Der Roys Report berichtet über Verhaftungen von Leitern und Mentoren einer christlichen Studentenverbindung in Texas, wegen mehrfachem sexuellem Mißbrauch von Kindern.
Manche nennen sie Nestbeschmutzer, aber ich glaube, daß der Aufdeck-Journalismus von Julie Roys und ihren Miarbeitern, aber auch anderen z.B. im katholischen und anglikanischen Umfeld, extrem wichtig ist für die Gesundheit der Gemeinde Jesu.
Situationen wie die hier beschriebene schädigen nicht nur die unmittelbaren Opfer, sondern sie sind wie Krebsgeschwüre am Leib Christi: wenn man sie ignoriert und nicht entfernt, schädigen sie die Gesundheit des ganzen Leibes.
Vor ein paar Jahren haben manche Evangelikale fast schadenfroh auf die römisch-katholische Kirche gesehen, als dort immer mehr Mißbrauchsfälle im Klerus bis hinauf zu prominenten Kardinälen bekannt wurden; aber es gab schon immer auch problematische freikirchliche Gruppen wie die extremen “geschlossenen Brüder” vor allem im englischen Sprachraum[1]; dann gab es in den letzten Jahrzehnten Meldungen aus dem evangelischen Milieu in Deutschland und die Enthüllungen über die Internatsschulen für Indigene in Kanada und Australien, wo die anglikanischen Kirchen in diesen Ländern beteiligt waren. Vor einem Jahr gab es dann die Zeitungsberichte in Texas über das massive Versagen der Southern Baptists, adequat mit Mißbrauchstätern im vollzeitlichen Dienst umzugehen, unter dem Mäntelchen der “Autonomie der Ortsgemeinde.”[2]
Und heute wissen wir, nicht zuletzt dank der Arbeit von Frau Roys und ihrem Roys Report, daß diese Krebsgeschwüre leider in allen kirchlichen Traditionen gedeihen, auch in Pfingstgemeinden und den größtenteils charismatischen unabhängigen Gemeinden, und bis hinauf zu den prominentesten Megachurches.[3] Leiter in allen kirchlichen Traditionen und Konfessionen haben viel zu lange und viel zu oft zu- und weggeschaut, haben oft mehr Empathie mit den Tätern als mit den Opfern gezeigt, und sich mehr Sorgen gemacht um den Ruf ihrer jeweiligen Kirche oder Gemeinde als um die Sicherheit und das Wohlergehen der ihnen anvertrauten Menschen.
Ich kann nicht beurteilen, wie weit dieses Problem auch in freikirchlichen Gemeinden in Deutschland und Österreich existiert[4] , aber statistisch gesehen sind gerade Gemeinden mit sehr konservativer Theologie, wo Männer in ihren Familien und Pastoren oder Älteste in der Gemeinde unangefochten und unwidersprochen “herrschen”, ehr anfällig sowohl für Mißbrauch und Gewalt in der Familie als auch für Mißbrauch durch Pastoren und andere Leiter. Und solche Gemeinden gibt es auch im deutschen Sprachraum, am Rand der evangelikalen Bewegung. Aberselbst wenn “bei uns”, in unseren Gemeinden und Kreisen, alles in Ordnung sein sollte, können wir uns nicht einfach abputzen: die Kirche, die Gemeinde Jesu ist trotz aller Zerrissenheit und geografischer Ausbreitung ein Leib, und “wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit[5]),” leidet der ganze Leib.
Es ist jedenfalls höchste Zeit, daß wir nicht mehr wegschauen, sondern sowohl im Gebet für solche Situationen eintreten als auch Zivicourage zeigen, wo es nötig ist.
__________- insbesondere die “Raven–Hale” Gruppe in England, Nordamerika und Australien[↩]
- Bei den Southern Baptists hat jetzt trotz einigem Widerstand in den eigenen Reihen eine Aufarbeitung diese Problems mit Präventivmaßnahmen begonnen.[↩]
- Die Situation in den Ostkirchen (Orthodoxe und Uniierte) kommentiere ich hier nicht, weil ich nicht genug über deren Situation weiß; ich kann mir aber nicht vorstellen, daß sie davon vollständig verschont sind.[↩]
- Da freikirchliche Gemeinden bei uns, im Gegensatz zu den englischsprachigen Ländern, eher am Rand der Gesellschaft stehen, dringt viel weniger an die Öffentlichkeit[↩]
- 1. Korinther 12,26 (Einheitsübersetzung 2016[↩]