ich anfing, war ich auf jeden Fall Atheist; jetzt ist es komplizierter. Ursprünglich ging ich aus dem gleichen Grund in die Kirche wie zu McDonald’s: Die Leute, mit denen ich sprach, gingen dorthin. Ich machte keinen Unterschied, sondern ging einfach in die Kirche oder Moschee, die es dort gab, von der Religion, die die Bevölkerung widerspiegelte.

So wie McDonald’s, funktionierten auch die Kirchen. Sie waren oft die einzigen Einrichtungen, die beleuchtet und funktionsfähig waren; Normalerweise handelte es sich dabei um Ladenkirchen[4]. Man ging eine Straße entlang, die mit Brettern vernagelt war, verlassene Gebäude und dann war da eine Kirche. Ihre Türen waren nicht geschlossen.

In meinem Buch gibt es nicht viele Erfolgsgeschichten – es gibt fast niemanden, der aus einem negativen Lebensstil herausgekommen ist. Die einzigen Menschen, denen es gelang, taten es durch den Glauben – durch die Kirche. Und so empfand ich zunächst widerwilligen Respekt und dann vollen Respekt vor dem, was die Kirchen tun.

Viele der Menschen, die Sie getroffen haben und deren Lebensstil im Widerspruch zum traditionellen Glauben steht – zum Beispiel eine transsexuelle Prostituierte – stellen die Bibel immer noch in den Mittelpunkt ihres Lebens.

Wenn Sie in ein Crack-Haus gehen, finden Sie eine Bibel oder einen Koran. Es werden alle möglichen verrückten Dinge passieren, aber sie werden religiöser Natur sein. Ein Teil davon ist der Öffentlichkeitsarbeit geschuldet: die Religionsgemeinschaften leisten hervorragende Arbeit im Dienst an den Armen. Aber sie finden auch in der Bibel und in den Kirchen eine Gemeinschaft, die sie versteht. Ja, es gibt religiöse Kreise, die sie verurteilen, aber die meisten dieser Kirchen verlangen nicht viel. Sie sagen: „Versuche, diesen Lebensstil zu leben, und wir werden dich akzeptieren.“

Ich denke auch, dass das, was sie in der Bibel sehen, eine Akzeptanz des Scheiterns ist, oder zumindest die Erkenntnis, dass jeder ein Sünder ist und dass wir alle gefallen sind und dass wir das alles nicht wirklich verstanden haben. Und dass es da draußen etwas gibt, das größer ist als wir. Wenn Sie in einem Crack-Haus leben und die enormen Ungerechtigkeiten dieser Welt auf einer emotionalen Ebene sehen, ist die Vorstellung, dass dies alles ist, was existiert, überhaupt nicht verlockend.

Menschen wie ich – wohlhabend, gebildet, wissenschaftlich – haben sich von den Beweisen des Glaubens entfernt. Ich denke, es ist viel einfacher, die Bibel als etwas Wichtiges zu betrachten, wenn man auf der Straße lebt und die Sterblichkeit, das Scheitern und die Demut versteht.

Wie haben Ihre Reisen Ihre Ansichten über Erfolg und Leistungsgesellschaft verändert?

In unserer Gesellschaft beurteilen wir einander nach Bildung – die Idee dahinter ist, dass Bildung das Wichtigste im Leben ist und dass es du selbst schuld bist, wenn du dabei versagst. Selbst in höflicher Gesellschaft kann man sich über jemanden lustig machen, der in der Schule nicht gut abschneidet. Wir haben nicht nur ein System, das Bildung belohnt, wir haben auch eine sehr enge Definition dessen, was Klugheit bedeutet.

Portsmouth, Ohio

Diese Denkweise ist zutiefst materialistisch und beruht auf der Vergötterung von Qualifikationen, in der Regel einem Universitätsabschluss. Der Erfolg hängt dann davon ab, wie viel Geld Sie verdienen und wie viele Diplome Sie sammeln.

Das Problem bei einer solchen Definition von Erfolg besteht darin, dass man zwar leicht messen kann, wie viel Bildung oder Geld jemand hat, es aber sehr schwierig ist, den Wert davon zu messen, gute Eltern zu sein oder sich dafür zu entscheiden, in seiner Heimatstadt zu bleiben und sein Leben damit zu verbringen, einen Beitrag zu ihr zu leisten. Wenn es uns mit einer meritokratischen Denkweise nicht gelingt, Dinge zu finden, die wir beziffern können, neigen wir dazu, ihren Wert zu übersehen.

