Gedanken über die Unruhen in Frankreich und ihre Ursachen

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Frankreich wurde in den letzten Tagen von Ausschreitungen und Unruhen erschüttert, die infolge der Tötung des 17-jährigen Nahel Merbouz bei einer Verkehrskontrolle ausgebrochen sind.

Ich billige die Ausschreitungen und Gewalt der Demonstranten nicht (und Nahels Großmutter stimmt zu), aber ich kann nicht leugnen, dass ich eine gewisse Sympathie für die überwiegend jungen arabischen und schwarzen Menschen in Städten wie Paris habe, die sich schon lange über Polizeidiskriminierung beschweren. Da ihre Beschwerden von den Behörden im Grunde genommen ignoriert werden (ein Vorwurf, den die UN bestätigt hat), können die Politiker nicht die Verantwortung für die Schaffung der Umstände, die zu diesen Ausschreitungen führen, entkommen.

Jetzt beschuldigen französische Politiker, einschließlich Präsident Macron, die sozialen Medien, die aktuellen Ausschreitungen und Unruhen anzufachen.

Es scheint, dass sie sich auf die weit verbreitete Verteilung von Videos beziehen, die über TikTok, Snapchat, Instagram und andere Plattformen verbreitet werden und Polizeidiskriminierung und -brutalität gegenüber nicht-weißen Bürgern dokumentieren, wie das Video, das die Behauptung des Polizeibeamten Florian M., er habe Nahel aus Notwehr erschossen, als Lüge entlarvt; es zeigt Nahel, wie er flieht, anstatt die Beamten anzugreifen, indem er auf sie zufährt.

Nahel war natürlich nicht unschuldig; aber in unseren Gesellschaften gelten Fahren ohne Führerschein und Nichtanhalten bei einer Verkehrskontrolle nicht als Verbrechen, die die Todesstrafe verdienen.

Dass Herr Macron und andere die Ausschreitungen und die weite Verbreitung solcher Videos offenbar problematischer finden als das, was diese Videos zeigen, spricht Bände.

Florian M. wurde wegen vorsätzlichen Tötung angeklagt; wenn er freigesprochen oder wegen eines geringeren Vergehens verurteilt werden sollte, rechnen Sie mit weiteren Ausschreitungen.

Zweifellos hat Frankreich, so wie andere europäische Länder, einschließlich meines eigenen auch, ein massives Problem mit “Ausländern”, d.h. Menschen aus verschiedenen Kulturen, snd ich lasse keines davon aus der Verantwortung, wenn es darum geht, fair und gerecht mit ihnen umzugehen. Aber Frankreichs Problem, im Gegensatz zu Österreichs, ist hausgemacht; es ist das Ergebnis von Frankreichs kolonialer Vergangenheit. Es sind sozusagen die Sünden der Väter, die auf die Kinder übertragen werden. Alle diese Menschen aus Nord- und Schwarzafrika zu deportieren, einzusperren, oder sonst irgendwi loszuwerden, werden fehlschlagen: der “ethnisch reine Nationalstaat” ist ein unrealistisches Hirngespinst, und wenn die Franzosen, von den obersten Politikern bis hin zu den gewöhnlichen Bürgern, nicht lernen, friedlich mit allen Ethnien und Kulturen in ihrem Land zusammenzuleben, befürchte ich, dass wir in der Zukunft noch mehr solcher Szenen sehen werden.

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Flüchtlingsboot-Tragödie: Erste Reaktion

