Wem gebührt Respekt? Und wofür?

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In der vergangenen Woche sind auf nicht ganz legale und faire Weise private1 Textnachrichten zwischen dem suspendierten Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, und dem Richter am Verfassungsgerichtshof, Wolfgang Brandstetter, an die Presse weitergegeben und in der Folge veröffentlicht worden. Diese Textnachrichten enthalten respektlose Äußerungen von Pilnacek, sowohl über einzelne Verfassungsrichter, als auch über die Institution als solche. Brandstetter selbst hat zwar keine solchen Äußerungen getätigt, sich aber  in seinen Antworten auf Pilnaceks Äußerungen auch nicht klar von ihnen distanziert; aufgrund des Drucks der Oppositionsparteien hat er inzwischen seinen Rückzug aus den VfGH mit Ende Juni angekündigt.

Pilnacek hat seine Äußerungen gestern als „unverzeihbar, nicht zu rechtfertigen und völlig unangemessen“ bezeichnet und sich dafür entschuldigt.

Diese Vorfälle haben mich zum Nachdenken über “Respekt” angeregt.

Ich bin davon überzeugt, daß jedem Menschen Respekt gebührt, weil er oder sie als Geschöpf im Ebenbild Gottes erschaffen wurde. Von vielen wurde beklagt, daß Pilnaceks Äußerungen Respekt von den Institutionen des Rechtsstaats  vermissen ließen, und vielleicht gebührt diesen Institution, sowie auch den Amtsträgern des Rechtsstaats als solchen, der Respekt der Staatsbürger und wahrscheinlich noch mehr der Beamten, die diesem Staat dienen.

Ich glaube jedoch nicht, daß jede Entscheidung oder Handlung, egal ob von einem einzelnen Menschen, von einem staatlichen Amtsträger oder von einer Institution wie dem Verfassungsgerichtshof, von mir als Staatsbürger respektiert werden muß. Klar muß ich mich im Normalfall daran halten bzw. die Folgen akzeptieren, wenn ich das nicht tue, aber respektieren?

Wenn der Verfassungsgerichtshof moralisch verwerfliche Entscheidungen trifft, wie jüngst im Fall Sterbehilfe, dann respektiere ich das nicht, dann respektiere ich weder den VfGH noch die einzelnen Richter, die so entschieden haben, für diese Entscheidung.

Wenn der Bundeskanzler die moralisch verwerfliche Entscheidung trifft, keine minderjährigen Flüchtlinge von den griechischen Inseln nach Österreich zu lassen, dann respektiere ich Sebastian Kurz als Mensch, der im Ebenbild Gottes geschaffen ist; ich respektiere das Amt des Bundeskanzlers an sich, aber für seine unbarmherzige Haltung gegenüber den Flüchtlingen und die daraus resultierenden Entscheidungen kann ich weder Sebastian Kurz als Person noch den Bundeskanzler der Republik Österreich respektieren. Bestenfalls nehme ich sie zur Kenntnis.

Wenn der amerikanische Präsident für das Recht eintritt, ungeborene Kinder umzubringen, dann respektiere ich Joe Biden als Mensch im Ebenbild Gottes, und ich respektiere grundsätzlich das Amt, das er ausübt, aber seine Unterstützung von Kindstötung und die Entscheidungen, die daraus resultieren, muß ich zwar zur Kenntnis nehmen, aber respektieren muß ich sie sicher nicht. Genausowenig muß ich ihn dafür respektieren, daß er sich zwar als Katholik bezeichnet, aber unmoralische Positionen einnimmt, die dieser Selbstbezeichnung widersprechen.

Das gilt übrigens nicht nur für Politiker und andere Prominente, sondern für uns alle: Wir alle können Respekt erwarten und verlangen als Geschöpfe im Ebenbild Gottes; Respekt für unsere Meinungen und Handlungen sind ein anderes Kapitel, und selbst in unserem liberalen Rechtsstaat steht uns dafür bestenfalls Toleranz zu, aber nicht Respekt – den müssen wir uns erst verdienen, und durch falsche Entscheidungen und verwerfliche Handlungen können wir ihn auch wieder verlieren.