Wie sehen alternative Erfolgsformen aus?

Als ich Zeit in Ost-Los Angeles verbrachte, einem größtenteils mexikanisch-amerikanischen Viertel, ging ich immer zu einem McDonald’s, um meine Notizen zu machen. Mir ist dort jeden Abend eine junge Frau aufgefallen. Ich fragte: „Warum bist du jede Nacht hier?“ Sie sagte: „Ich brauche das WLAN. Wir haben zu Hause kein Geld dafür.“ Sie ging zu einem Community College[5]in der Nähe.

Als sie herausfand, dass ich aus New York komme, erzählte sie mir, dass sie dort gerne zur Schule gehen würde. Ich bot ihr an, Kontakte zu guten Schulen zu vermitteln, aber sie sagte, das sei nicht möglich. Es stellte sich heraus, dass sie die älteste Tochter einer sechsköpfigen Familie war und die Übersetzerin für die Familie.

Gemessen an den üblichen Maßstäben des Erfolgs war es dumm, die Chance ausgeschlagen zu haben. Aber ich weiß nicht, ob das stimmt. Sie wollte für ihre Familie da sein.

In Reno, Nevada, traf ich einen afroamerikanischen Teenager, der die Chance, eine Universität außerhalb des Bundesstaates zu besuchen, abgelehnt hatte und stattdessen ein örtliches Community College besuchte. Sein Hauptgrund war, dass seine Mutter nach zwölf Jahren Sucht nüchtern war und er für sie da sein musste.

Ich bin der Meinung, dass diese beiden Kinder die richtige Entscheidung getroffen haben. Wenn Sie mir diese Geschichte vor zehn Jahren erzählt hätten, hätte ich das wahrscheinlich nicht gedacht. Es besteht das Gefühl, dass wir alle unabhängige Franchise-Unternehmen sein sollten, die einfach dorthin ziehen, wo wir wollen. Es gibt kein Ortsgefühl.

Welche Lektion war für Sie am schwierigsten zu lernen?

Als ich mit diesem Projekt begann, wollte ich den Drogendealern und Sexarbeitern in Hunts Point helfen. Nach ein paar Jahren wurde mir klar, dass ich die Realität der Menschen, denen ich angeblich helfe, nicht verstand.

Ich habe gelernt, dass die Realität der gebildeten Elite ganz anders ist als die Realität der Arbeiterklasse. Es reicht von dem, was man denkt, über das, was man isst, über den Ort, wo man einkauft, bis hin zu den Personen, mit denen man verkehrt. Diese Entfernung, diese Trennung bedeutet, dass man sich mit der Zeit immer weniger versteht. Die gebildete Elite versteht die Arbeiterklasse nicht und umgekehrt. Es geht in beide Richtungen, aber es ist die gebildete Elite, die sich zurückgezogen hat.

Nehmen Sie Walmart. Es gibt viele Gründe, Walmart nicht zu mögen, aber wenn Sie die Einwandererbevölkerung in einer Stadt kennenlernen möchten, beginnen Sie mit Walmart. Natürlich gehen viele Leute aus der Mittelschicht zu Walmart, aber im Allgemeinen gehen sie nicht um zwei Uhr morgens hin, wo es dann am interessantesten is. Viele Walmarts haben diese wunderbare Regelung, die es Menschen erlaubt, über Nacht zu parken, sodass Obdachlose in ihren Autos auf Walmart-Parkplätzen schlafen und dann morgens die Walmart-Toiletten benutzen. Ich fand, dass diese Geschäfte einer der besten Orte sind, um Menschen zu begegnen, die oft unsichtbar sind.

Gebildete Menschen, die ich die erste Reihe nenne, verstehen solche Details des Lebens nicht. Aber sie verstehen auch nicht, wie die Leute in der hinteren Reihe denken und worauf sie Wert legen – oft auf Familie, Ort und Glauben, nicht auf Karriere und Qualifikationen.

Ich befürchte, dass die Kluft inzwischen so groß ist, dass wir zwei verschiedene Sprachen sprechen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich zwischen den beiden übersetzen konnte.

300 Meter entfernt von er mexikanischen Grenze in E Paso, Texas

Einwanderung ist in den meisten westlichen Ländern zu einem politisch heissen Thema geworden. Kritiker der Einwanderung behaupten, dass sie die kulturelle Identität verwässere und so die Volksgemeinschaft schwäche, insbesondere in Arbeitervierteln. Haben Sie festgestellt, dass dies der Fall ist?