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Hier meine Reaktion auf die jüngste Flüchtlingsboot-Katastrophe im Mittelmeer mit mehr als 500 Todesopfern:
Es ist Zeit, dass wir alle hier im affluenten Westen, sowohl unsere Regierungen als auch wir als Einzelpersonen, uns einer ernsthaften Gewissensprüfung unterziehen darüber, wie wir mit Flüchtlingen umgehen.
1. Wir müssen aufhören, die fehlende Einstimmigkeit innerhalb der EU als Entschuldigung dafür zu mißbrauchen, selbst untätig zu bleiben. Unsere Barmherzigkeit und Hilfsbereitschaft von der Anderer abhängig zu machen, ist eine moralische Bankrotterklärung.
2. Wir müssen die Unterscheidung zwischen denen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen („echte Flüchtlinge“), und denen, die vor bitterer Armut in ihren Herkunftsländern Ländern fliehen („Wirtschaftsflüchtlinge“), aufgeben.  Es ist moralisch verwerflich, hier in unseren, trotz Inflation und Teuerung  immer noch komfortablen, Verhältnissen zu sitzen, und angesichts der verzweifelten Armut Anderer mit den Schultern zu zucken.
3. Menschen in Not unsere Hilfe zu versagen, um damit den Schleppern das Geschäft zu verderben, ist zutiefst unmoralisch. Wir alle haben in unseren Ländern den Tatbestand der Unterlassenen Hilfeleistung; gegenüber den Flüchtlingen machen wir uns kollektiv dieser schuldig.
4. Ich widerspreche denen, die Verteidigungsausgaben gegen angemessene Hilfe für Menschen in Not ausspielen wollen;  Das vergangene Jahr hat ganz deutlich gezeigt, daß miltärische Verteidigung nach außen notwendig ist, genauso wie eine funktionierende Polizei nach innen. Und sich für unsere Verteidigung auf die zunehmend dysfunktionalen USA zu verlassen[1] kann gefählich werden.
5. In allen unseren Ländern gibt es genug Einsparungspotential bei nicht essentiellen und Prestige-Projekten, um wesentlich effektiver helfen zu können. Wir müssen nur wollen und richtige Prioritäten setzen.
6. Es gibt in unseren Ländern zutiefst unanständige politische Parteien, die unterlassene Hilfeleistung gegenüber Fremden aus irgendwelchen, perversen ideologischen Gründen akzeptabel finden[2]. Wenn anständige Parteien mit christlichem oder sozialdemokratischem Wertesystem eine “strenge Ausländerpolitik” verfolgen, um den unanständigen Parteien Stimmen wegzunehmen, dann ist das nicht nur wenig erfolgreich (weil ausländerfeindliche Menschen lieber “den Schmied als den Schmiedel” wählen), sondern stellt auch einen unmoralischen Verrat an den eigenen Werten dar. Was vielmehr nottut sind breite Koalitionen der Anständigen, auch über ideologische Grenzen hinweg, um die Unanständigen von der Macht fernzuhalten.
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  1. Kein Mench wiß, ob die USA unter einem neuerlichen Präsidenten Trump ihre Nato-verpflichtungen einhalten und erfüllen würde; Trumps Haltung zu Vladimir Putin ist höchst zwiespältig, und die Ukraine (und damit wir alle) würde unter seiner Präsidentschaft kaum die notwendige Hilfe bekommen.[]
  2. Die gleichen Parteien, die immer wieder in “bedauerlichen Einzelfällen die Verbrechen der Nazis herunterspielen und minimieren.[]
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Von der Dummheit (D. Bonhoeffer)

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Vor zwei Tagen bin ich auf dieses Video gestoßen:[1]

Es basiert auf einem Text, den Dietrich Bonhoeffer im Jahr 1943 geschrieben hat, als er von den Nazis inhaftiert war.[2]

Bonhoeffer sagt darin, daß Dummheit gefährlicher ist, als Bosheit, weil, wie der Volksmund sagt, gegen Dummheit kein Kraut gewachsen ist. Deshalb ist Dummheit nicht ein intellektuelles Defizit, sondern ein moralisches, ein Charakterfehler.

Ich finde diese Erklärung von Dummheit und der Gefahr, die sie darstellt, heute noch genauso überzeugend und zutreffend, wie sie zur Zeit ihres Entstehens war. Die weite Verbreitung von abstrusen Verschwörungstheorien und der große Anklang, den auch heute wieder Politiker finden, die den Menschen das Blaue vom Himmel versprechen, meist um den Preis der Ausgrenzung der einen oder anderen Gruppe.

Vor Jahren bin ich auf den Spruch gestoßen, “Never attribute to malice that which can adequately explained by ignorance” — “Schreibe niemals der Boshaftigkeit zu, was ausreichend durch Unwissenheit erklärt werden kann.” Der Spruch hat mir so gut gefallen, daß ich ihn jahrelang in meiner E-Mail-Signatur verwendet habe. Und er erinnert mich an einen wesentlichen Unterschied zwischen Dummheit und Unwissenheit:

Dummheit ist willentlich unbelehrbare Unwissenheit, geleugnete Unwissenheit, die auch gar keinen Wert darauf legt, mit Fakten konfrontiert zu werden, die der eigenen, unwissenden Überzeugung widersprechen.