  1. Das Handy wurde in einem Strafverfahren beschlagnahmt, und die Textnachrichten im Zuge des Ibiza-Ausschusses ans Parlament übergeben; diese Textnachrichten sind weder für das Strafverfahren noch für den Ibiza-Komplex relevant und waren als “vertraulich” eingestuft; die Weitergabe durch NEOS-Abgeordnete war daher höchst irregulär. Es handelte sich dabei um eine private Unterhaltung, bei der man eben nicht immer jedes Wort auf die Goldwaage legt; die Veröffentlichung derselben und die daraus resultierende öffentliche Be- und Verurteilung von Pilnacek und Brandstetter ist daher eine Verletzung ihrere Privatspäre, für die den verantwortlichen NEOS-Abgeordneten kein Respekt gebührt, was immer für Rechtfertigungen sie jetzt anführen.
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Fehlendes Evangelikales Geschichtsbewußtsein

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Im aktuellen EINS-Magazin, der Zeitschrift der Deutschen Evangelischen Allianz, findet sich ein Interview mit dem Theologen Roland Werner zum Thema “Die Zukunft der evangelikalen Bewegung.” Das Interview folgt den “Sieben Wünschen für die evangelikale Bewegung der Zukunft”, die Roland Werner in einem Beitrag im Podcast “glaubendenken1 artikuliert hat. Alle sieben Wünsche sind sehr gute Denkanstöße, ich möchte hier aber besonders auf die Interview-Fragen zu Wunsch 4 eingehen (siehe nebenstehend):

Sie (die evangelikale Bewegung) sollte sich bewusst den ganzen Reichtum der Kirchengeschichte nutzbar machen.

Wie der Interviewer (Jörg Podworny) es auch formuliert, geht es um “historisches Bewußtsein”, an dem in evangelikalen Kreisen, und besonders in den Freikirchen ein eklatanter Mangel herrscht:

In sehr vielen freikirchlichen Kreisen, vor allem im deutschen Sprachraum2, kann man den Eindruck bekommen, daß sehr kurz nach der Zeit der Apostelgeschichte und dem Tod der Apostel die wahre Gemeinde Jesu irgendwie verschwand, und erst viel später wieder zum Vorschein kam: je nach der eigenen kirchlichen Tradition zur Zeit der Reformation, oder aber noch viel später, eben als die eigene Freikirche gegründet wurde, also aus der mehr oder weniger abgefallenen Herkunftskirche herausgeführt wurde in die Freiheit der Kinder Gottes.

Die Folge davon ist, daß die ganze Kirchengeschichte, vom Ende der Apostelgeschichte bis zur Entstehung der eigenen kirchlichen Tradition, eher negativ gesehen wird, und das Studium dieser Geschichte sowie der Schriften, die im Lauf dieser Geschichte entstanden sind, für wenig bis gar nicht nützlich gehalten wird; in weiterer Folge führt es dazu, daß man praktisch keine Verbindung dazu hat, wie der christliche Glaube, so wie er in der Heiligen Schrift geoffenbart ist, von Anfang an, von den Aposteln und ihren unmittelbaren Nachfolgern, verstanden wurde.

Die Begründung, die ich dafür immer höre, lautet “sola scriptura” – allein die Schrift. In der Praxis heißt das entweder, “Allein die Schrift, so wie ich sie verstehe,” oder aber, “Allein die Schrift, so wie sie von meinem Pastor oder von den anerkannten Lehrern meiner kirchlichen Tradition verstanden und ausgelegt wird.” Wir sind zwar immer sehr stolz darauf, daß es bei uns keinen Papst gibt, aber dort, wo nur die jeweils eigene Auslegung, das eigene Schriftverständnis, maßgebend ist, dort ist dann jeder Christ sein eigener Papst; und dort wo nur die eigenen, anerkannten Lehrer maßgebend sind, dort hat man dann ein genauso autoritäres Magisterium oder “Lehramt”, wie in der römisch-katholischen Kirche.

Aber “sola scriptura” bedeutet nicht “nuda scriptura” – die nackte Schrift – wie man klar feststellen wird, wenn man sich mit demjenigen beschäftigt, von dem der Begriff – ebenso wie die drei anderen solae – stammt:  Martin Luther. Luther hat sich sowohl bei seiner Bibelübersetzung, als auch bei seiner Auslegung der Heiligen Schrift, immer wieder auch auf die Kirchenväter berufen, weil ihm durchaus bewußt war, daß wir nur in Anlehnung an das Schriftverständnis der frühen Christen zurückfinden können vor die Zeit der mittelalterlichen Verformungen und Verirrungen, die zu den Mißbräuchen seiner Zeit geführt haben.

Versteht mich nicht falsch: Ich bin nicht unbedingt dafür, über Irenäus oder Tertullian zu predigen, da plädiere ich eher dafür, durch ein biblisches Buch zu predigen (ich finde das langfristig auch zielführender, als Predigten über einen einzelnen Vers oder thematische Predigten, die dann überall in der Bibel herumspringen, um Belegstellen zu finden), aber was diese frühen Leiter der Gemeinde Jesu geschrieben haben, sollte ganz wesentlich unser Verständnis, unsere Auslegung der Heiligen Schrift informieren und prägen.