Nichts könnte falscher sein als diese Aussage. Das Einzige, was in diesen Städten funktioniert, ist oft die Einwanderergemeinschaft. Lewiston, Maine, war bis 1998 ausschließlich weiß und christlich – nach der Ankunft somalischer Einwanderer sind es jetzt 15 Prozent Schwarze und Muslime. Sie haben eine leere, verlassene Innenstadt in einen lebendigen Teil der Stadt verwandelt.

Für mich als Südstaatler, der die letzten Jahrzehnte in New York verbracht hat, war es oft ein Schock, kleine Städte im Süden zu besuchen und eine blühende mexikanisch-amerikanische Gemeinschaft vorzufinden. Oftmals sind sie die Einzigen, die familiengeführte Restaurants und Geschäfte in leerstehenden Stadtvierteln betreiben.

Man kann jedoch nicht leugnen, dass die Geschwindigkeit des Wandels in diesen Städten vielen älteren Menschen Angst macht. Nachbarschaften, die seit zweihundert Jahren ein starkes Gefühl der lokalen Identität haben, werden plötzlich auf den Kopf gestellt. Viele dieser Nachbarschaften haben sehr gelitten und Einwanderer können leicht zum Sündenbock werden.

In Lewiston traf ich zum Beispiel einen Weißen aus der Arbeiterklasse, einen Vietnam-Veteranen. Seit dreißig Jahren läuft es für ihn nicht mehr gut; er lebt hin und wieder in Sozialwohnungen; er ist immer wieder abhängig von der Sucht. Jede Woche, wenn er an der örtlichen Tafel[6] seine Essensration abholt, muss er in der Schlange stehen – und in den letzten Jahren musste er länger warten, weil die Hälfte der Menschen vor ihm Somalier sind. Ich werde die Worte, die er gesagt hat, nicht wiederholen. Sie waren nicht angenehm, aber es ist leicht zu erkennen, wie er dorthin gekommen ist. Für ihn ist es leicht, Einwanderung als Schuldigen auszumachen.

Sie schlagen vor, dass Rassismus eine Sache ist, die sich möglicherweise weniger verändert hat, als die Leute zugeben möchten.

In den Vereinigten Staaten herrscht schrecklicher Rassismus, der weder geleugnet noch gemildert werden kann. Was jedoch vergessen wird, ist, dass die fortschrittlichsten Städte oft die am stärksten getrennten Städte sind. Wir neigen dazu, uns auf die hässlichen Vorfälle von Rassismus zu konzentrieren, die in der weißen Arbeiterklasse passieren, und ignorieren den Rassismus der Eliten, der weniger offenkundig ist, weil er strukturell ist. Es geht um die Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften,, darum, wo die besten Schulen sind, wer eher verhaftet oder inhaftiert wird und wo es gute Arbeitsplätze gibt.

Mein Besuch in Milwaukee, einer Stadt, die bekannt ist für ihre fortschrittliche Politik, hat mir das gezeigt. Historisch gesehen war die afroamerikanische Gemeinschaft absichtlich auf ein winziges Viertel der Stadt beschränkt, und sie konzentriert sich auch heute noch größtenteils dort. Die meisten Afroamerikaner kamen in den 1940er und 50er Jahren aus demselben Teil von Mississippi hierher. Ich habe viel Zeit mit den älteren Mitgliedern dieser Bevölkerungsgruppe verbracht, die im segregierten Süden aufgewachsen waren und dann nach Norden gezogen waren. Sie sagten mir immer wieder: „Der Rassismus hier ist nicht besser als dort.“ Milwaukee wählte bereits vor einem Jahrhundert Sozialisten in den US-Kongress. Aber diese Männer sagten mir: „Sehen Sie, der Rassismus ist hier anders. Der Rassismus im Süden war sehr offen und direkt. Hier geschieht er hinter Ihrem Rücken – sie reden nur schön, aber sie tun es nicht.“ In ihren Augen waren sie immer noch auf Nebenjobs und ein Nebenviertel beschränkt, wobei hohe Barrieren die jungen Menschen an ihrem Platz hielten.