Ich bin überzeugt, daß ein Teil der heute vorherrschenden Dummheit die Weigerung ist, Gott als Schöpfer der Welt, als unseren Schöpfer, anzuerkennen. Wie der Psalmist sagt, Der Tor (der Dummkopf) sagt in seinem Herzen: “Es gibt keinen Gott!”[3]

Ich bin kein Historiker, aber ich könnte mir gut vorstellen, daß der Niedergang der meisten Zivilisationen und Reiche der Geschichte seine Wurzel in der Dummheit hatte: der Überzeugung, daß man schon alles weiß, und zwar besser als alle anderen, daß man daher nichts mehr dazulernen und auf niemanden hören muß.

Ich fürchte, daß das auch das Ende unserer Zivilisation sein könnte, falls Christus nicht vorher wiederkommt und aller Dummheit genauso wie aller Bosheit, ein Ende bereitet.

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  1. Video von Sprouts, www.sproutsschools.com[]
  2. Der Text Von der Dummheit ist ein Auszug aus Dietrich Bonhoeffers Buch Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft.[]
  3. Psalm 14,1[]
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Rostiger, die Feuerwehr kommt: Mobbing in der Schule

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Der der 2021 verstorbene Wiener Maler, Liedermacher und Sänger Arik Brauer hat viele gesellschaftskritische Lieder geschrieben und gesungen.

Seine Lieder sind auf Youtube zu finden, viele seiner bildnerischen Kunstwerke kann man in seiner Kunstsammlung bewundern, die von seiner Tochter Timna Brauer in seiner Villa in Wien-Döbling betrieben wird,

In diesem Lied, das mir heute untergekommen ist, thematisiert Arik Brauer das Mobbing in der Schule und drückt auch (mehr oder weniger ernsthaft) sein Bedauern über seine Beteiligung daran aus.

(Gesprochen) Wir hab′n in der Schul’ ein′ g’habt, den hab’n wir terrorisiert! Der hat rote Haar′ g′habt und Brill’n mit dicke, dicke Augenglas′ln
Und ich war der Allerärgste von allen. Und heut’ tut mir das ja so leid…

(Gesungen) Rostiger[1], die Feuerwehr kommt,
Schieb die Haar′ in’ Arsch.
Rostiger, die Feuerwehr kommt,
Schieb die Haar′ in’ Arsch.
Vieräugerter[2] scheangel[3] nicht,
Weil sonst nehm’ ich dir deine Glas′ln weg, –
Tralala, tralala, tralala, tralala –
Und der Bub der weint scho′ wieder
Und er Bub der weint.
Tralalala, tralalala…

Zerbrech’n wir ihm das Federpenal[4],
Schmeiß′n wir’s in Kanal.
Zerbrech′n wir ihm das Federpenal,
Schmeiß’n wir′s in Kanal.
Wasserschäd’l schau nicht so blöd,
Wasserschäd’l schau nicht so blöd,
Weil sonst nehm′ ich dir deine Guckascheck′n[5] weg, –
Tralala, tralala, tralala, tralala –
Und der Bub der weint scho’ wieder
Und er Bub der weint.
Tralalala, tralalala…

Geb′n wir ihm ein’ Knödelreiter[6],
Geb′n wir ihm ein’ Spitz[7].
Geb′n wir ihm ein’ Knödelreiter,
Geb’n wir ihm ein′ Spitz.
Rostiger, die Feuerwehr kommt.
Rostiger, die Feuerwehr kommt.
Und sie nehmen dir deine roten Federn weg.-
Tralala, tralala, tralala, tralala –
Und der Bub der weint scho′ wieder
Und er Bub der weint.
Rostiger, die Feuerwehr kommt…

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  1. Rothaariger[]
  2. Brillenträger[]
  3. schiele[]
  4. Stiftebox[]
  5. Sommersprossen[]
  6. Kniestoß in den Oberschenkel[]
  7. Fußtritt, mit der Schuhspitze[]
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Endzeitliche Zustände?

