Ich hatte in der Bibelschule einen Lehrer, der so besorgt war, man könnte die tatsächliche Königsherrschaft Christi im tausendjährigen Reich anzweifeln oder gar leugnen, daß er es strikt ablehnte, Christus schon jetzt als König zu bezeichnen, trotz gegenteiliger biblischer Indizien und populärer Lobpreislieder.
Aber wir dürfen Christus schon jetzt als König bezeichnen, und deshalb mag ich das Christkönigsfest, welches heuer auf den 20. November, also den kommenden Sonntag, fällt.
Das Christkönigsfest ist ursprünglich ein recht neues, katholisches Fest; es wurde 1925 von Paps Pius XI eingeführt. An seinem heutigen Platz im Kirchenjahr, nämlich dem letzten Sonntag des Jahres (dem Sonntag vor dem ersten Adventssonntag) ist es im Zuge der Liturgiereform nach Vatikan II gelandet. Über das Revised Common Lectionary (RCL), einer ökumenischen Perikopenordnung für Sonn- und Feiertage, die auf dem katholischen „Ordo Lectionum Missae“, dem römischen Messlektionar, aufbaut, hat das Fest auch in viele protestantische Kirchen in der englischsprachigen Welt Eingang gefunden.
In der deutschsprachigen Welt ist das RCL praktisch unbekannt, daher wird das Christkönigsfest bei uns in protestantischen Kirchen nicht gefeiert, was ich sehr schade finde. Stattdessen wird in den evangelischen Kirchen an diesem Sonntag, der „Totensonntag“ oder „Ewigkeitssonntag“ genannt wird, der Toten gedacht.
Wenn wir aber Christus als König feiern, dann sollten wir uns bewußt sein, was das bedeutet. Hier ist ein Abschnitt aus der Enzyklika Quas Primas von Pius XI, mit der das Fest eingeführt wurde:[1]
Wenn nämlich Christus, dem Herrn, alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, wenn die Menschen, die mit seinem kostbaren Blute erkauft sind, unter einem neuen Gesichtspunkt seiner Herrschaft unterworfen werden, wenn endlich diese Herrschaft das ganze menschliche Wesen umfaßt, dann ergibt sich daraus, daß keine einzige Fähigkeit sich dem Einfluß dieser höheren Gewalt entziehen darf.
Christus soll also herrschen über den Verstand des Menschen, der in vollkommener Unterwerfung seiner selbst den geoffenbarten Wahrheiten, den Lehren Christi fest und beständig beipflichten muß; herrschen soll Christus über den Willen, der den göttlichen Gesetzen und Vorschriften folgen muß; herrschen soll er über das Herz, das die natürlichen Gefühle zurückdrängen und Gott über alles lieben und ihm allein anhangen muß; herrschen soll er im Leibe und in seinen Gliedern, die als Werkzeuge oder, um mit dem Apostel Paulus zu reden, als Waffen der Gerechtigkeit für Gott zur inneren Heiligung der Seele dienen sollen.
Das sind alles Wahrheiten, die wir heute sowohl in unserem persönlichen Leben als auch im Kontext vieler Kirchen und Gemeinden aller Traditionen nicht so gerne hören; gerade deshalb tun wir gut daran, sie uns ins Gedächtnis zu rufen und uns zum Abschluß des Kirchenjahres Christus als den König vor Augen zu stellen.
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- Quas Primas, Absatz 42, zitiert nach dem Text wie er auf der Website www.stjosef.at veröffentlicht ist. Ich danke meinem Namensvetter Ian Paul der diesen Abschnitt in seinem Blogbeitrag zum Christkönigsfest zitiert, natürlich auf Englisch. Die Absatz-Nummerierung ist in den verschieden Übersetzungen unterschiedlich; in der englischen Übersetzung auf Vatican.va ist dies Absatz 33.[↩]