Eine Taglöhnerin in Selma, Alabama

Einer der eindringlichsten Abschnitte Ihres Buches beschreibt Selma, Alabama, das vor allem für seine Rolle in der Bürgerrechtsbewegung bekannt ist. Sie schreiben, wie Sie wunderschön erhaltene historische Denkmäler der Selma-Märsche von 1964 vorfanden, umgeben von heruntergekommenen Wohnprojekten.

Ich liebe Selma – die Leute dort waren sehr herzlich zu mir. Aber sie sind nicht glücklich. Es gibt schöne Teile von Selma, aber sie sind klein und zurückhaltend. Die Realität für die meisten Menschen dort, für die meisten Afroamerikaner, ist Entmündigung, nicht nur rechtlicher, sondern auch wirtschaftlicher Art. An allen Orten, die ich besuchte, habe ich noch nie Menschen gesehen, die so offen Schusswaffen trugen oder so offen und lässig mit Drogen handelten wie in Selma.

Unter den Menschen dort herrscht eine Wut, eine berechtigte Wut, und eine stille Bitterkeit und ein Zynismus darüber, ob politisches Handeln irgendetwas ändern kann. (Natürlich hat Alabama es den Schwarzen sehr leicht gemacht, nicht zu wählen – tatsächlich haben sie alles getan, um sie davon abzuhalten, zu wählen.) Die Realität von Selma heute legt nahe, dass die Bürgerrechtssiege der 1960er Jahre weitgehend symbolischer Natur waren. Es muss noch viel mehr getan werden.

Sie haben vorhin gesagt, dass Sie den Menschen zunächst helfen wollten, dann jedoch gelernt haben, dass Sie sie zuerst verstehen müssen. Aber wie hilft man jemandem, der in einem negativen Muster gefangen zu sein scheint?

Ich denke, das Beste, was man tun kann, ist, für Momente der Würde zu sorgen – ihnen zuzuhören und sie wie einen normalen Menschen zu behandeln. Wenn jemand eine saubere Mahlzeit braucht, geben Sie ihm eine saubere Mahlzeit; Wenn jemand ins Krankenhaus muss, bringen Sie ihn hin.

Ich werde oft gefragt: „Nun, in meiner Nähe ist ein Obdachloser. Was soll ich machen?” Behandeln Sie ihn oder sie einfach wie einen normalen Menschen. Setzen Sie sich hin und reden Sie mit ihr oder ihm. Laden Sie sie wirklich zum Kaffee ein. Wenn Sie gemeinsame Interessen haben, sprechen Sie darüber. Seien Sie nicht vorgetäuscht freundlich.

Eines der Dinge, die ich gelernt habe, ist, jeden zu umarmen. Es ist mir egal, wie schmutzig sie sind – ich habe Menschen umarmt, die seit zwei oder drei Monaten nicht gebadet haben. Es ist ein Zeichen dafür, dass Sie bereit sind, sie wie einen normalen Menschen zu behandeln. Sie sollten jeden mit Würde behandeln, aber insbesondere für Menschen, die an der Schwelle stehen, ist das vielleicht das Wichtigste.

Gehört dazu auch, Bettlern Geld zu geben?[7]

Ja. Ich habe immer einen Fünf-Dollar-Schein in meiner Tasche – Leute, die betteln, schauen mich oft komisch an, weil ich tausend Dollar aus meiner Brieftasche herausziehe, alles in Fünfer-Scheinen. Die meisten Drogen kosten neun Dollar, also gebe ich weniger. Wenn ich jemandem fünf Dollar gebe und er vier Dollar mehr verlangt, weiß ich genau, was los ist. Vielleicht lade ich sie zu McDonald’s ein und spendiere ihnen eine Mahlzeit.

Was hoffen Sie, was die Leute tun werden, nachdem sie Ihr Buch gelesen haben?

Schauen Sie sich an, was über materielle Dinge hinaus wertvoll ist. Viele Menschen finden die Welt schrecklich, aber es gab noch nie einen besseren Zeitpunkt als jetzt, um ein Leben jenseits des Kapitalismus zu gestalten.

In Hunts Point lernte ich eine Süchtige kennen – sie hieß Millie. Sie starb. Das weiß ich nur, weil sie verschwunden ist und ich mehrere Wochen damit verbracht habe, sie aufzuspüren. Wenn man in New York City ohne Papiere oder Ausweis stirbt, wird man nach Hart Island geschickt, wo eine Million Leichen begraben sind. Sie werden in eine Sperrholzkiste gesteckt, in einen Graben gesteckt und von Gefängnisinsassen von Rikers Island begraben. Grundsätzlich ist es nicht gestattet, die Gräber zu besuchen.