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In der gestrigen ZIB2[1]: In Österreich und Deutschland finden nach den USA Verschwörungstheorien und politischer Radikalismus den meisten Zuspruch, aber auch im Rest der Welt nimmt ihr Einfluß zu. Dabei geht es um angeblich gestohlene Wahlen, angeblich gesundheitsschädliche und nutzlose Impfungen gegen eine Pandemie, die angeblich von internationalen Geschäftsleuten wie Bill Gates und George Soros absichtlich herbeigeführt wurde, die angebliche Verantwortung von USA und EU als für den Krieg in der Ukraine, usw.

Gleichzeitig führt in allen Industrienationen (und nicht nur in diesen) ein zunehmender Rückgang der Geburtenrate dazu, daß bereits jetzt den Unternehmen die Mitarbeiter fehlen und Kunden abhanden kommen und in wenigen Jahren die Pensionssysteme nicht mehr finanzierbar sein werden.

Und schließlich scheinen immer mehr christliche Kirchenleitungen[2] zu dem Schluß gekommen zu sein, daß biblische Sexuallehre und biblisches Eheverständnis gegen den Widerstand der sekularen „progressiven“ Eliten nicht mehr haltbar ist, und man daher segnen kann und darf, was die Bibel als Sünde bezeichnet.

All das führt zu einer Gesamtsituation in der, wie auch schon früher im Laufe der Geschichte, eine baldige Wiederkunft Jesu wahrscheilich und wünschenswert erscheint. In dieser Situation dürfen wir durchaus beten, „Komm, Herr Jesus!“

Gleichzeitig dürfen wir aber nicht vergessen, daß Jesus gesagt hat, „niemand kennt den Tag oder die Stunde“ seiner Wiederkehr.

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  1. ORF Spätabebd-Nachrichtensendung[]
  2. Church of England, evangelische und Katholische Kirche in Deutschland, usw., selbst einige Freikirchen auch bei uns[]
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Die Prinzen-Rolle ist nicht das Problem

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Im „Standard“ vom 11. November 2022 mokiert sich Florian Wenninger über die Tatsache, daß Kaiserenkel Karl Habsburg sich im gesellschaftlichen Verkehr als Karl von Habsburg titulieren läßt, und meint, „dass die Republik ihn damit durchkommen lässt, ist unerträglich.“

Nun finde ich es durchaus rechtens, daß die junge Republik Österreich im Jahr 1919 den Adel als privilegierten Stand abgeschafft hat, muß aber schon sagen, daß die Hoffnung wohl von Anfang an illusorisch war, daß man damit auch die Unterscheidung zwischen Privilegierten und Nichtprivilegierten abgeschafft hat:

Wenninger zitiert die sozialdemokratische Abgeordnete Adelheid Popp mit den Worten, die Abschaffung des Adels zeige der Bevölkerung, „dass es diesem Hause mit der republikanischen Gesinnung ernst ist. In der Republik kann es keine Privilegien geben, in der Republik kann es nur Menschen geben, die gleichen Rechtes, gleichen Titels und gleichen Ranges sind.“  Das Wort gab es zwar damals noch nicht, aber Frau Popps Formulierung macht klar, was der eigentliche Sinn der Adelsabschaffung war: virtue signalling, Und es ist schon bezeichnend, daß es gerade Parteigranden der Sozialdemokratie waren, die sich in der Zweiten Republik am aristokratischsten geriert und sich auch entsprechende Privilegien herausgenommen haben.

Allerdings kann ich die Streichung des adeligen „von“ sowie von Adelsprädikaten und Standesbezeichnungen in offiziellen Dokumenten sowie im Umgang des Staates mit seinen Bürgern durchaus nachvollziehen; das Führen dieser Bezeichnungen jedoch auch im privaten und gesellschaftlichen Verkehr zu verbieten, schießt über das Ziel hinaus und war schon damals lächerlich; heute ist es schlicht unzeitgemäß. In einer Zeit, in der sich jeder nach Belieben als Mann oder Frau bezeichnen, und die Verwendung dieser Bezeichnung auch gerichtlich einklagen kann, ist das Verbot von Fantasie-Bezeichnungen, nur weil sie bis vor rund hundert Jahren eine reale Bedeutung hatten, mehr als bizarr.