Stattdessen wird unser Schriftverständnis von seriösen Autoren wie John Piper, John McArthur, Wayne Grudem, N. T. Wright, Helge Stadelmann, Gerhard Maier, John Lennox, und vielen anderen mehr, sowie von weniger seriösen Autoren wie William P. Young, Frank Peretti, Tim LaHaye, Jerry B. Jenkins und anderen geprägt. Gegen die meisten dieser Autoren habe ich nichts, und sie leisten sicher einen wertvollen Beitrag, aber daß wir sie höher schätzen als die unmittelbaren Mitarbeiter und Nachfolger der Apostel beweist unser fehlendes Geschichtsbewußtsein, sowie eine fatale “neuer ist besser” Einstellung.

Also, predigen wir ruhig weiter die Bibel in unseren Gottesdiensten, aber der Vorschlag, statt eines neueren Buches mal gemeinsam den ersten Clemensbrief zu lesen und zu studieren, findet voll meine Zustimmung. Und keine Angst, daß er zu schwer zu finden oder zu teuer ist: Es gibt ihn, sowie etliche andere Schriften der Kirchenväter, zum kostenlosen Download.

 

  1. Serie “Was ist eigentlich evangelikal?” auf YouTube: Teil 1, Teil 2, Teil 3. Auch auf Apple, Spotify, usw. Die “7 Wünsche” finden sich am Ende des dritten Teils.
  2. Im englischen Sprachraum ist die Situation meiner Beobachtung nach eine Spur besser
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Lived Experience Trumps Open Debate – Should It?

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Let’s get this out of the way first: I am so sorry for the Trump reference in the title of this post—it does not refer to the former POTUS but is a quote from one of the articles I refer to in this post.

In an opinion column in today’s Daily Telegraph (unfortunately behind a pay wall for many) spiked columnist Ella Whelan comments on The Twitter mauling of Joe Rogan in the wake of the US comedian and podcast host suggesting that «the trajectory of “woke” culture is such that eventually “straight, white men won’t be able to talk”».

Her article illustrates and confirms something American theologian Voddie Baucham said in a recent interview (text summaryvideo) with Church Leadership Magazine and in his book, Fault Lines.

Here is the section from Ella Whelan’s column in the Telegraph:

According to some Black Lives Matter activists, white people need to “sit down” and stop talking about race. Feminists have long argued that men need to “lean out” or “shut up” and listen to women when it comes to issues relating to women. Transgender activists claim that any non-trans person deviating from the repetition of their “trans women are women” mantra must be a bigot, and therefore should be silenced. Teenage climate activists tell us we should be quiet and “listen to the science” rather than debating the best way to tackle environmental challenges.

In a recent online debate on intimacy during lockdown, I was told I couldn’t possibly comment on the benefits of dating apps for sexual exploration because I am married. In almost all aspects of contemporary politics, lived experience has trumped open debate, meaning that unless you fit into whichever identity or experience is being discussed, your views are deemed less valid.

In the interview in Church Leadership Magazine, Dr. Baucham discusses Critical Race Theory (CRT) which underpins the current social justice movement. He says it isn’t just a pseudo-religion but is rather its own religious movement. It has all the trappings of religion, a point which even atheists have made. The movement has its own cosmology, its own saints, its own liturgy, and its own law.

And here is the section where it meshes perfectly with what Ella Whelan says in her column:

What we have in our culture is not an objective truth, but we have a cultural hegemony that is designed for the purpose of oppression. Because of this we have to look at other ways of knowing. This is where narrative becomes very important, story telling becomes important, it’s one of the central tenets of Critical Race Theory. So in Critical Race Theory, if you want to know the truth when it comes to race and racism, you have to elevate black voices, you have to listen to the voice of the marginalized. And this is what people are talking about in church today, right: We have to listen to black voices, we have to elevate the voice of the marginalized. Well, in Critical Race Theory we do this because that’s the way you know truth—not through knowing God, not through knowing God’s Words, but through listening to the voices and the experiences of  the people who we determine to be marginalized.

So, even when we talk about having the conversation—and people will say, “You’re just trying to shut down The Conversation About Racism!”—that’s rooted in principles of Critical Race Theory, that’s saying that storytelling is the way we find knowledge and not through pursuing objective truth.

Since narrative, story telling, are the ways to find true knowledge, when folks tell their story they must be believed, their story must be taken at face value, however much it flies in the face of your own experience, of objective—even scientific—knowledge, or revealed truth.