Als ich schließlich erfuhr, dass Millie tot war und wo sie begraben lag, kam ich zum Nachdenken. Es gibt ein Sprichwort: „Du stirbst nicht wirklich, bis die Leute aufhören, über dich zu reden.“ Wenn das wahr ist und Sie auf Hart Island in einer Sperrholzkiste begraben sind und es keine Möglichkeit gibt, das Grab zu besuchen, werden Sie viel schneller sterben. Die Erinnerung an Sie wird einfach verschwinden.

Also half ich schließlich dabei, Millies Leiche zu exhumieren und ordnungsgemäß zu begraben. Ich hab mich darauf eingelassen und dachte: „Als Atheist, warum mache ich das? Wen kümmert es, wo du begraben bist? Du bist tot.” Aber diese symbolische Aktion war für Millies Straßenfamilie von großer Bedeutung. Es gab eine Gedenkstätte, die man besichtigen konnte. Es gab einen Grabstein. Ihre Erinnerung würde noch ein wenig in Erinnerung bleiben.

Machen Sie aus Armut keinen Fetisch. Aber seien Sie etwas eher bereit, in Gegenden zu gehen, in die “man” eigentlich nicht geht. Nehmen Sie sich Zeit, den Menschen zuzuhören. Schenken Sie ihnen Respekt.


Das englische Original dieses Artikels erschien  im Juli 2019 im Plough-Magazin[8], der Zeitschrift der Bruderhof-Gemeinschaft. Deutsche Übersetzung und Fußnoten von Wolf Paul mit Erlaubnis von Plough.

Die Bruderhof-Gemeinschaft entstand im Deutschland der Zwischenkriegszeit.  Wegen ihrer pazifistischen Überzeugungen und ihrer Gegnerschaft zum Nazi-Regime aus Deutschland vertrieben, migrierten sie über Liechtenstein und England nach Paraguai und landeten schließlich in den USA. Inzwischen gibt es Niederlassungen auf jedem Kontinent außer Afrika, und seit 2019 (Retz) und 2021 (Furth/Maria Anzbach) auch in Österreich. Die Bruderhof-Gemeinschaft sieht sich in der Tradition der ersten Christen sowie der aus Habsburg-Österreich stammenden Täufer-Bewegung der Hutterer. In Österreich haben sich die Niederlassungen der Bruderhof-Gemeinschaft der Mennonitischen Freikirche angeschlossen und sind daher Teil der gesetzlich anerkannten Freikirchen in Österreich.

Der Autor, Chris Arnade, wuchs in Florida auf, studierte Physik an der John Hopkins University und arbeitete für eine Bank an der Wall Street, bevor er freischaffender Schriftsteller und Fotograf wurde.

 

__________
  1. Die South Bronx ist ein Stadtteil von New York City, unmittelbar nördlich von Manhattan, dem Zentrum der Finanzindustrie[]
  2. die Upper East Side ist das Nobelviertel von Manhattan[]
  3. Kaufhaus-Kette, deren Filialen wie auch die meisten Supermärkte teilweise rund um die Uhr geöffnet sind []
  4. Ladenkirchen, engl. Storefront Churches, sind Gemeinden, die in einem Geschäftslokal untergebracht sind, umgeben von anderen Geschäften, oder von leerstehenden, zugenagelten Geschäftslokalen.[]
  5. Community Colleges bieten “halb-universitäre” Lehrgänge an, oft mit dem Schwerpunkt auf beruflichen Qualifikationen. Im Gegensatz zu normalen Colleges und Unis dauern die Lehrgänge nur zwei statt vier Jahre und schließen mit einem Associate Diplom ab, statt mit einem Bachelor. Sie sind auch wesentlich billiger.[]
  6. Soziaeinrichtungen, oft von Kirchengemeinden betrieben, die an sozial Schwache Essen verteilen[]
  7. Es gibt die weit verbreitete Meinung, daß man Bettlern kein Geld geben soll, weil sie es nur für Alkohol und Drogen ausgeben würden, oder Teil einer sogenannten Bettler-Mafia sind.[]
  8. Plough erscheint auch auf Deutsch[]

Ein interessantes Video zu einem wichtigen Thema

2023-07-05 Wolf Paul

Als Christ, der in der Bibel die Selbstoffenbarung Gottes sieht, bin ich überzeugt davon, daß Sex nur in der lebenslangen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, und nur wenn beide es wollen, optimal ist. Alles andere widerspricht der Schöpfungsordnung Gottes, ist daher sub-optimal und bringt nur Probleme mit sich.