Wenningers begeisterte Charakterisierung dieses Verbotes ist auch ziemlich bizarr:

Das schließlich einstimmig beschlossene Verbot, “von” im Namen zu führen, die Untersagung von Adelsprädikaten (Durchlaucht u. Ä.) und Standesbezeichnungen (Baron etc.) stehen in der Tradition der großen republikanischen Deklarationen, der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 ebenso wie der französischen Erklärung der Menschenrechte von 1789. Sie alle postulieren: Demokratie braucht Gleichheit. Die Existenz einer Aristokratie steht dazu im diametralen Gegensatz.

Der Unterschied zwischen dem österreichischen Verbot und den großen republikanischen Deklarationen ist, daß diese sich nicht mit kleinlichen Verboten von Selbstbezeichnungen abgeben, 

Es ist nicht unerträglich sondern vernünftig, daß die Republik nicht eingreift, wenn Karl Habsburg ein „von“ im Namen führt. Es ist jedoch unverständlich, daß dieses Verbot nicht längst aufgehoben wurde, und daß es auch hundert Jahre nach der Abschaffung des Adels immer noch Menschen gibt, die sich und die Republik durch diese traditionellen Bezeichnungen bedroht wähnen.

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Die Metamorphose des August Wöginger

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Im Jahr 2020 sagte ÖVP-Klubchef August Wöginger in einer Nationalratssitzung:

„Was uns trennt, Herr Kollege Kickl, das ist, dass wir die Grund- und Menschenrechte wahren, sie akzeptieren und anerkennen und auch die Menschenrechtskonvention anerkennen.“[1]

Gestern, am 12. November 2022, berichtet der „Standard“:

ÖVP-Klubobmann August Wöginger drängt im STANDARD- Interview auf Veränderungen im Asylwesen. Die Europäische Union habe es „verschlafen“, tragfähige Lösungen zum Schutz der Außengrenzen zu finden. Zudem müsse das Asylrecht reformiert werden. „Auch die Menschenrechtskonvention gehört überarbeitet. Wir haben eine andere Situation, als es vor ein paar Jahrzehnten der Fall war, als diese Gesetze geschrieben wurden“, sagt Wöginger. „Das ist ein Aufruf in Richtung Europa, in die Gänge zu kommen.“[2]

Rund zwei Jahre hat der ÖVP-Klubchef für diese Wandlung vom Paulus zum Saulus gebraucht.

Wögingers Aussage bezüglich der Menschenrechtskonvention wurde umgehend kritisiert – von den Grünen, der SPÖ, und den NEOS – und applaudiert – von der FPÖ. Es sagt viel über einen Menschen aus, aus welcher Richtung er Zustimmung bzw. Kritik erhält.

Nachdem es einige Tage keine öffentliche Kritik von ranghohen ÖVP-Politikern gegeben hat, hat nun Verfassungsministerin Karoline Edtstadler scharf widersprochen; gleichzeitig hat jedoch Außenminister Schallenberg gemeint, es dürfe keine Denkverbote geben. Ich finde es auch bedauerlich, daß es noch keine klare Stellungnahme von Seiten der Handvoll christlicher Politiker. Denn es ist schon so: wenn man solche Aussagen nicht öffentlich kritisiert bzw. sich nicht öffentlich davon distanziert, dann signalisiert das Zustimmung – ob man will oder nicht.

Schon mit der Kurz’schen Asyl- und Flüchtlingspolitik ist die ÖVP sehr nahe an ihren damaligen Koalitionspartner gerückt. Nicht umsonst sieht die damals eingeführte Parteifarbe „türkis“ wie hellblau aus und signalisiert so die Nähe zu den “Blauen”. 

FPÖ-Blau und ÖVP-Türkis, jeweils von der Website der beiden Parteien kopiert.

Mit dieser Aussage ihres Klubchefs wird es immer schwieriger, einen wesentlichen Unterschied zwischen FPÖVP zu erkennen. Zwei Jahre, nachdem der ÖVP-Klubchef die Menschenrechtskonvention im Parlament verteidigt hat, paßt kein Blattl Papier mehr zwischen Wöginger und Kickl.

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  1. Zitiert im ORF-Online Bericht „Menschenrechtskonvention: Kritik an Wöginger hält an[]
  2. Der Standard, 12. November 2022, Seite 1, rechts oben. Das vollständige Interview erschien einen Tag vorher, nur onlinee.[]
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Ein Testosteron-getriebener Liebesbeweis?