But because it is only the narrative and the stories of the oppressed and marginalized, whether it be people of color, women, or those who identify with “alternative sexualities”, only their stories are worth listening to, and others, especially privileged white males, need to shut up rather than contribute their own experiences or opinions.

And finally, even those who belong to the oppressed and marginalized groups are only welcome to tell their stories and experiences if they fit into the grans narrative of Critical Race Theory. A black man, like Dr. Baucham, who tells a different story is dismissed as having “internalized racism.”

This edict, that all who are not fully supportive of the narratives and stories considered authentic voices of the oppressed need to be silenced, is at the root of what has come to be called the “cancel culture”, with the “de-platforming” of speakers who represent contrary views.

One of my own observations, and which all this bears out, is that it is typically those who call for tolerance and even affirmation of their own views and positions end up most intolerant of other views and positions. Even Christians are guilty of this: demanding freedom of religion for Christians in places like Saudi Arabia, India, Pakistan, etc., while at the same time discriminating against followers of visibly foreign religions in our own countries. It seems to be part of our sinful human nature.

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Eine Herausforderung für alle evangelikalen Kirchen und Gemeinden

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Die Anglikanische Diözese von Sydney, die hauptsächlich “low church” und evangelikal ist, hat nach der Pensionierung von Glenn Davies im März soeben einen neuen Erzbischof gewählt. Er ist Kanishka Raffel, Dekan der St. Andrews Cathedral in Sydney, in London in einer Familie aus Sri Lanka geboren, und vom Buddhismus zu Christus bekehrt.

In einem Artikel für die Religionsabteilung des Australischen Rundfunks, befaßt sich Dr. Michael P. Jensen, Pfarrer an der Markuskirche in Darling Point, mit den Herausforderungen, vor denen die Diözese von Sydney und Erzbischof Raffel stehen, und während der Artikel natürlich in einigen Punkten spezifisch auf die Situation in der australischen Metropole eingeht, bietet er doch einige sehr nützliche Überlegungen für evangelikale Kirchen und Gemeinden weltweit.

Ein Redner auf der Wahlsynode hat die Anglikaner in Sydney mit der Ever Given, dem Öltanker, der vor Kurzem im Suezkanal feststeckte, verglichen. Der Autor nimmt diesen Vergleich auf und beschreibt vier Versuchungen, denen Organisationen ausgesetzt sind, wenn sie auf diese Weise feststecken. Alle vier Versuchungen scheinen mir für alle evangelikalen Gemenden relevant zu sein, in der gesellschaftlichen und kulturellen Situation, in der wir uns in der gesamten “westlichen” Welt finden, aber die erste dieser Versuchungen stach für mich hervor:

Die Versuchung, einen Führer zu ernennen, der alle Barrieren durchbricht.

Der Autor schreibt,

Ängstliche, besorgte Menschen suchen nach Superhelden als Führer, die alles reparieren können. Sie träumen von einer Alpha-Leiter, der einfach durch all die Barrieren durchbricht, die Veränderung und Wachstum entgegenstehen, der Menschen nach gutdünken rauswirft oder neu einstellt. Wir suchen nach einem Führer, der den Grenzzaun baut und uns wieder groß macht. (Klingt das vertraut?) Die Kirche ist da nicht anders. Wir suchen nach jemandem, der radikale Veränderung bringt. Aber das Problem mit so einem Superhelden ist, daß beim Durchbrechen der Barrieren auch viel Anderes kaputt geht. So ein Führer stellt sich oft als polarisierend und zerstörerisch heraus.

Mir scheint das Problem mit dieser Versuchung zu sein,  daß sie uns blind macht gegen die Wahrheit, daß es nicht menschliche Führer sind, sondern der Heilige Geist, der radikale Veränderung in der Kirche hervorruft.

Noch ein Zitat aus dem Artike, daß für mich hervorstach, sind diese zwei Absätze in der Zusammenfassung der Aufgaben, vor denen der neue Erzbischof steht:

Aber es braucht auch eine mutige und prophetische Konfrontation der post-christlichen Kultur. Der große Schweizer Theologe Karl Barth hat einmal gesagt, daß Predigten mit der Bibel in einer Hand und der Tageszeitung in der anderen verfaßt werden sollen. Die Bibel gibt uns Augen, zu sehen, was wirklich in der Zeitung steht. Aber natürlich können uns die Zeitungsberichte auch helfen, die Bibel besser zu verstehen. Der Fehler, den viele amerikanische Evangelikale gemacht haben, ist zu meinen, daß politische und kulturelle Methoden der richtige Weg sind, das Reich Gottes zu bauen oder zu verteidigen – meist Hand in Hand mit der politischen Rechten. Das ist ein hoffnungsloses Unterfangen, und führt zu einer Vergötzung politischer Macht, wie man während der Präsidentschaft von Trump beobachten konnte. Es leugnet die über Allem stehende Herrschaft Jesu, der allein Herr der Kirche ist.