Aber auch außerhalb des von der Bibel vorgegebenen Rahmens gibt es Einschränkungen, die teils allgemein akzeptiert und teils sehr umstritten sind. Die wenigsten Menschen finden z.B. Sex mit Kindern oder mit Tieren akzeptabel, und die meisten würden zustimmen, daß jede Form von sexuellem Kontakt nur dann erlaubt ist, wenn es beide wollen — sogenannter konsensualer Sex.

Dieses Video illustriert eine leider immer noch (vor allem unter Männern) weit verbreitete Meinung:

Daß nämlich die Zustimmung einer Frau nicht ausdrücklich erteilt werden muß, sondern von bestimmten Signalen abgeleitet werden kann. Eine Frau, die sich sexy oder sehr leicht bekleidet, oder sich an bestimmten Orten aufhält, oder die einem Mann scheinbar bestimmte Blicke zuwirft, oder die auch nicht ausdrücklich sagt, daß sie nicht belästigt werden will, die will ja sexuell angegangen werden, die drückt ja damit Zustimmung aus.

Wie der Vergleich mit einem Mann, der angeblich einen Überfall provoziert hat, weil er gut gekleidet und offenbar wohlhabend unterwegs war, klar macht, ist das absoluter Schwachsinn. Konsens besteht nur dann, wen er ausdrücklich ausgesprochen wird, selbst zwischen Eheleuten.

Man kann also Frauen, die sexuell belästigt oder gar vergewaltigt wurden, keine gewisse Mitschuld zuweisen, weil sie (nach welchen Standards auch immer) zu aufreizend gekleidet war, freundlich gelächelt hat, oder sich z.B. spät nachts an gewissen Oten aufgehalten hat. Wenn sich ein Mann nicht beherrscht, und stattdessen seinem Sexualtrieb nachgibt, mit einer Frau, die das nicht ausdrücklich will, ist das ausschließlich seine Schuld.

Andererseits leben wir in einer gefallenen Welt, d.h. in einer Welt, wo sich die meisten von uns nicht immer so verhalten, wie wir sollten, und genauso wie es Menschen gibt, die ihren Neid nicht beherrschen und daher rauben, einbrechen und stehlen (weshalb wir z.B. unsere Wohnungs- und Autotüren verschließen und sogar oft mit Sicherheitsanlagen zu schützen versuchen), gibt es auch Menschen, die ihren Sexualtrieb nicht beherrschen (wollen oder können, ist egal) und daher sexuell übergriffig werden. Das ist natürlich eindeutig ihre Schuld, und “das Kleid war zu kurz” ist genausowenig eine Entschuldigung, wie “die Haustür war offen.”

Aber genauso, wie ein kluger Mensch seine Wohnung abschließt, bevor er das Haus verläßt, paßt ein kluger Mensch auch sein Aussehen und seine Kleidung an die realen Gegebenheiten an, und spaziert z.B. nicht im Minirock oder im Armani-Anzug durch den nächtlichen Prater.

Wenn man darauf hinweist, wird das sehr schnell als Verteidigung der Täter interpretiert — als “Enabling“, wie das englische Modewort lautet. Aber das ist genauso unlogisch, wie das Zusperren der Wohnungstür als Verteidigung bzw Enabling von Einbrechern zu bezeichnen.

Als meine Tochter jünger war, war ich als Vater natürlich um ihre Sicherheit besorgt und habe ihr daher entsprechende Ratschläge gegeben, was Kleidung und gewisse Stadtteile, vor allem nachts, angeht. Wildfremde Männer zu erziehen war zu diesem Zeitpunkt nicht mein Fokus und ist auch nicht meine Aufgabe. Ich wollte einfach, daß sie sicher nach Hause kommt; eine Grabsteininschrift “Sie hatte das Recht, so angezogen nachts durch den Prater zu laufen” hätte sie mir und ihrer Mutter im schlimmsten Fall nicht wiedergebracht, genausowenig wie die Inschrift “Er hatte Vorrang” auf dem Grabstein einer Verkehropfers.

Manchmal ist es weiser, nicht alles zu tun, was man tun darf. Um nocheinmal die Bibel zu zitieren: Mir ist alles erlaubt, aber nicht alles tut mir gut.