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 Elfriede Hammerl, mit der ich nicht immer einer Meinung bin, deren Artikel im profil mich aber immer wieder zum Nachdenken bringen, erzählt im profil-Podcast eine Geschichte, die, gelinde gesagt, ein Armutszeugnis für unsere Gesetzeshüter ist:

Eine 16-jährigen Schülerin geht mit einer Freundin zur Polizei, um auf Rat einer Lehrerin einen Vergewaltigungsversuch durch einen 20-jährigen Bekannten anzuzeigen, und wird dort auf demütigende Weise „abgewimmelt.“

Es fängt an mit der Begrüßung durch einen Polizisten: „Na, seid’s ihr auch da, weil euch jemand aufs Popscherl geklopft hat?“

Sie bittet darum, mit einer Polizistin zu sprechen, aber auch dieses Gespräch verläuft äußerst unbefriedigend.

„Wieviel dumpfe, sexistiscche Idiotie hat sich in Köpfen abgelagert, auch in denen von Frauen, wenn eine Polizeibeamtin einen Vergewaltigungsversuch als Ausdruck verliebten Werbens deklariert, und einen hohen Testosteronspiegel als Entschuldigung für überhaupt alles,“ fragt Frau Hammerl, völlig zurecht.

Daß das Vertrauen der Schülerin (und auch der Lehrerin) in die Polizei erschüttert oder sogar völlig zerstört ist, versteht sich von selbst.

Wir leben in einer sehr widersprüchlichen Welt:

Einerseits wurde mir vor Jahren als Vater einer Teenage-Tochter von naïv-idealistischen Feministinnen gesagt, daß ich meiner Tochter nicht sagen darf, nächtens nicht leicht bekleidet in bestimmten Gegenden unserer Stadt herumzulaufen. Warum? Weil ich dadurch Gewalt- und Mißbrauchstäter „ermächtigen“ würde, und weil das meiner Tochter die Schuld an eventuellen Übergriffen geben würde. Vielmehr müsse man daran arbeiten, daß Männer lernen, sich zu beherrschen und schöne Frauen zu bewundern, ohne an Sex zu denken; und freizügige Kleidung habe ohnehin nichts damit zu tun.

Dabei ignorieren diese naïven Idealisten ein paar Fakten:

  • Meine Warnung an meine Tochter betraf Zufallsbegegnungen mit Unbekannten, die in dieser Situation sicher nichts lernen wollen und werden;
  • Wer behauptet, daß freizügige Kleidung nichts mit sexuell motivierter Gewalt durch Männer zu tun hat, hat keine Ahnung vom männlichen Sexualtrieb;
  • Und auch die Vorstellung, daß Männer schöne Frauen bewundern können ohne an Sex zu denken, zeugt von großer Ignoranz. Natürlich verwerfen und unterdrücken die meisten Männer solche Gedanken oder beschränken sich auf anzügliche Blicke oder Pfiffe.

Andererseits stehen offenbar manche Polizisten und Polizistinnen (und nicht nur sie) auf dem Standpunkt, daß sexuelle Belästigung und sogar (versuchte) Vergewaltigung im Bekanntenkreis, durch scheinbar vertrauenswürdige Personen, nicht mehr ist, als ein ungeschickter und Testosteron-getriebener Liebesbeweis, und daß sich die Frauen doch bitte nicht so anstellen mögen.

Das zerstört nicht nur das Vertrauen betroffener Frauen in die Polizei und den Rechtsstaat insgesamt; sondern es zerstört auch mein Vertrauen, daß die Polizei auf sexuelle Gewalt bei Zufallsbegegnungen im öffentlichen Raum angemessen reagieren würde, statt zu sagen, „Na, hättest Dich halt anders angezogen.“

Das, und nicht meine Warnungen an meine Tochter, „ermächtigt“ Männer, die ihren Sexualtrieb nicht unter Kontrolle haben und die Mädchen und Frauen für Freiwild halten.

Und es macht meine Warnung an meine Tochter umso notwendiger, für alle Frauen. Und diese Warnung ermächtigt und entschuldigt nichts; weist auch den Frauen keine Schuld zu; sondern nimmt zur Kenntnis, daß wir in einer verdorbenen (oder, wie die Bibel sagt, sündigen) Gesellschaft leben.