Aber die Kirche kann auch nicht einfach dem Zeitgeist folgen. Ihre Berufung ist nicht, beruhigender Seelsorger für den aktuellen Narzissismus zu sein. Sie findet Gerede von “mit der Zeit gehen” oder “auf der richtigen Seite der Geschichte sein” lächerlich. Sie strebt nicht nach Relevanz, als wäre das ein Wert an sich. Die Kirche hat Rom überlebt: Sie wird auch Atlassian[1] überleben.

Ich habe den Satz hervorgehoben, der besonders für mich hervorstach, und beeile mich zu betonen, daß das kein rein amerikanisches Problem ist, auch wenn die fast bedingungslose Unterstützung von Präsident Trump durch amerikanische Evangelikale es besonders sichtbar gemacht hat. Dieses Problem tritt immer dann auf, wenn Christen erwarten, daß die Politik eine christliche Moral in einer sekularen Gesellschaft durchsetzen kann, und ganz besonders, wenn sie einen oder mehrere Teilaspekte christlicher Moral über Allem anderen priorisiert. Christen haben zum Beispiel die Tendenz, die Abtreibungsfrage oder das ganze Thema Gender/alternative Sexualitäten über die Frage nach der Behandlung von Flüchtlingen und Migranten zu stellen, und das kann man sowohl in Trumps Amerika als auch hier bei uns in Österreich beobachten.

Die Schlußfolgerung, zu der Dr. Jensen kommt, nachdem er die vier Versuchungen beschrieben hat, scheint mir richtig und wegweisend zu sein:

Die Antwort muß doch sicherlich sein, daß die Kirche Jesu Christi authentischer das sein muß, was sie tatsächlich ist. Christen in Sydney, egal ob Anglikaner oder nicht, müßen christlicher sein. Die Berufung der Gemeinde Jesu ist, Ihm ähnlicher zu sein. Sie ist berufen, Gott anzubeten, und gemeinsam so zu leben, daß Sein Charakter hervorstrahlt, ganz unabhängig von den Umständen.

Und das trifft natürlich für Christen jeder Tradition, nicht nur in Sydney oder Australien, sondern überall: hier in Österreich, in England, in Amerika, und wo immer es die Kirche, die Gemeinde gibt.

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  1. Atlassian ist eine Sofware-Firma in Sydney; ich nehme an sie steht hier für “Big Tech” – die großen Tech-Konzerne (gemeinsam mit Google, Amazon, Apple, Facebook), die sehr stark den Zeitgeist bestimmen[]
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A Challenge To All Evangelical Churches

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The Anglican Diocese of Sydney, predominantly low church and Evangelical, has just elected a new archbishop after the retirement of Glenn Davies in March of this year. The new archbishop is Kanishka Raffel, dean of St. Andrews Cathedral in Sydney, born in London to Sri Lankan parents and a convert from Buddhism.

In an article for the Religion & Ethics Portal of the Australian Broadcasting Corporation, Dr. Michael P. Jensen, Rector at St. Mark’s in Darling Point, examines the challenges facing the Sydney Diocese and Archbishop-elect Raffel, and while some aspects of the article are specific to SydneyAnglicans, much of it is challenging food for though for Evangelical churches everywhere.

A speaker at the election synod compared Sydney Anglicans with the Ever Given, the oil tanker stuck in the Suez canal recently. The author takes up this image and describes four temptations facing an organization stuck in this way.  All four seem applicable to almost any Evangelical church in the societal and cultural climate we find ourselves in, across most of the “Western” world, but the first one especially resonated with me:

The temptation to appoint a “crash-through” leader.

The author writes,

Anxious people want superhero leaders who will fix everything. They dream of the alpha individual who just crashes through the barriers to change and growth, firing and hiring at will. We want the guy who will build the wall and make us great again. (Sound familiar?) The church is no different. We yearn for a radical change agent. And yet, the problem with the crash-through leader is … well, the crash. They will likely prove polarising and destructive.

To me, the problem with this temptation is that it ignores the truth that the primary change agent in the church, more radical than any human leader, is the Holy Spirit.

