Das alljährliche blaue Aschermittwoch-Spektakel
Wie jedes Jahr mißbraucht die FPÖ den Aschermittwoch, einen kirchlichen Gedenktag, für unchristliche Selbstbeweihräucherung und Ausfälle gegen die politischen Mitbewerber. Der „Hoffentlich-Nie“-Kanzler Kickl befürchtet völlig zu Unrecht, daß er sich die „erarbeitete Seriosität z’ammhaun“ könnte – denn welche Seriosität, bitte schön?
Was Kickl nicht versteht (oder nicht verstehen will) ist, daß Österreich kein „Winner takes it all“, „First past the post“ Wahlsystem[1] hat, sondern ein Verhältniswahlrecht[2], in dem knapp 29% eben nur eine relative Mehrheit (d.h. eine absolute Minderheit) darstellt, der die absolute Mehrheit all derer gegenübersteht, die andere Parteien gewählt haben, und daß diese anderen Parteien mit ihren rund 70% keinerlei Verpflichtung haben, den 29%-Parteichef ins Bundeskanzleramt zu heben.
Die jetzt angelobte Regierung aus ÖVP, SPÖ, und NEOS ist eben nicht eine Regierung der Verlierer, sondern eine Regierung von 56% der Wähler, die nicht für die FPÖ gestimmt haben und die sich keinen „Volkskanzler“ Kickl wünschen. Mit 110 Abgeordneten hat diese Regierung auch eine komfortable absolute Mehrheit im Parlament.
Es ist auch sehr bezeichnend, daß Kickl seine eigene Unnachgiebigkeit und mangelnde Kompromißbereitschaft in den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP seinem „Rückgrat“ zuschreibt, die von ÖVP-Chef Stocker jedoch dessen mangelnder Ehrlichkeit.
Daß es Kickl bei all dem nicht um Österreich geht ist daraus ersichtlich, daß er der neuen Regierung nicht, zum Wohl des Landes, Erfolg wünscht, sondern deren baldiges Scheitern beschwört und Neuwahlen fordert. Wahlen kosten viel Geld – Steuergeld. Und nachdem es sehr unwahrscheinlich ist, daß Kickls FPÖ be einer neuerlichen Wahl tatsächlich die absolute Stimmenmehrheit erhält, geht danach der Koalitionspoker erneut los, mit vorhersagbarem Resultat. Es wäre also reine Geldverschwendung. Patriotismus sieht anders aus.
__________- Bei einem „Winner takes it all“ oder „First past the post“ (FPTP) Wahlsystem (auch Mehrheitswahl) gewinnt der Kandidat oder die Partei mit den meisten Stimmen, auch wenn es keine absolute Mehrheit (mehr als 50 %) gibt.[↩]
- In einem Verhältniswahlsystem erhalten Parteien Sitze entsprechend ihrem Stimmenanteil.[↩]