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Sonderbare Bettgenossen

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Das Karl-May-Magazin berichtet über die Münchner Premiere des frei nach Motiven von Karl May erzählen und rund um den sonderbaren Rückzieher des Ravensburger-Verlages bereits kontrovers diskutierten Filmes „Der junge Häuptling Winnetou“, am 7. August 2022 (der Film ist seit 11. August in den Kinos).

Natürlich wurde in der Pressekonferenz nach der Uraufführung auch die kulturpolitisch heiße Frage gestellt: Indigene als Filmfiguren, die auch noch überwiegend deutsch besetzt sind – geht das heute überhaupt noch?

Regisseur Mike Marzuk antwortet auf diese Frage nicht ganz politisch korrekt, daß das in einem deutschsprachigen Film kaum zu umgehen sei, spricht dann doch noch politisch korrekt mehrmals von „Native Americans“ statt von Indianern und meint abschließend, „Wir drehen gern Filme über Freundschaft, auch über kulturübergreifende Freundschaften. Aber Filme sollen nicht unterrichten, sondern unterhalten.

Und es ist diese Aussage (der ich durchaus zustimme), die für mich eine interessante Gemeinsamkeit von konservativ-fundamentalistischen, vor allem evangelikalen Christen einerseits und „woken,“ „progressiv“-fundamentalistischen Aktivisten andererseits, aufzeigt; im Englischen spricht man von „strange bedfellows“, sonderbaren Bettgenossen:

Beide lehnen nämlich diese These von Regisseur Marzuk ab und sehen Romane und Filme nur dann als gerechtfertigt an, wenn diese sehr wohl primär als Lehrmittel angelegt sind: Sie sollen nicht nur unterhalten (das natürlich auch, sonst fänden sie ja kein Publikum), sondern unbedingt auch Wahrheiten vermitteln, theologisch-korrekte für die Christen und politisch-korrekte für die Progressiven.

Deshalb sind im konservativ-christlichen Lager hauptsächlich Romane erfolgreich (und werden dann auch verfilmt), die irgendein Thema „biblisch“ beleuchten[1] ; diese werden dann von ihrem Zielpublikum auch oft nicht als Fiktion gelesen, sondern als biblisch-theologische Glaubens- und Lebensratgeber. Gleichzeitig wird von manchen gegen Filme, die sich auf „christliche“ Themen beziehen und dabei das christliche Wahrheits- und Ehrfurchtsgefühl verletzen[2] ähnlich vehement protestiert, wie von moslemischen Fundamentalisten gegen die Satanischen Verse oder Charlie Hebdo, wenn auch ohne Gewalt.

Und ebenso hält man im „progressiven“ Lager Literatur und Filme, die nicht der aktuellen politischen Korrektheit entsprechen (darunter auch viele Klassiker der Weltliteratur), für entbehrlich, ja sogar gefährlich, und geht daher mit den Mitteln der „Cancel Culture“ dagegen vor, damit z.B. Verlage diese (Beispiel Ravensburger) zurückziehen, Kinos sie boykottieren oder Unis sie aus den Lehrplänen streichen.

Ich halte solche Proteste und „Cancellations“ für kontraproduktiv. Kaum jemand bekehrt sich zu Christus, weil er  von Demonstranten am Kinobesuch gehindert wird, oder zu einer „progressiven“, anti-kolonialistischen Geisteshaltung, weil irgendwo gegen einen schwarz geschminkten Othello-Darsteller demonstriert wird.

Überzeugungsarbeit sieht anders aus: dem Anderen Intoleranz vorzuwerfen, wenn man es selbst an Toleranz gegenüber Andersdenkenden mangeln läßt, ist selten überzeugend.

Und diejenigen, die solche explizit belehrenden Romane schreiben bzw Filme produzieren, sind meist keine wirklichen Künstler (denn die lassen sich normalerweise keinen ideologischen Maulkorb, welcher Art auch immer, anlegen), sondern bestenfalls gute Handwerker, und das, was sie produzieren ist dann auch nicht Kunst, sondern solide, gut verkäufliche Handwerksarbeit.