Another quote from the article which struck me is this, in the author’s outline of the tasks facing the new archbishop:

But there must also be a courageous and prophetic engagement with post-Christian culture. The great Swiss theologian Karl Barth once said that sermons should be written with the Bible in one hand and the newspaper in the other. The Bible gives us eyes to see what is really in the newspaper. But it is also the case that news may help us to see better what is in the Bible. The mistake that many American evangelicals have made is to imagine that political and cultural means are the way to pursue or to defend the kingdom of God — mostly in alignment with the political right. That is a fool’s errand. It leads to an idolatry of political power, as was seen the Trump’s presidency. It shows no faith in the ultimate Lordship of Jesus, who is the church’s only Lord.

But neither should the church simply follow the spirit of the age. Its calling is not to provide a chaplaincy to contemporary narcissism. It finds laughable talk of “getting with the times” or “history being on our side”. It does not pursue relevance, as if that were anything worthwhile. It outlasted Rome: it will surely outlast Atlassian.

I have highlighted the sentence which made this stand out to me, and I hasten to add that this is not a uniquely American problem, although American Evangelical support for President Trump made it very visible. This problem rears its head every time Christians look to politics to enforce Christian morality on a secular society, and especially when they prioritize one point of Christian morality over everything else. There is, for example, a tendency to make the question of abortion or the whole gender and alternative sexualities question a priority over the treatment of refugees and immigrants, something I have observed both in the American situation during the past few years and in my own country of Austria.

I like the conclusion that Dr. Jensen comes to after talking about the four temptations:

The answer must surely be that the church of Jesus Christ needs to be more authentically what it actually is. Christians in Sydney — be they Anglican or not — need to be more Christian. The calling of the church of Jesus Christ is to be more like him. It is called upon to worship God, and to live life together that reflects his character, whatever the circumstances.

And this, of course, applies to Christians, of every stripe, not just in Sydney or Australia, but everywhere: here in Austria, in England, in America, and wherever the Church is found.

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Is Austria’s Solidarity With Israel Unconstitutional?

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When two days ago (Friday, 15th May 2021) the Austrian government expressed solidarity with Israel by flying the Israeli flag on the Chancellery and Foreign Ministry buildings, several particularly intelligent individuals (i.e. FPÖ chair Hofer as well as Facebook commenters) have opined that this expression of solidarity contravenes the consitutionally mandated perpetual neutrality of Austria.
 
 
But Austria’s neutrality has always been understood in military terms, not in terms of ideology or world view: The Austrian constitution itself just mentions neutrality but doesn’t define it, while the Neutrality Act of 1955 (which is considered part of the constitution) clearly defines it in military terms—no membership in alliances, no foreign military bases in Austria (see the attached screenshot).
 
During the talks which produced the Austrian State Treaty which in turn terminated Austria’s occupation by the WWII Allies, Austria’s negotiators in Moscow used the expression neutrality on the Swiss pattern to make clear that this was not a moral or ideological neutrality—hence Austria, while not a NATO member, was nevertheless always a western country, and today cannot be morally neutral vis-á-vis terrorist organizations such as Hamas.
 
It is this same Hamas which for a number of days has relentlessly been firing rockets at the Israeli civilian population; and they do this using bases and launchpads located in the midst of civilian residential areas, often next to hospitals and school—so that the inevitable and justified Israeli counter strikes will produce a high civilian death toll, including children, which can then be exploited for propaganda purposes.
 
In the face of this situation the demonstration of solidarity by the flying of the Israeli flag is clearly not unconstitutional or in contravention of Austria’s perpetual neutrality; rather, this solidarity is entirely appropriate especially given Austria’s history.  We should not forget that when Austria’s anthem waxes poetic about being “home to great sons” this includes the likes of Adolf Hitler and not a few of his henchmen—great, of course, in terms of their tragic impact on world history, not in the sense of moral greatness.
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Ist Österreichs Solidarität mit Israel verfassungswidrig?

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Nachdem vor zwei Tagen (Freitag, 14. Mai 2021) die österreichische Bundesregierung Solidarität mit Israel bekundet hat, indem am Bundeskanzleramt und am Außenministerium die israelische Fahne gehisst wurde, haben einige besonders kluge Zeitgenossen (auf Facebook, aber auch der blaune Parteivorsitzende Hofer) gemeint, diese österreichische Solidaritätsbekundung für Israel widerspräche der verfassungsgemäßen immerwährenden Neutralität Österreichs.
 
Aber die Neutralität ist in Österreich immer schon militärisch und nicht weltanschaulich verstanden worden: Die Verfassung selbst definiert Neutralität überhaupt nicht, während das Neutralitätsgesetz von 1955 (im Verfassungsrang) sie militärisch definiert – keine Bündniszugehörigkeit, keine fremden Stützpunkte (siehe angehängter Screenshot).
 
Bei den Verhandlungen zum Staatsvertrag, mit dem das Neutralitätsgesetz politisch zusammenhängt, haben Österreichs Verhandler in Moskau den Begriff Neutralität nach dem Muster der Schweiz benutzt, um klarzustellen, dass es sich dabei nicht um Gesinnungsneutralität  handeln könne – deshalb war Österreich, wenn auch nicht in der NATO, doch immer ein westliches Land, und kann heute nicht moralisch neutral sein gegenüber terroristischen Vereinigungen wie der Hamas.
 
Diese Hamas feuert seit Tagen ununterbrochen Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung ab; und sie tut das von Stützpunkten und Abschußbasen aus, die eingebettet sind in zivile Wohngebiete, die sich unmittelbar neben Spitälern und Schulen befinden – damit die notwendigen und gerechtfertigten Gegenschläge Israels möglichst viele zivile Opfer, darunter auch Kinder, fordern.
 
Angesichts dieser Situation steht die symbolische Solidaritätsbekundung Österreichs gegenüber Israel durch das Hissen der israelischen Fahne, eindeutig nicht im Widerspruch zur Verfassung, und ist gerade in Bezug auf Österreichs Geschichte durchaus angebracht: Schließlich sollten wir nicht vergessen, daß “Heimat bist du großer Söhne” leider auch Typen wie AH und nicht wenige seiner Schergen umfaßt – “groß” natürlich im Sinne ihrer traurigen weltgeschichtlichen Bedeutung, nicht im Sinn von moralischer Größe.
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Die kulturell konservative Mehrheit stärken?

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Im Telegraph vom 13. Mai 2021 schreibt Allister Heath,

«Was ist los mit Frankreich, diesem wunderbaren Land, das von seinen Politikern unerbittlich im Stich gelassen wird? Es liegt ein unverkennbarer Geruch von Panik in der Pariser Luft, ein zunehmendes Gefühl in Teilen der herrschenden Klasse, daß Frankreich, auseinandergerissen von Kulturkriegen, mit seiner Wirtschaft und Gesellschaft in nicht enden wollendem Abstieg, mit seinen riesigen Wohnanlagen in den Vorstädten andauernd an Kippen, sich dem Abgrund nähert.

Trotz allem Hohn sind Boris Johnsons jüngste Wahlerfolge nicht unbemerkt geblieben. Was, so fragen sich die vorausschauenderen Intellektuellen, wird Frankreichs Gegenstück zum Brexit sein, wenn, oder vielmehr, sobald es dazu kommt? Wird es eine Wiederholung von 1961 sein (ein fehlgeschlagener Putsch), von 1968 (linksradikaler Studentenaufstand), 1981 (Kommunisten in der Regierung), 1789 (eine echte Revolution), oder, hoffentlich, etwas weniger Gewaltsames, Konstruktiveres?

Die gilets jaunes (Gelbwesten) vor zwei Jahren waren ein falscher Alarm, aber wie wird sich die Wut von la France profonde das nächste Mal manifestieren? Emmanuel Macron hat zugegeben, daß “Leave” eine Abstimmung über einen Frexit gewinnen würde – aber die will niemand riskieren. Es ist wirklich schade: Frankreich, das Land wo ich aufwuchs, braucht einen katharsischen “Reset” wie Brexit, ein politisches Erdbeben, das weder linksradikal noch rechtsradikal ist, welches aber endlich die kulturell konservative Mehrheit stärkt.»

Hier sind meine Gedanken dazu als Nicht-Experte:

Das Problem ist, daß sich selbst die gemäßigte Linke gegenüber den kulturell Konservativen, die sie als rechtsradikal wahrnehmen[1], zunehmend als überlegene Elite fühlt. Deshalb werden sie sich nicht leicht mit Veränderungen abfinden, welche diese “Deplorables” (“Bedauernswerten”), um mit Hillary Clinton zu sprechen, stärken. Das ist nicht nur ein französisches Problem; das trifft in der gesamten westlichen Welt zu.

Ich bin gespannt, wie die Dinge in Großbritannien weitergehen. So sehr ich den Brexit bedaure, scheint er dort genau so einen “Reset” ausgelöst oder zumindest begonnen. Aber während größere Länder wie Großbritannien, Frankreich, oder auch Deutschland sich einen Brexit, Frexit oder Dexit leisten können, ohne daß ihre Wirtschaft allzu viel Schaden nimmt, wäre es für die kleineren Länder, aber auch Italien oder Spanien, katastrophal, wenn sie die EU verlassen oder diese auseinanderbrechen würde – trotz aller Fehler und Schwächen der Union. Unter anderem würde das bedeuten, daß die Wirtschaft unserer Länder noch mehr von den USA und China dominiert würde, als das jetzt schon der Fall ist – es gäbe kein Gegengewicht mehr.