 

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  1. z.B. Finsternis dieser Welt usw von Frank Peretti oder die FinaleSerie von LaHaye und Jenkins[]
  2. z.B. Das Leben des BrianDie letzte Versuchung Christi, aber auch Sakrileg (The DaVinci Code), die Harry Potter Bücher und Filme, und von manchen sogar Tolkiens Der Herr der Ringe[]
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„Kulturelle Aneignung” als Vorwurf?

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Der Ravensburger Verlag hat das Buch Der junge Häuptling Winnetou nach dem gleichnamigen Film zurückgezogen, weil ihm kritische Stimmen eine der aktuellen Todsünden, nämlich „kulturelle Aneignung“, vorwerfen.

Ich halte den Rückzieher von Ravensburger für reines virtue signalling und stimme voll und ganz mit dieser Aussage der Frankfurter Ethnologin Susanne Schröter überein, die das Konzept der kulturellen Aneignung als Vorwurf für sehr problematisch und absurd hält:

«Die Skandalisierung der kulturellen Aneignungen weist eine Reihe von Absurditäten auf. Eine betrifft die Folgen, die sich ergeben, wenn man die geforderten Nutzungsbeschränkungen zu Ende denkt. Dann müssten bei jedem Gegenstand, jedem Stil, jeder Form kulturellen Ausdrucks die Urheber ausfindig gemacht und ihr Gebrauch auf diese Urheber beschränkt werden.

Menschen haben stets Dinge von anderen übernommen, wenn sie diese für sinnvoll erachtet haben. Um es auf den Punkt zu bringen, ist die gesamte Menschheitsgeschichte eine Geschichte kultureller Aneignungen, ohne die es keine Entwicklung gegeben hätte.

Kulturelle Aneignung ist wohl die wichtigste Kulturtechnik, die ein friedliches Zusammenwachsen möglich macht.»[1]

Leider ist das konsequente Zu-Ende-Denken der eigenen Ideen und Forderungen etwas, was die wenigsten “progressiven” Aktivisten schaffen, und Menschen wie die Ravensburger Verlagsleitung denken leider die Folgen ihres Rückziehers auch nicht zu Ende: Wer bestimmt wohl in ein paar Jahren das Verlagsprogramm?

Neben der kulturellen Aneignung wirft man Karl Mays Büchern, dem diesen entfernt darauf basierenden Film, sowie dem Buch zum Film, „rassistische Vorurteile“ und eine „kolonialistische Erzählweise“ vor.

Aber gerade May, bei dessen Büchern es sich um reine Phantasieprodukte, um Märchen also, handelt (was man mich, als jungen Leser vor 57 Jahren, von Seiten der Erwachsenen auch keine Minute vergessen ließ), beschreibt seine Charaktere, im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen, durchaus differenziert: sowohl unter den Weißen als auch unter den „Indianern“ gibt es Gute wie Böse, und gerade May thematisiert auch die zunehmende Unterdrückung der „Indianer“ durch die weißen Einwanderer.

Sowohl Film als auch Buch Der junge Häuptling Winnetou basieren nun mal auf Karl Mays Material und seinen Charakteren, und können diese nicht einfach umschreiben.

Ich glaube, daß der Drang, solche Bücher zu verbannen, und auch die genre-getreue Verfilmung solcher Bücher zu unterbinden, ebenso wie das cancelling historischer Persönlichkeiten, die keine aus unserer heutigen Sicht blütenreine Weste haben, einer verständlichen und nachvollziehbaren Scham über die historischen Vorurteile und Schandtaten unserer Kultur und Vorfahren entspringt; aber so zu tun, als hätte es die Vorurteile und Schandtaten nie gegeben, indem wir ihre Werke, soweit sie unseren heutigen ethischen Standards nicht hundertprozentig entsprechen, macht uns nicht zu besseren Menschen und ist keine gesunde Vorgehensweise. Viel wichtiger wäre es, sich um die heute existierenden Vorurteile und die daraus entspringenden Schandtaten zu kümmern und diese zu bekämpfen.

(Das Titelbild dieses Artikels ist eine „gestauchte“ Version des Filmplakats zu Der junge Häuptling Winnetou. Sollte sich jemand dadurch in seinen Rechten verletzt fühlen, bitte ich um Mitteilung und werde es dann natürlich entfernen.)

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  1. Zitiert nach dem ORF Online Bericht, Wirbel um Rückzieher von Ravensburger[]
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