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  1. wenn es z.B. um Positionen wie die Realität und Unabänderlichkeit des biologischen Geschlechts, um die Ehe ausschließlich zwischen Mann und Frau, den Schutz des ungeborenen Lebens, usw. geht[]
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Empowering the Culturally Conservative Majority?

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Allister Heath writes in The Daily Telegraph (May 13, 2021),

«What is wrong with France, a wonderful country relentlessly let down by its politicians? There is an unmistakable whiff of panic in the Parisian air, a growing sense among sections of the ruling class that France, riven by culture wars, its economy and society in never-ending decline, its housing estates in the banlieues permanently on the brink, is nearing a tipping point.

For all the sneers, Boris Johnson’s latest electoral triumph did not go unnoticed. What, the more far-sighted intellos ask themselves, will be France’s equivalent of Brexit, if, or rather when, it finally comes? Will it be another 1961 (a failed putsch), 1968 (hard-Left student insurrection), 1981 (communists in government), 1789 (proper revolution) or, hopefully, something milder, more constructive? 

The gilets jaunes two years ago were a false alarm, but how will the rage of la France profonde manifest itself next time? Emmanuel Macron has admitted that “Leave” would win a vote on Frexit, though nobody will want to risk one. It’s a great shame: France, the country in which I grew up, needs a cathartic reset like Brexit, a political earthquake that is neither hard-Left nor hard-Right but which finally empowers the culturally conservative majority.»

Here are my non-expert thoughts on this:

The problem is that, increasingly, even the “moderate left” view themselves as the elite, superior to cultural conservatives whom they view as “hard-Right”[1]. Therefore they will not easily countenance anything that empowers these “deplorables“, to use Hillary Clinton‘s deplorable diction. This is true not just in France but all over the West.

It will be interesting to see how things continue in the UK. As much as I regret Brexit, it seems to have brought about or at least started just such a “reset”. But while these larger countries (Britain, France, even Germany) might go through a Brexit or Frexit or Gexit without too much damage to their economies, for all the EU’s shortcomings leaving it, or its complete break-up, would have disastrous consequences for smaller countries and even Italy or Spain. Among other things it would mean the total domination of our economies by the US and China, without any counterbalance.

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  1. for example when they insist on the reality and immutability of biological sex, marriage only between a man and a woman, or the protection of unborn life[]
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Prince William propagates “White Saviour” — Really?

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In a letter to the editor published in profil 18/2021 biologist and elephant researcher Dr Hannah Mumby from the University of Hong Kong writes,

“In 2018 Prince William travelled to Tanzania, Kenia, and Namibia to learn about conservation. At a conferenc he presented a video about his trip to Tanzania. Many NGOs criticized that the video was promoting a  “white saviour” image, because only one African, a student, spoke in front of the camera while the remaining interviewees were international conservationists.”

I assume that the video which Prince William presented reflected his trip to Tanzania: what he experienced, who he talked to, etc. It should not be too surprising to anyone that a politically prominent figure like the Prince primarily encounters carefully selected people on a trip like this; people who are judged by the security teams (both his own and those of the host country) to be harmless and unlikely to be a danger. That this selection criterion results primarily in prominent experts and activists, and that these, for any number of reasons tend to be mostly white Americans and Europeans, does not surprise me either.

I am also not surprised (because this phenomon is not new) but rather irritated that activists and propagandists (and I use these terms without any negative connotation) have the tendency to consider everything someone says propaganda, or to dig through it for things that could be interpreted as propaganda.

Most of us normal folks (and I assume that this applies to Prince William as well) are not constantly in propaganda mode when we comment on something; much of the time we simply report, without value judgments, on what we have experienced; we are not at all concerned with how others could interpret what we say as propaganda or promotion of this or that.

And so I also assume that Prince William travelled to Africa to express his interest in conservation and to support various conservation initiatives; that he presented his video for these same reason, without worrying overmuch about who he had talked to or interviewed. I am pretty sure that he was not seeking to make some political statement about the ethnic or national identity of the conservationists he spoke to. If “many NGOs” wish to interpret his video that way, then it is because they assume that everyone else thinks in the same categories and patterns as they themselves — and that’s pretty naïve and stupid.

 

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